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Alkoholmissbrauch

Nicht nur Teenies trinken zu viel

21.02.2012  17:47 Uhr

Von Annette Mende und Stephanie Schersch, Berlin / Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland sind alkoholabhängig. Die Probleme beginnen häufig bereits im Jugendalter. Doch auch viele ältere Menschen greifen regelmäßig zur Flasche.

Alkoholsucht ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Beinahe jeder fünfte Erwachsene trinkt nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen Alkohol in riskanter Weise. Für Frauen sind mehr als 12 Gramm Alkohol pro Tag bereits zu viel, für Männer liegt die Grenze bei 24 Gramm. Jedes Jahr sterben hierzulande rund 73 000 Menschen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs.

 

Frühzeitig eingreifen

 

Die Bundesregierung will angesichts dieser Zahlen künftig noch stärker auf Prävention setzen. Das sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), bei der Vorstellung der Nationalen Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik in Berlin (lesen Sie dazu auch Suchtpolitik: Gezielte Hilfe für Risikogruppen).

Zwar gebe es für Alkoholabhängige bereits ein gutes Netz an Beratung und Therapie. 40 bis 45 Prozent derjenigen, die einen Entzug machten, seien auch ein Jahr später noch abstinent. »Im Vergleich mit anderen Suchtbereichen ist das ein gutes Ergebnis«, so Dyckmans. Menschen mit problematischem Alkoholkonsum würden von Hilfsangeboten hingegen oftmals nicht erreicht. Gerade das frühzeitige Eingreifen sei jedoch wichtig. »Abhängigkeit darf gar nicht erst entste­hen.« Die Drogenbeauftragte sieht unter anderem die Ärzte in der Pflicht. Sie sollten Menschen mit Alkoholproblemen gezielt erkennen und entsprechend beraten.

 

Einen Schwerpunkt legt Dyckmans auf die Alko­holprävention bei Jugendlichen. Die überwiegen­de Mehrheit der Minderjährigen trinke Alkohol zwar nicht regelmäßig, riskantes Konsumverhalten, das sogenannte Rauschtrinken, nehme jedoch zu, sagte sie. Die Bundesregierung will nicht nur die Jugendlichen, sondern auch die Eltern ver­stärkt über die Gefahren des Alkohols aufklären. Diese sollen in ihrer Rolle als Vorbild mit den Kindern über den richtigen Umgang mit Alkohol sprechen.

 

Daneben soll das Verkaufsverbot von Alkohol an Jugendliche unter 16 beziehungsweise 18 Jahren schärfer kontrolliert werden. Konkrete Aussagen macht die neue Strategie in diesem Punkt allerdings nicht. Ein generelles Werbeverbot für Alkohol hält Dyckmans für nicht notwendig. »Ich glaube, dass die Selbstregulierung der Wirtschaft an dieser Stelle greift.«

 

Nicht nur Jugendliche, auch alte Menschen trinken häufig zu viel. »Oft sind es Menschen, die den Alkoholkonsum ihr Leben lang im Griff hatten«, sagte Dyckmans. Aus Einsamkeit würden sie sich dann im Alter in den Alkohol flüchten. Sie forderte, Altenpfleger stärker für das Thema zu sensibilisieren, um Alkoholprobleme bei alten Menschen besser zu erkennen und entsprechend Hilfe anbieten zu können.

 

Mehr Aufmerksamkeit

 

Dass gerade ältere Menschen mit riskantem Trinkverhalten mehr Aufmerksamkeit brauchen, wurde auch bei einem Experten-Symposium der privaten Oberberg-Stiftung in Berlin deutlich. »Natürlich müssen wir möglichst verhindern, dass Jugendliche sich betrinken. Zahlenmäßig macht aber der Konsum Minderjähriger nur einen sehr kleinen Teil der Alkoholproblematik aus«, sagte Dr. Ralf Stölting, Arzt und Herausgeber der Zeitung »Versorgung gestalten – Wege im Gesundheitswesen«. Dennoch gehe es bei Berichten über die Gefahren des Alkohols meist um Jugendliche. »Die überwältigende Mehrheit der Menschen mit Alkoholproblemen blenden wir dadurch total aus«, so Stölting.

 

Meist fehlt die Einsicht

 

Wie schwierig es ist, Erwachsene mit riskantem Trinkverhalten zunächst zur Einsicht ihres Lasters und letztlich zur Reduktion ihres Alkoholkonsums zu bewegen, weiß Professor Dr. Jens Reimer, Direktor des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung der Uni Hamburg. »Bei den meisten Menschen, die zu viel Alkohol trinken, aber noch nicht davon abhängig sind, ist überhaupt kein Problembewusstsein vorhanden«, sagte Reimer.

 

Ob ein problematischer Alkoholkonsum vorliegt, lasse sich sehr einfach anhand des sogenannten Cage-Schemas überprüfen. Dabei steht C für critizism, A für annyoed, G für guilty und E für eye-opener. Die entsprechenden Fragen, die man suchtgefährdeten Personen stellen sollte, lauten: Sind Sie schon einmal wegen Ihres Alkoholkonsums kritisiert worden? Haben Sie auf solche Kritik verärgert reagiert? Haben Sie sich schon einmal schuldig gefühlt, weil Sie Alkohol getrunken haben? Haben Sie schon einmal am Morgen Alkohol getrunken, um in Schwung zu kommen? »Werden mindestens zwei dieser Fragen mit Ja beantwortet, ist das ein starker Hinweis auf ein riskantes Trinkverhalten«, sagte Reimer.

 

Wenn der erste Schritt geschafft ist und der Betroffene einsieht, dass er zu viel Alkohol trinkt, muss laut Reimer zunächst eine Reduktion der Trinkmenge das Ziel sein. »Totale Abstinenz ist für jemanden, der Alkohol in riskanter Weise konsumiert, kein attraktives Therapieziel«, so Reimer. Langfristige Strategien, mit denen die Betroffenen ihre Trinkmenge sukzessive senken, seien sehr viel Erfolg versprechender. Im Verlauf der Behandlung könne sich das Therapieziel dann durchaus ändern und eine totale Abstinenz angestrebt werden.

 

Rückfallquoten hoch

 

Eine von vorneherein auf Abstinenz ausgerichtete Therapie der Alkoholabhängigkeit wirkt jedoch abschreckend und führt dazu, dass sich viele Betroffene erst gar nicht auf eine Behandlung einlassen. Auch sind die Rückfallquoten nach Angaben der Oberberg-Stiftung bei diesem Therapiekonzept sehr hoch. Demnach werden 70 Prozent der Abhängigen im ersten Jahr nach Therapie rückfällig, 90 Prozent im zweiten Jahr.

 

Diese Zahlen sind deutlich höher als die von der Drogenbeauftragten genannten. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Alkoholkrankheit um eine chronisch rezidivierende Suchterkrankung handelt, erscheinen sie aber sehr viel realistischer. /

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