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Schmerz

Bekämpft und unverzichtbar

14.02.2012  17:36 Uhr

Schmerz kann unerträglich sein, er kann sich verselbstständigen und ohne seinen ursprünglichen Auslöser persistieren. Unterschiedliche neuronale Systeme sind daran beteiligt. Pharmakologisch ist die Bekämpfung des Schmerzes heute noch eine Herausforderung.

Die Verarbeitung von gewebeschädigenden Reizen, die Nozizeption, ist ein klar umgrenzter neurophysiologischer Prozess, sagt Professor Dr. Hans-Georg Schaible vom Institut für Neurophysiologie an der Universität Jena. Das hat auch Konsequenzen für die Behandlung.

 

Die neuronale Verarbeitung einer Noxe verläuft wie folgt: Rezeptoren einer peripheren Nervenfaser werden durch Druck, Dehnung, Hitze oder chemische Substanzen aktiviert. Die dazugehörige Nervenzelle reagiert darauf mit einer Depolarisation und bildet ein Aktionspoten­zial, das über die Nervenfaser zum Rückenmark geleitet und über aufsteigende Nervenfasern ins Gehirn weitergeleitet wird. Dort wird der Reiz in verschiedenen Regionen (Thalamus, Cortex und Hirnstamm) verarbeitet. Nozizeption ist aber kein Synonym für Schmerz. Denn Schmerz enthält nicht nur die Informa­tion, an welcher Stelle des Körpers die Noxe auftritt. Schmerz habe auch eine starke emotional affektive Komponente, so Schaible.

Doch nicht nur die Rezeptoren peripherer Nerven­fasern können diese Kaskade in Bewegung setzen. Die Nervenfaser selbst könne die Quelle sein, wenn sie verletzt ist. In diesem Fall spreche man von einer Neuropathie, sagte Schaible. Der Schmerz werde nicht von Noxen ausgelöst, er sei vielmehr das Resultat spontaner Aktionspotenziale, die bis zum Gehirn weitergeleitet werden. Es gibt aber auch Mischformen von Nozizeption und Neuropathie. Etwa bei der Polyarthritis. Hier werde die Entzündung vom Rezeptor registriert, gleichzeitig schädige die Erkrankung aber auch die Nervenfaser.

 

Das nozizeptive System ist aber keine Einbahn­straße. Neben den zum Gehirn aufsteigenden Nervenbahnen gibt es absteigende Bahnen, die den Schmerz auf Rückenmarksebene verstärken oder abschwächen können. Diese absteigenden Bahnen spielen laut Schaible vor allem bei Entzündungs- und Gewebeschmerzen eine wichtige Rolle. Hier würden sowohl durch absteigende Bahnen die schmerzlei­ten­den Nervenzellen im Rückenmark sensibilisiert. Sie werden empfindlicher für Hitze-, Kälte- und mechanische Reize. Dasselbe geschieht in den peripheren Neuronen. Aus diesem Grund gehe eine Entzündung mit einer Hyperalgesie und einer höheren Schmerzempfindlichkeit einher.

 

Die periphere und zentrale Sensibilisierung lässt sich mit CyclooxygenaseHemmern behandeln. Bei einer beginnenden Entzündung sind Cox-1- und Cox-2-Hemmer gleichermaßen wirksam. Bei bereits ausgeprägter Entzündung seien Cox-2-Hemmer effektiver, sagte Schaible. Sie greifen auch in den Abbau von Endocannabinoiden ein und halten so die Konzentration der endogenen Analgetika hoch.

 

Derzeit wird an weiteren Zielstrukturen zur Behandlung geforscht. Dazu gehören der Wachstumsfaktur NGF, der als Capsaicin-Rezeptor bekannte Ionen-Kanal TRPV1 oder bestimmte Natriumkanäle auf den nozizeptiven Nerven­fasern. Wie Schaible sagte, ist NGF wohl nicht nur ein Wachstumsfaktor, sondern auch ein Entzündungsmediator. Allerdings ist NGF eine sehr wichtige Substanz im Körper. Eine Blockade geht deshalb mit erheblichen Nebenwirkungen einher. Einen starken nozizeptiven Effekt haben laut Schaible auch bestimmte Interleukine und TNF-α. Da die zentrale Sensibilisierung über Glutamat und NMDA-Kanäle vermittelt wird, wäre NMDA theoretisch auch ein geeignetes Therapeutikum. Allerdings muss auch hier mit erheblichen Nebenwirkungen gerechnet werden.

 

Absteigende Nervenfasern wirken aber nicht grundsätzlich sensibilisierend, es gibt auch dämpfend wirkende Neurone. Diese werden vom präfrontalen Kortex aktiviert und sind für den Placebo­effekt verantwortlich. Dieses schmerzdämpfende System sieht Schaible als eine der interessantesten Zielstrukturen für neue Medikamente, die die Inhibition verstärken können. Dazu zählen auch Opiate. Ebenfalls vielversprechende Ansätze gebe es bei der Bekämpfung der peripheren Sensibilisierung.

 

So wichtig die Behandlung von Schmerzen ist, so quälend sie sein können, Schmerz ist für Menschen ein lebenswichtiges Warnsignal, stellte Schaible fest. Es sei schwer mit Schmerzen zu leben, dennoch sei unbestritten: »Wir brauchen den Schmerz.«

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