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Gesundheitsreform

Bundesrat macht keinen Ärger

19.02.2007  11:34 Uhr

Gesundheitsreform

<typohead type="3">Bundesrat macht keinen Ärger

Von Thomas Bellartz und Daniel Rücker

 

Die Bundesländer sind in der Spur geblieben: Der Bundesrat hat am 16. Februar das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) verabschiedet. Die Debatte war symptomatisch für die gesundheitspolitische Lage insgesamt: kein Ärger, kein Aufschrei, kein Widerstand. Die Gesundheitsreform wird am 1. April in Kraft treten.

 

Nur noch Horst Köhler könnte als Bundespräsident dem Spiel einen Riegel vorschieben. Damit rechnet aber niemand ernsthaft. Nach monatelangem Verhandlungsmarathon billigte die Länderkammer das mehr als 500 Seiten starke Gesetzespaket. Die Debatte war kurz und schmerzlos und damit anders als die monatelangen Grabenkämpfe, die quer durch Koalition und Parteien reichten. Die Ministerpräsidenten gaben sich selbst und der Koalition im Bund keine Blöße mehr.

 

Schon vor der Sitzung hatten elf Länder angekündigt, die Reform passieren zu lassen. Dagegen hatten sich die CDU/FDP-Koalitionen von Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ebenso wie das rot-rot regierte Berlin und die CDU/SPD-Regierung von Sachsen darauf festgelegt, der Reform die Zustimmung zu verweigern.

 

Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) warf der Koalition ein »Hauruck-Verfahren« bei der Durchsetzung der Reform vor. Dies werde der Komplexität des Vorhabens nicht gerecht. Auch Wolfgang Böhmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, äußerte sich kritisch. Er meint, dass eine Reihe von Problemen mit dem jetzigen Reformwerk nicht gelöst seien, vor allem nicht die Belastung des Gesundheitswesens durch die immer älter werdende Bevölkerung.

 

Die Ministerpräsidenten von Bayern und Rheinland-Pfalz, Edmund Stoiber (CSU) und Kurt Beck (SPD), verteidigten dagegen den Kompromiss. »Ein langer Marsch geht heute zu Ende«, sagte Stoiber, der die Gesundheitsreform als eines der schwierigsten Projekte der Regierung bezeichnete. Jede Seite habe für den Kompromiss Abstriche machen müssen. Er hoffe, dass die Reform weiteren Angriffen standhalte. Ohne sie würden die Kosten »aus dem Ruder laufen«, so Stoiber.

 

Ärger über Stoiber

 

Beobachter zeigten sich vom weichgespülten bayerischen Ministerpräsidenten beeindruckt. Denn Stoiber und die CSU insgesamt werden in der gesamten Koalition dafür verantwortlich gemacht, dass die Debatte nicht nur kontrovers geführt wurde, ihnen wird auch jetzt schon die Schuld daran gegeben, dass der Kompromiss am Ende nicht lange Bestand haben wird.

 

Beck betonte ­ ähnlich der Position des Gesundheitsministeriums ­, dass es zum ersten Mal eine Gesundheitsreform ohne Leistungseinschnitte gebe. Die Koalition habe mit der Reform Antworten auf zentrale Fragen gefunden. Es sei dabei ein »gemeinsames Ganzes entstanden«, sagte er. Und ergänzte: »Ein gelungenes Werk.« Es müsse aber rasch geklärt werden, wie die wachsenden Steuerzuschüsse für die gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden können. Allenfalls die für diese Legislaturperiode geplanten Beträge könnten über den Bundeshaushalt finanziert werden, in der mittelfristigen Finanzplanung seien die steigenden Beträge aber nicht verankert. »Da haben wir gepfiffen, und am Ende werden wir sehen, dass uns die Luft ausgeht«, warnte er. Auch wenn dies einigen unangenehm sei, müsse hierfür eine Lösung gefunden werden, fügte Beck an die Union gerichtet hinzu.

