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Nebenwirkung von Antidepressiva

Serotonin im Überschuss

Datum 25.02.2015  09:53 Uhr

Von Peter Schweikert-Wehner / Das Serotonin-Syndrom – ein Zuviel des Neurotransmitters im zentralen Nervensystem – ist eine seltene, aber oft verkannte Nebenwirkung der Behandlung mit Antidepressiva. Apotheker sollten sie im Kopf haben, wenn weitere serotonerge Stoffe wie Johanniskraut im Rahmen der Selbstmedikation verlangt oder vom Arzt verordnet werden.

Verursacht wird das Serotonin-Syndrom durch eine erhöhte Serotonin-Konzentration im zentralen Nerven­system. Da es keinen Labortest gibt, muss die Diagnose anhand der vielfältigen Symptome gestellt werden. 

Typisch sind mentale Störungen wie Ängstlichkeit, Agitiertheit bis zum Delir, Ruhelosigkeit, Verwirrung und Desorientiertheit. Zudem können vegetativ-autonome Dysfunktionen wie Übelkeit, Diarrhö, Herzrasen, Hypertonie und Hyperthermie auftreten. Auf neuromuskulärer Ebene können sich krampfartige Muskelzuckungen (Myoklonus) sowie neuromuskuläre Hyperaktivität mit Zittern (Tremor) und überschießende Reflexe abspielen.

 

Wie können nun Antidepressiva ein Serotonin-Syndrom auslösen? Das Risiko für das Entstehen liegt in ihrem Wirkmechanismus: Die Hemmung der Serotonin-Wiederaufnahme aus dem synaptischen Spalt kann ein Überangebot an Serotonin verursachen, wodurch die postsynaptischen Rezeptoren überstimuliert und die überschießenden toxischen Effekte verursacht werden. Als Auslöser kommen sowohl selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Fluoxetin, Paroxetin und Citalopram ebenso wie die Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI), zum Beispiel Venlafaxin und Duloxetin infrage. Auch Johanniskraut und manche Trizyklika wie Clomipramin und Imipramin haben serotonerge Effekte (Tabelle 1). Das Risiko steigt in Kombination mit anderen Arzneistoffen, die selbst das Syndrom hervorrufen können (Tabelle 2). Die Gefahr ein Serotonin-Syndrom durch Triptane wie Sumatriptan und Zolmitriptan zu entwickeln, wurde lange Zeit überbewertet. Das Risiko gilt heute als gering. Sie können jedoch in der Kombination einen Beitrag dazu leisten.

Tabelle 1: Antidepressiva, die ein Serotonin-Syndrom auslösen können.

Arzneimittel Gruppe/ Wirkungstyp klinisch relevantes Abbauenzym
Johanniskraut (Hyperforin?) Phytopharmakon
Mirtrazapin tetrazyklisches Antidepressivum CYP 2D6
Maprotilin CYP 2D6
Amitriptylin CYP 2D6
Clomipramin CYP 2D6
Doxepin CYP 2D6
Trimipramin CYP 2D6
Duloxetin SNRI CYP 2D6
Trazodon CYP 3A4
Venlafaxin CYP 2D6
Citalopram SSRI CYP 2C19
Fluoxetin CYP 2D6
Fluvoxamin CYP 2D6
Sertralin CYP 2C19

Kombination mit Fluoxetin und Paroxetin kritisch

 

Vorsicht ist auch geboten bei der gleichzeitigen Anwendung mit Hemmstoffen von Cytochrom P450 (CYP) 2D6, die zu einem Anstieg der Plasmaspiegel und dementsprechend zu einem erhöhten Risiko für ein Serotonin- Syndrom führen. Das sind vor allem Amiodaron, Bupropion, Clomipramin, Chinidin, Chlorpheniramin, Duloxetin, Fluoxetin, Levomepromazin, Methadon, Nicardipin, Paroxetin, Propafenon und Ritonavir. Da Fluoxetin und Paroxetin sowohl den Abbau der meisten Anti­depressiva hemmen, als auch selbst als Auslöser infrage kommen, ist eine Kombination besonders kritisch zu sehen. Der Polymorphismus von CYP2D6 ist mit unterschiedlichen Abbaugeschwindigkeiten der Antidepressiva assoziiert und kann bei langsamen Metabolisierern zu stark erhöhten Plasmaspiegeln und häufig zu Therapieänderungen führen. Klinische Daten zeigen, dass bei Patienten mit Homozygotie, bei nicht-funktionalen CYP2D6-Allelen, deutlich erhöhte Plasmaspiegel auftreten können.

