Urogenitalerkrankungen bei Kindern |
14.02.2011 12:42 Uhr |
Von Claudia Borchard-Tuch / Wenn Kinder an Harnblase, Nieren und Geschlechtsorganen erkranken, ist immer Vorsicht geboten. Die kleinen Patienten müssen vom Arzt behandelt werden, damit keine Komplikationen und Spätfolgen entstehen. Eine Selbstmedikation ist nur selten vertretbar. Dennoch brauchen Eltern und Kinder Unterstützung von der Apotheke.
Wenn Eltern in der Apotheke über urogenitale Erkrankungen bei ihren Sprösslingen berichten, sollte das Apothekenteam mit ihnen das richtige Vorgehen besprechen. Meist sind ein Arztbesuch zur weitergehenden Diagnostik und eine auf die Erkrankung genau abgestimmte Therapie erforderlich. Doch selbst schwerste Nierenerkrankungen sind bei Kindern heute behandelbar, wenn man die Besonderheiten des kindlichen Organismus berücksichtigt.
So ist die Nierenfunktion bei der Geburt noch nicht voll ausgereift; dies wird erst mit etwa zwei Jahren erreicht. Die Flüssigkeitsräume, der Wasserumsatz und der unmerkliche Wasserverlust über die Haut sind beim Kind im Vergleich zum Erwachsenen relativ größer. Veränderungen der Nierenfunktion wirken sich daher im Kindesalter viel stärker aus und können zu einer bedrohlichen Dehydratation führen, die wiederum die Nieren schädigt (1).
Harnwegsinfekte sind nie banal
Harnwegsinfektionen gehören zu den häufigsten bakteriellen Infektionen bei Kindern. Es können Harnröhre (Urethritis), Blase (Zystitis) und/oder die Nieren (Pyelonephritis) infiziert sein.
Eine fieberhafte Harnwegsinfektion beim Säugling ist eine ernste Erkrankung, und eine rasche Behandlung ist zwingend notwendig. Insbesondere im Säuglingsalter kann es zu einer von den Nieren ausgehenden Blutvergiftung (Urosepsis) kommen. Nach einer Nierenbeckenentzündung kann das Gewebe vernarben. Damit steigt das Risiko für arterielle Hypertonie, Nierenfunktionseinschränkung und renal bedingte Komplikationen im späteren Leben. Nierenbeckenentzündungen müssen daher umgehend antibiotisch behandelt werden.
Der Apotheker sollte den Eltern auch bei geringem Verdacht auf eine Harnwegsinfektion raten, ihr Kind einem Arzt vorzustellen. Ist das Kind jünger als zwei Jahre, ist die Beurteilung oft nicht einfach. Meist zeigen sich nur Symptome einer Allgemeininfektion wie Fieber, Durchfall, Erbrechen, Abgeschlagenheit oder Reizbarkeit. Bei älteren Kindern sind die Beschwerden meist schon spezifischer: Brennen beim Wasserlassen, Polyurie, Kreuzschmerzen, einseitige Bauchschmerzen und Fieber. Wenn das Kind bereits nachts trocken war, kann Bettnässen auftreten. Der Urin ist manchmal rot oder rosa und trüb.
Für die Diagnostik sollte bei älteren Kindern Mittelstrahlurin genommen werden. Dies ist bei Säuglingen und Kleinkindern kaum möglich; hier wird Spontanurin in einem Plastikbeutel aufgefangen (»Beutelurin«). Nach gründlicher Reinigung des Genitales mit Wasser und Abtrocknen befestigt man den selbstklebenden Urinbeutel. Bei reichlicher Flüssigkeitszufuhr wird der Spontanurin abgewartet und anschließend zur Untersuchung gebracht.
Bei einer Harnwegsinfektion sollte das Kind möglichst viel trinken. Damit wird der Urin verdünnt, was Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen lindert. Zugleich werden pathogene Keime schneller ausgeschieden. Die Wirksamkeit dieser »Durchspültherapie« kann durch Blasentees erhöht werden. Pflanzliche Aquaretika steigern die Harnausscheidung, indem sie die Nierendurchblutung erhöhen, die glomeruläre Filtrationsrate steigern und die Wasserrückresorption im Sammelrohr hemmen.