 

Ulla Schmidt (SPD) jedenfalls stand die gute Laune ins Gesicht geschrieben. Monatelang musste sie argumentieren und gebetsmühlenartig die immer selben Weisheiten zu Protokoll geben. Ihre Gesetzentwürfe wurden zerrissen, ihre Kompetenz angezweifelt, sie geriet zwischen die Fronten innerhalb der großen Koalition. Doch sie bekam Rückendeckung aus den eigenen Reihen und auch von höchster Stelle ­ von Angela Merkel. Merkel und Schmidt wirkten im Bundesrat am vergangenen Freitag extrem selbstbewusst und ausgelassen heiter.

 

Die Änderungen für die Apotheken (siehe auch PZ 03/07) sind erheblich und werden schon im Frühjahr zu Buche schlagen. Öffentlich wahrgenommenes Kernstück ist aber die Schaffung eines Gesundheitsfonds als zentrale Beitragssammelstelle. Ab 2009 gibt es der Reform zufolge einen bundesweit einheitlichen Beitragssatz. Die Krankenkassen erhalten aus dem Fonds für ihre Versicherten Pauschalen sowie alters- und risikobezogene Zuschläge. Kommt eine Kasse damit nicht aus, darf oder muss sie von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag verlangen.

 

Schmidt ist damit längst nicht zufrieden. Sie wird auf der Ausgabenseite weiterhin Hand anlegen ­ und richtet ihren Fokus dabei anscheinend zunächst verstärkt auf die Krankenkassen. Die Ministerin forderte nach der Abstimmung im Bundesrat die Krankenkassen auf, sich zusammenzuschließen. Schmidt: »Die Reform dient mit dazu, dass Krankenkassen sich effizienter organisieren müssen. Wir brauchen nicht so viele, keine 251 mit 251 Vorständen.«

 

Die Reaktionen auf die Entscheidungen des Bundesrates reichten von der Freude der Regierungsparteien bis hin zu weitgehender Ablehnung. Allerdings war die Resonanz deutlich geringer als noch zwei Wochen zuvor bei der Abstimmung im Bundestag. Die Interessensverbände halten das GKV-WSG allesamt für schlecht. Und das sehen auch die Profis bei der Bewertung solcher Reformen nicht anders: »Die aktuelle Reform reiht sich bestens in die Reihe der bereits gescheiterten Versuche ein, das Gesundheitswesen endlich wieder zukunftsfähig zu machen«, kritisierte Günther Neubauer, Professor am Institut für Gesundheitsökonomik in München. »Die wirklichen Probleme, insbesondere auf der Finanzierungsseite, hat die große Koalition in keiner Weise gelöst. Sie hat sie noch nicht einmal gestreift.« Die nächste große Reform sei daher nur eine Frage der Zeit. Neubauer ist sicher: »Spätestens in vier Jahren geht die Diskussion in die nächste Runde.«

 

ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf hält nicht allzu viel von der Reform. Bei den niedersächsischen Apothekern stoße das Werk auf Ablehnung, sagte er in seiner Funktion als Vorsitzender des LAV Niedersachsen. »Diese Reform löst keine Probleme, sie schafft nur neue«, sagte Wolf. Die Regierung habe es versäumt, die GKV-Beiträge von den Lohnkosten abzukoppeln.

 

HAV: Details bleiben offen

 

Kritik übte auch der Geschäftsführer des Hessischen Apothekerverbands (HAV), Jürgen Schneider, während einer Veranstaltung von »Managementforum« in Wiesbaden. Bei vielen Regelungen seien die Details weiter offen. Das gelte etwa für das Auseinzeln von Arzneimitteln oder das Wiederinverkehrbringen von Betäubungsmitteln in Seniorenheimen.

 

Positiv bewerteten Wolf und Schneider, dass die Bundesregierung sich mit dem Gesetz klar hinter den Apotheker als freien Heilberufler gestellt habe. Die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel blieben fix, die Zuzahlung dürfe nicht als Marketinginstrument missbraucht werden. HAV-Geschäftsführer Schneider bezeichnete es als einen großen Erfolg der Standesvertretung, die Regierung noch rechtzeitig von der Richtigkeit dieses Kurses überzeugt zu haben. Zufrieden könnten die Apotheker vor allem wegen des höheren Kassenrabattes nicht sein, das Ergebnis sei zu diesem Zeitpunkt jedoch der »bestmögliche Kompromiss«.

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