 

Klinisch relevante Hemmstoffe für CYP2C19, die die Plasmaspiegel von Citalopram und Sertralin erhöhen, sind vor allem Chloramphenicol, Fluvoxamin und Moclobemid. Somit sind auch hier zwei Antidepressiva für die Erhöhung der Plasmaspiegel verantwortlich, die selbst ein Risikopotenzial aufweisen. Poor Metabolizer von CYP2C19 führen analog zu CYP2D6 poor Metabolizern zu vermindertem Abbau der Arzneistoffe.

 

Hemmstoffe von CYP3A4, das für Trazodon relevant ist, sind unter anderem Azolantimykotika, HIV-Proteasehemmer, Makrolidantibiotika.

 

Behandlung des Syndroms

 

Das HTR2A-Gen kodiert für einen Serotonin-Rezeptor, der vor allem im zentralen Nervensystem, aber auch in Zellen des kardiovaskulären Systems und des peripheren Nervensystems lokalisiert ist.

Er vermittelt zahlreiche Wirkungen des Neurotransmitters Serotonin. Variationen in diesem Gen beeinflussen durch Veränderung des Rezeptors die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Antipsychotika und Antidepressiva. Das kann mit einem geringeren Ansprechen der Antidepressiva einhergehen. Dosiserhöhungen, als Folge mangelnden Ansprechens, steigern das Risiko eines Serotonin-Syndroms.

 

Das Serotoninsyndrom entwickelt sich typischerweise innerhalb kurzer Zeit nach der ersten Gabe, nach Dosiserhöhung oder nach Hinzufügen einer weiteren entsprechenden Substanz. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch nach Absetzen solcher Substanzen im Falle langer Halbwertszeiten (zum Beispiel Fluoxetin: vier bis sechs Tage) oder wirksamer Metaboliten noch über längere Zeit kritische Plasmakonzentrationen bestehen können. Die Therapie erfolgt durch sofortiges Absetzen aller serotoninergen Substanzen, was in der Regel zu raschem Abklingen der Symptomatik innerhalb von sechs bis zwölf Stunden führt. Die Behandlung sollte unter stationären Bedingungen, bei Hyperreflexie und Myoklonien mit Benzodiazepinen, bei Hyperthermie mit fiebersenkenden Mitteln, Kühldecke oder Ventilator erfolgen. Nichtspezifische 5-HT1-und 5-HT2-Antagonisten wie Cyproheptadin oder Methysergid (nicht mehr im Handel) wurden zum Teil klinisch erfolgreich zur medikamentösen Therapie eines Serotonin-Syndroms eingesetzt. Cyproheptadin soll in einer Dosis von 4 bis 8 mg alle zwei Stunden helfen. Wenn nach 16 mg kein Effekt eintritt, sollte die Gabe eingestellt werden, sonst können bis zu 32 mg/Tag gegeben werden. /

Tabelle 2: Arzneistoffe, die ein Serotonin-Syndrom auslösen oder eines in Kombination mit Antidepressiva verstärken können.

Wirkstoff Wirkstoffgruppe Mechanismus
Tryptophan Aminosäure Bildung von Serotonin (5-HT3): Vorstufe
Levodopa / Carbidopa Antiparkinsonmittel gesteigerte Serotonin-Freisetzung
Tramadol Analgetikum gesteigerte Serotonin-Freisetzung und Hemmung der 5-HT3-Wiederaufnahme
Cocain Suchtstoff Hemmung der 5-HT3-Wiederaufnahme
Dextromethorphan Antitussivum
Pethidin Analgetikum
Ondansetron /Granisetron Antiemetikum
Linezolid /Tranylcypromin MAO A u. B Hemmer inhibierter 5-HT3-Metabolismus
Moclobemid MAO A Hemmer
Selegelin / Rasagelin MAO B Hemmer
Methylenblau Antidot
Procarbazin Zytostatikum
Buspiron Anxiolytikum direkter Serotonin-Agonist
Ergotamin / Dihydroergotamin Vasokonstriktoren
Fentanyl Analgetikum
Lysergsäurediethylamid Suchtstoff
Lithium Psychopharmacon
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