Im Gegensatz zu Diuretika beeinflussen Aquaretika nicht den Elektrolythaushalt. Empfehlenswert sind zum Beispiel Birkenblätter, Goldrutenkraut, Orthosiphonblätter, Hauhechelwurzel, Brennnesselkraut, Schachtelhalmkraut, Queckenwurzelstock und Löwenzahnwurzel mit Kraut.
Hat das Kind Schmerzen, empfindet es Wärme meist als angenehm: Eine Wärmeflasche auf dem Unterleib entspannt (2).
Ist eine bakterielle Infektion nachgewiesen, werden meist orale Antibiotika gemäß Antibiogramm verordnet. Bei einer schweren Erkrankung müssen die Antibiotika im Krankenhaus intravenös verabreicht werden. Die Therapie dauert in der Regel etwa eine Woche. Einen bis zwei Tage nach Therapieende wird der Urin des Kindes nochmals untersucht. Ist die Infektion noch nicht abgeklungen, folgt eine zweite Antibiotikatherapie (3).
Ist es bereits zu Komplikationen wie einer Nierenbeckenentzündung gekommen, können die Kultur und das Antibiogramm nicht abgewartet werden. Umso wichtiger ist es für den Arzt, das vermutliche Keimspektrum zu kennen (Tabelle 1) (4).
Diagnose | Häufige Erreger | Mittel der Wahl | Alternativen | Bemerkung |
---|---|---|---|---|
unkomplizierte HWI beim Säugling | E. coli, Klebsiellen, Proteus, seltener Enterokokken | Ampicillin + Gentamicin oder Cephalosporine Gruppe (2 oder) 3 + Ampicillin, jeweils i.v. | An Urosepsis denken. Nur die sofortige (!) intensive Therapie verhindert Nierenparenchymnarben und schwere Folgeschäden im Erwachsenenalter. Therapiedauer bei Neugeborenen mindestens 14 Tage. | |
unkomplizierte HWI nach dem 1. Lebensjahr | E. coli, Klebsiellen, Proteus | Trimethoprim, Cephalosporin Gruppe (2 oder) 3 | Trimethoprim/Sulfonamid, Aminopenicillin + Betalactamase-Inhibitor | i.v.-Therapie, nach 3 bis 7 Tagen auf perorale Gabe umstellen; Dauer 10 bis 14 Tage. Bei Trimethoprim regionale Resistenz von E. coli beachten. |
komplizierte HWI | P. aeruginosa | Ceftazidim + Aminoglykosid i.v | i.v.-Therapie, nach 7 Tagen auf perorale Gabe umstellen; Dauer 10 bis 14 Tage. | |
Zystitis | E. coli | Trimethoprim | Trimethoprim/Sulfonamid | 3 bis 5 Tage behandeln; Kurzzeittherapie hat sich bei Kindern nicht bewährt. |
asymptomatische Bakteriurie | E. coli | Trimethoprim | keine Antibiotika | |
Reinfektionsprophylaxe | E. coli, P. mirabilis | Nitrofurantoin, Trimethoprim | Cephalosporin Gruppe 1 bis 3 | Bei Durchbruchinfektionen trotz antibiotischer Prophylaxe: bis zum Vorliegen des Antibiogramm mit einem Cephalosporin, Amoxicillin oder Gentamicin (Einmalgabe/Tag) behandeln. |
Besonders anfällig für eine Harnwegsinfektion sind Kinder mit Harnrückfluss (vesiko-ureteraler Reflux, VUR). Bei dieser angeborenen Störung fließt bei der Blasenentleerung etwas Urin in das Nierenbecken zurück. Kinder mit angeborener Fehlbildung der Harnwege sowie kleine Patienten, die an chronischer Obstipation leiden oder deren Nieren durch vorausgegangene Infektionen vernarbt sind, haben ebenfalls ein erhöhtes Infektionsrisiko.
