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Kreuzschmerzen

Schonung ist obsolet

14.02.2012  17:39 Uhr

»Ich habe Rücken«: Wie die Kunst-Figur Horst Schlämmer, die 2009 die deutschen Kinoleinwände eroberte, leiden 70 bis 85 Prozent der Bevölkerung immer wieder unter oftmals schweren Kreuzschmerzen, die jedoch zum Großteil diagnostisch nicht erfassbar und somit nicht ursächlich behandelbar sind.

»Ärzte rotieren, spritzen, renken Wirbel ein und verordnen Analgetika und sind doch oftmals hilflos, da auch bei gezielter Anamnese und intensiver klinischer Untersuchung meist nur selten ein objektivierbarer medizinischer Befund resultiert«, so Professor Dr. Annette Becker, Marburg. Im Gegenteil: »Die übertriebene Diagnostik und Suche nach Ursachen kann die Prognose gar verschlechtern«, betonte die Allgemeinmedizinerin.

Das »Kreuz mit dem Kreuz« führe zu enormen Fehlzeiten an Arbeitsplätzen. Die gute Nachricht: Sind circa 80 Prozent der Rückenschmerzen »nicht spezifisch«, so zeichnen sich diese durch eine hohe

 

Spontanheilungsrate

 

aus beziehungsweise sind gut therapierbar. Die schlechte Nachricht: Sehr häufig kommt es zu Rezidiven. Bei etwa 10 Prozent der Patienten ist ein chronischer Verlauf bis hin zur Frühberentung zu registrieren. Als Risikofaktoren für chronische Rückenschmerzen hob Becker neben beruflichen Faktoren wie Schwerstarbeit oder sitzende Tätigkeit am Computer sowie Depressionen und Distress auch Verspannungen durch spezifische Angst-Störungen hervor, die wiede­rum zu schädigenden Vermeidungsstrategien führen. »Mediziner und Pharmazeuten müssen daher im Beratungs- und Informationsgespräch nicht relevante Botschaften, die den Circulus vitiosus Furcht-Schonhaltung-Furcht fördern, unbedingt meiden«, unterstrich die Referentin.

 

Bei regelmäßigen Kreuzschmerzen sei stets eine Ausschlussdiagnostik angezeigt. Sind circa 20 Prozent der Pa­tienten von »spezifischen« Rückenschmerzen betroffen, so sind diese oftmals auf schwere Grunderkrankungen wie Morbus Bechterew, osteoporotische Frakturen, Infektionen oder auch Tumorerkrankungen zurückzuführen, die die gezielte therapeutische Intervention erforderlich machen.

 

Zur symptomatischen Therapie nicht spezifischer Rückenschmerzen kommen Paracetamol oder nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen zum Einsatz. Diese, so Becker, sollten oral und immer nach einem festen Zeitplan, sprich: nicht schmerzgesteuert, eingenommen werden.

 

Paracetamol ist bei Langzeiteinnahme beziehungsweise Überdosierung blutdrucksteigernd sowie nephro- und hepatotoxisch. Es erhöht das Herzinfarktrisiko und sollte nur kurzfristig (maximal 3 g/d) eingesetzt werden. Für Metamizol liegen keine Studien zur Anwendung bei chronischen Kreuzschmerzen vor. Hier, so Becker, könne daher eine Empfehlung nicht ausgesprochen werden.

 

Bei nicht spezifischen Kreuzschmerzen gleichermaßen analgetisch effektiv kann der Einsatz der NSAR mit Nebenwirkungen wie Nierenschäden, Blutungen oder gastrointestinalen Ulzerationen einhergehen. Das Risiko der Entstehung von Schlaganfällen und Myokardinfarkten ist erhöht.

 

Durch die Kombination von Paracet­amol und NSAR wird das Blutungsrisiko zusätzlich gesteigert. Ibuprofen ist in der Lage, die antikoagulative Wirkung von ASS zu hemmen. Diclofenac und Naproxen gehen mit einer noch stärkeren Gefahr der Entstehung von Leberschäden beziehungsweise Ulkus­erkrankungen als andere NSAR einher. Zum »Magenschutz« und Ausschluss gastrointestinaler Komplikationen, so Becker, sollten NSAR stets in Kombination mit Protonenpumpenhemmern wie Omeprazol gegeben werden.

 

Coxibe sind zur Behandlung nicht spezifischer Kreuzschmerzen nicht zugelassen. Sie erhöhen die kardiovaskuläre Mortalität. Kommen sie zur Linderung von Kreuzschmerzen dennoch zum Einsatz, so müssten die Patienten über den Off-Label-Use aufgeklärt werden.

 

Bei Kontraindikation oder Nicht-Ansprache auf traditionelle NSAR, so Becker, hätten auch Muskelrelaxanzien wie Tetrazepam ihre Berechtigung. Als ein Modul therapeutischer Gesamtkonzepte trügen zudem noradrenerge beziehungsweise norardrenerg-serotonerge Antidepressiva zur Besserung des Krankheitsbildes bei.

 

Becker betonte, dass Opioide nur im Rahmen multimodaler Behandlungskonzepte sowie in interdisziplinärer Absprache der behandelnden Ärzte zum Einsatz kommen sollten.

 

Keinesfalls dürfe dem Patienten zur Bettruhe geraten werden. »Davon ist die Medizin weg«, unterstrich die Referentin, die hingegen »Manipulation und Mobilisation«, also konsequente physio- und ergotherapeutische Maßnahmen sowie körperliche Aktivität und Wärmeanwendungen empfahl. Viele Patienten nutzten Entspannungstechniken wie Yoga, damit »sie den Schmerz beherrschen und nicht der Schmerz sie«.

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