Pharmazeutische Zeitung online
Frühe Nutzenbewertung

Industrie übt scharfe Kritik an Methodik

14.02.2012  17:43 Uhr

Von Uta Grossmann, Berlin / Mit dem AMNOG werden neue Wirkstoffe einer frühen Nutzenbewertung unterzogen, um zu klären, ob sie tatsächlich von zusätzlichem Nutzen für Patienten sind. Die Industrie wirft dem Institut, das die Dossiers erstellt, vor, in erster Linie den Preis neuer Präparate drücken zu wollen.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) als Vertretung der Pharmaindustrie ist höchst unzufrieden mit der bisherigen Umsetzung der frühen Nutzenbewertung. Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer und der Geschäftsführer für Forschung, Dr. Siegfried Throm, kritisieren die Methodik der Bewertung, die nicht zwischen wissenschaftlicher Beurteilung und Preisverhandlung trenne. Durch eine »Herabwürdigung der Präparate« werde versucht, den Preis zu drücken, so Throm.

Die frühe Nutzenbewertung wurde mit dem Arzneimittel­markt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) Anfang 2011 eingeführt und soll den steten Anstieg der Arzneimittel­kosten eindämmen. Jedes neue Arzneimittel muss einer frühen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) und das von ihm beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesund­heits­wesen (IQWiG) unterzogen werden.

 

24 Verfahren zur frühen Nutzenbewertung laufen derzeit, zehn Dossiers hat das IQWiG bereits bewertet. Das erste Verfahren zur Bewertung des Wirkstoffs Ticagrelor (Han­dels­name Brilique) ist bereits durch. Hier verhandeln nun die Herstellerfirma AstraZeneca und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) über den Preis, den die Kassen künftig für das Medikament zur Verhütung atherothrombotischer Ereignisse erstatten. Ein Ergebnis gibt es noch nicht.

 

Der VfA kritisiert das wissenschaftliche Vorgehen des IQWiG, das nach Ansicht von Fischer und Throm gegen internationale Standards der evidenzbasierten Medizin verstößt. Beispiele für die in den Augen der Industrie mangelhafte Methodik des IQWiG sind die frühen Nutzenbewertungen der Wirkstoffe Pirfenidon, Eribulin, Telaprevir und Boceprevir.

 

Dass das IQWiG beim ersten bewerteten seltenen Arzneimittel (Orphan Drug) Pirfenidon (Handelsname Esbriet) keinen Zusatznutzen erkannt habe, hält Throm für einen »Rechtsbruch«. Er bezieht sich damit auf die Tatsache, dass der Zusatznutzen eines Orphan Drugs im Gegensatz zu anderen Arzneimitteln mit der Zulassung rechtlich als belegt gilt.

 

Pirfenidon hat das europäische Zulassungsverfahren bestanden. Trotzdem muss der Hersteller ein Dossier einreichen, damit das IQWiG das Ausmaß des Zusatznutzens und die zu erwartenden Kosten für die GKV schätzen kann. Das Institut kam zu dem Ergebnis, es sei »kein Zusatznutzen belegt«. Allerdings liefert das IQWiG lediglich ein Gutachten, die Entscheidung fällt letztlich der GBA – voraussichtlich im März.

 

Vorwurf: »Äpfel mit Birnen verglichen«

 

Bei der Nutzenbewertung von Eribulin (Handelsname Halaven) gegen Brustkrebs kritisiert Throm, dass dieses Präparat, das gegeben werden solle, wenn die Ersttherapie nicht mehr anschlage, mit einem Wirkstoff für die erste Phase der Krankheit verglichen werde, das naturgemäß billiger sei. Hier würden Äpfel mit Birnen verglichen, findet auch Fischer. Bei der Bewertung der Wirkstoffe gegen Hepatitis C, Telaprevir (Handelsname Incivo) und Boceprevir (Handelsname Victrelis) kam das IQWiG zu dem Ergebnis, der Zusatznutzen sei nicht quantifizierbar, weil nicht geklärt sei, ob die Wirkstoffe tatsächlich Leberkrebs verhindern könnten. Der Grund: In den Studien wurde der Surrogatparameter »dauerhaftes virologisches Ansprechen (SVR)« gemessen, der bestimmt, ob im Blut keine Viren mehr nachweisbar sind. Nach Aussage Throms verlange das IQWiG aber den Nachweis, dass Patienten auch nach zwanzig oder dreißig Jahren nicht doch an Leberkrebs erkranken. Klinische Studien über einen solchen Zeitraum halte er für »unethisch«.

 

Das IQWiG zieht seinerseits eine positive Zwischenbilanz der ersten Nutzenbewertungen nach dem AMNOG. Das Verfahren führe zu mehr Transparenz und die Ergebnisse fielen insgesamt relativ gut aus. Die »harsche Kritik« der Herstellerverbände sei »sachlich nicht haltbar, in einigen Punkten nachweislich falsch«, so IQWiG-Leiter Professor Dr. Jürgen Windeler.

 

Das Institut fordere keine unethischen Studien, sondern habe im Fall der Wirkstoffe gegen Hepatitis C aus den vorliegenden Daten nicht bestimmen können, in wie vielen Fällen ein Leberkrebs verhindert werde. In der Sprache des AMNOG heiße das: »Zusatznutzen nicht quantifizierbar«. /

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