Die Therapie orientiert sich am Alter und Schweregrad des VUR. Im ersten Lebensjahr erfolgt in der Regel eine antibiotische Dauerprophylaxe, vor allem mit Nitrofurantoin, Trimethoprim und Cephalosporinen. Die operative (endoskopische) Refluxkorrektur oder die Harnleiter-Reimplantation sind indiziert, wenn der VUR über das erste Lebensjahr hinaus bestehen bleibt oder das Kind trotz Antibiotikaprophylaxe Durchbruchsinfektionen erleidet.
Entzündete Nierenkörperchen
Im Gegensatz zur Harnwegsinfektion ist die Ursache einer Entzündung der Nierenkörperchen (Glomeruli), die sogenannte Glomerulonephritis, meist unbekannt. Mitunter wird sie durch Viren oder Streptokokken verursacht. Die entzündeten Glomeruli können ihre Filterfunktion nicht mehr richtig ausüben; die Urinmenge nimmt ab, rote Blutkörperchen und Bluteiweiß gelangen in den Urin. Abfallprodukte dagegen verbleiben im Körper.
Bei einer infektiösen Glomerulonephritis entwickeln sich die Symptome etwa eine Woche nach der Infektion. Unabhängig von der jeweiligen Ursache ist der Urin rot, rosafarben oder trübe. Das Kind scheidet weniger Harn als üblich aus und leidet manchmal unter Kopfschmerzen. Im Gewebe kann sich Flüssigkeit ansammeln. Dies führt zu Schwellungen, vor allem im Gesicht und in den Beinen. In seltenen Fällen steigt der Blutdruck an.
Bei Verdacht auf eine Glomerulonephritis müssen die Eltern ihr Kind sofort einem Arzt vorstellen, der es körperlich untersucht. Eine Urinprobe wird analysiert, die Flüssigkeitszufuhr und -ausscheidung werden gemessen. Bestätigt sich die Diagnose, wird das Kind im Krankenhaus weiterbehandelt. Meist bekommt es eine spezielle natrium- und eiweißarme Ernährung, und die Flüssigkeitszufuhr wird der Ausscheidung angepasst. Hierdurch werden die Nieren entlastet und eine Flüssigkeitsansammlung (Ödembildung) verhindert.
Ist die Glomerulonephritis bakteriell bedingt, werden Antibiotika gegeben. Ein erhöhter Blutdruck muss solange behandelt werden, bis sich die Werte wieder normalisiert haben.
Richtig therapiert, klingt die Glomerulonephritis innerhalb einer Woche ab. Meist verursacht sie keine dauerhaften Nierenschäden und tritt nicht erneut auf. Nur sehr selten kann sie eine chronische Nierenschädigung, das sogenannte nephrotische Syndrom, nach sich ziehen, das einer Langzeitbehandlung bedarf (3). Unter dieser Bezeichnung fasst man Erkrankungen zusammen, die durch Ödeme, starke renale Eiweißausscheidung und Hyperlipidämie gekennzeichnet sind (5).
Nephrotisches Syndrom
Ein nephrotisches Syndrom kann sehr unterschiedliche Ursachen haben. Es kann beispielsweise bei einem Lupus erythematodes visceralis oder einer Purpura Schönlein-Henoch (toxisch-allergische Purpura) auftreten oder die Folge einer Infektionskrankheit sein. Auch Intoxikationen, zum Beispiel mit Penicillamin, können ein nephrotisches Syndrom auslösen.
Im Kindesalter ist die Erkrankung eher selten. Etwa 10 bis 25 von 1 Million Kindern unter 16 Jahren sind betroffen, vor allem Kleinkinder. Nur selten kommt es zu einer Spontanremission. Somit ist eine rasche, optimale Therapie notwendig, um Kinder vor akuten Komplikationen und langfristigen Folgeschäden zu schützen (6). Daher sollte man die wichtigsten Symptome des nephrotischen Syndroms kennen:
Proteinurie,
erniedrigter Plasma- und Serumproteinspiegel,
Ausscheidung geringer Harnmengen,
Ödeme in bestimmten Körperpartien, zum Beispiel am Augenlid, im Bauchbereich und am Knöchel, die sich über mehrere Wochen entwickeln,
Hyperlipidämie,
Gewichtszunahme sowie
manchmal Durchfall, Appetitlosigkeit und ungewöhnliche Müdigkeit.
Treten Schwellungen am Körper eines Kindes auf, sollten die Eltern es möglichst schnell zu einem Arzt bringen. Dieser stellt fest, ob sich Eiweiß im Urin befindet. Deuten weitere Befunde wie Hypoproteinämie, Hypercholesterolämie und Ödeme auf ein nephrotisches Syndrom hin, folgen im Krankenhaus ergänzende Untersuchungen. Bestätigt sich die Diagnose, wird das Kind dort weiterbehandelt.
Bei leichten Ödemen sind eine mäßige Einschränkung der Natriumzufuhr unter 2 mmol/kg/Tag sowie eine Flüssigkeitseinschränkung empfehlenswert. Nur bei stärkeren Ödemen oder Aszites dürfen Diuretika gegeben werden. Sie können zu Hypovolämie mit Niereninsuffizienz und zu Thrombosen führen.
Ist die Diagnose gesichert und tritt innerhalb von einer bis zwei Wochen keine Spontanremission ein, wird die Ersttherapie standardisiert nach dem Schema der Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie (GPN) eingeleitet: Prednison 60 mg/m2/Tag in drei Einzeldosen über sechs Wochen, anschließend 40 mg/m2/Tag (maximal 60 mg/Tag) in einer Einzeldosis morgens über sechs Wochen (5). Innerhalb von zehn Tagen sollten die Ödeme langsam zurückgehen und sich damit auch das Gewicht wieder normalisieren.
Nach der Krankenhausentlassung müssen die Eltern im Allgemeinen jeden Tag den Urin des Kindes mithilfe von Teststreifen auf Proteine untersuchen. Lässt sich Eiweiß nachweisen, muss der Arzt informiert werden. Die meisten Kinder werden wieder ganz gesund. Bei manchen kann es jedoch ein- oder mehrmals zum Rückfall kommen. Tritt die Erkrankung immer wieder auf, muss das Kind ein Jahr lang prophylaktisch Cortison einnehmen (3).
Dieser seltene bösartige Nierentumor kann angeboren sein oder sich während der ersten vier Lebensjahre entwickeln. Meist ist nur eine Niere betroffen, ganz selten sind es beide. Hauptsymptome sind aufgetriebener Bauch, Bauchschmerzen sowie roter, rosafarbener oder trüber Urin. Kinder mit solchen Symptomen sollten immer innerhalb von 24 Stunden zum Arzt. Oft kann dieser bereits durch Palpation oder Ultraschall eine Diagnose stellen.
Bei Verdacht auf einen Tumor überweist der Arzt das Kind in ein Krankenhaus. Mit speziellen medizintechnischen Untersuchungsmethoden wie Abdomenleeraufnahme, Computer- und Kernspintomogramm, Angio- und Urografie lässt sich die Diagnose bestätigen sowie Näheres über die Art des Tumors in Erfahrung bringen. Bei Kindern führt die präoperative Chemotherapie (Vincristin, Dactinomycin, Doxorubicin) zur Reduktion der Tumorgröße und zur Ausbildung einer festen Kapsel um den Tumor. Dies verbessert die Operationsergebnisse. Wird die krebskranke Niere chirurgisch entfernt, bevor sich der Krebs ausbreiten konnte, wird das Kind wieder ganz gesund und das verbleibende Organ übernimmt die Funktion beider Nieren (3). Eine Strahlentherapie ist nur selten erforderlich.
Vorsicht bei Scheidenentzündung
Normalerweise harmlos ist eine Entzündung von Scheide und äußerem Genitalbereich (Vulvovaginitis), die bei jungen Mädchen recht häufig vorkommt. Sie kann durch eine Reizung des empfindlichen Scheidengewebes, beispielsweise durch Schaumbäder, verursacht sein und heilt dann gewöhnlich von allein ab. Auch mangelhafte Hygiene, zu eng sitzende Wäsche und parfümierte Wasch- oder Badezusätze sind häufige Auslöser. Mögliche Symptome der Vulvovaginitis sind:
Entzündung, Wundheitsgefühl und Juckreiz im Genitalbereich,
Schmerzen beim Wasserlassen,
bei bakterieller Ursache grünlicher oder graugelber Scheidenausfluss oder
bei einer Hefepilzinfektion dicklich weißer Ausfluss
Der Apotheker sollte das Mädchen oder die Eltern im Beratungsgespräch genau nach der Beschaffenheit des Fluors und der Art der Beschwerden fragen (Tabelle 2).
Fluorqualität, Symptome | Verdachtsdiagnose | Bevorzugte Altersgruppe |
---|---|---|
eitrig, gelb-zähflüssig, plötzlicher Beginn | Gonorrhö | alle Altersperioden |
eitrig, grünlich-gelblich bis serös, Rötung der Vulva | unspezifische aerobe und anaerobe Mischflora | Kindheit |
fötide-blutig, Schmerzen | intravaginaler Fremdkörper | Kindheit |
serös, Rötung des Vaginaleingangs bis zur Analgegend, Kratzspuren | Darmparasiten | Kindheit |
dünnflüssig, gräulich-weißlich, fader bis fischartiger Geruch | Gardnerella, Anaerobier | bevorzugt Pubertät und Adoleszenz |
weißlich-zähflüssig, krümelig Juckreiz, Rötung bis Erosionen der Vulva | Pilze | Pubertät, Adoleszenz, aber auch Kleinkindalter |
gelblich-schaumig, »übler« Geruch | Trichomonaden, Anaerobier | Pubertät, Adoleszenz |
uncharakteristisch, evtl. Unterbauchschmerzen | Chlamydien | Adoleszenz |
schleimig-pastös, weißlich-gelblich, geruchlos, wechselnde Mengen an Ausfluss | dysfunktionell: Estrogenmangel | ab der Pubertät |
Nur bei sehr leichten Symptomen und einer nicht-infektiös bedingten Vulvovaginitis ist ein Arztbesuch meist nicht notwendig. Um die Heilung zu beschleunigen, sollte das Mädchen eine Woche lang zweimal täglich ein Sitzbad ohne parfümierte Badezusätze nehmen. Empfehlenswert sind Sitzbäder mit Kamille oder Eichenrinde. Nach dem Waschen kann es eine zinkhaltige Schutzcreme auftragen. Locker sitzende Baumwollslips und täglicher Wäschewechsel sind empfehlenswert.
Bei stärkeren oder unklaren Beschwerden, bei Kindern vor der Pubertät oder wenn eine mikrobiologische Untersuchung notwendig erscheint, sollte das Kind möglichst bald zu einem Arzt gehen (7). Dies gilt selbstverständlich auch bei Verdacht auf eine Infektion mit Bakterien oder Hefepilzen. Ein Scheidenabstrich wird auf eine Infektion hin untersucht. Beim Nachweis einer bakteriellen Infektion verordnet der Arzt eine gezielte lokale, eventuell auch systemische Antibiotikatherapie. Zur topischen Therapie von Hefepilzinfektionen stehen zahlreiche Antimykotika zur Verfügung, beispielsweise mit Nystatin, Natamycin, Amphotericin B und Imidazol-Derivaten wie Clotrimazol und Miconazol. Die Zulassungen beziehen sich aber auf die Windeldermatitis oder die orale Candidose. Nystatin und Amphotericin B sind für Säuglinge zugelassen, Natamycin ab zwölf Jahren (8).
Einen in der Scheide steckenden Fremdkörper kann der Arzt mithilfe eines Vaginoskops entfernen. Bei einer anhaltenden Reizung ohne Infektion wird Mädchen nach der Pubertät häufig eine Estrogen-haltige Creme verschrieben, die die Vulva- und Scheidenschleimhaut höher aufbaut (3).
Generell gilt, dass sexuell übertragbare Erkrankungen außerhalb der Neugeborenenperiode für einen sexuellen Missbrauch sprechen (9)!
Hodenhochstand früh behandeln
Erkrankungen des Penis, die bei kleinen Jungen häufiger vorkommen, sind eine Vorhautverengung (Phimose), Einklemmung der zu engen Vorhaut (Paraphimose), Entzündung von Eichel und Vorhaut (Balanitis) sowie eine angeborene Fehlbildung der Harnröhrenöffnung (Hypospadie).
Bei den Hodenerkrankungen stehen eine ungewöhnliche Flüssigkeitsansammlung in einem Hoden (Hydrozele) und der Hodenhochstand (Kryptorchismus) im jungen Alter im Vordergrund. Eine schmerzhafte Hodentorsion, bei der sich Hoden und Samenstrang im Hodensack gedreht haben, und eine Hodenentzündung (Orchitis) kommen dagegen häufiger in der Pubertät vor (Tabellen 3 und 4).
Nach den Empfehlungen von Fachgesellschaften beginnt die Therapie des Kryptorchismus mit dem 6. Lebensmonat und sollte mit dem Ende des ersten oder zweiten Lebensjahres abgeschlossen sein. Die Gabe von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH, Gonadorelin) beziehungsweise humanem Choriongonadotropin (HCG) stimuliert die Testosteron-Ausschüttung und unterstützt den spontanen Deszensus. GnRH-Nasenspray (Beispiel Kryptocur®) wird in einer Dosierung von dreimal 400 μg/Tag über vier Wochen gegeben. HCG (Beispiel: Brevactid®)wird fünf Wochen lang zweimal pro Woche intramuskulär injiziert. Die Dosis pro Injektion hängt vom Alter ab: bei Knaben unter einem Jahr 250 I. E., von einem bis sechs Jahren 500 I. E., über sechs Jahren 1000 I. E. Andere Autoren empfehlen, drei Wochen lang einmal wöchentlich 1000 bis 2500 I. E. zu spritzen. Eine Alternative ist die kombinierte Therapie von GnRH-Nasenspray über vier Wochen, gefolgt von HCG intramuskulär (10).
Erkrankung, Erläuterung | Symptome | Therapie |
---|---|---|
Phimose: Vorhautverengung (bis zum 3. Lebensjahr physiologisch infolge Verklebung von Eichel und Vorhaut) |
Vorhaut lässt sich nicht über die Eichel zurückziehen eventuell gerötete Vorhaut beim Wasserlassen feiner Urinstrahl, erhöhtes Risiko für HWI |
Zirkumzision (»Beschneidung«) |
Paraphimose: Einklemmung einer zu engen Vorhaut hinter dem Eichelkranz |
ödematöse Schwellung und Durchblutungsstörung Komplikationen: Nekrose der Glans penis, Vorhautgangrän, deformierende Narbenschrumpfung |
Notfall – sofort ins Krankenhaus! Dort manuelle Reposition |
Balanitis: Entzündung der Glans penis, meist zusammen mit der Vorhaut |
Schwellung von Eichel und Vorhaut Schmerzen oder Juckreiz weiße Absonderung aus dem Penis Rötung und Nässen im Genitalbereich |
sorgfältige Intimpflege, bei kleinen Kindern oft Windeln wechseln Baumwollslips, keine parfümierte Seife bei Infektion antimykotische oder antibiotische Topika, in schweren Fällen systemische Antibiose |
Hypospadie: Fehlbildung der Harnröhre, die an der Ventralseite des Penis mündet |
Verlagerung der Harnröhrenmündung zur Penisbasis, Spaltung der Vorhaut und ggf. Verkrümmung des Penis nach unten |
operative Therapie zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr |
Erkrankung, Erläuterung | Therapie |
---|---|
Hydrozele: »Wasserbruch«, Flüssigkeitsansammlung in der Scheidehaut des Hodens |
bei unkomplizierter Hydrozele im Säuglingsalter keine Behandlung, da meist spontane Rückbildung bei fehlender Spontanremission: Operation |
Kryptorchismus: Hodenhochstand infolge Ausbleibens der regelrechten Wanderung des Hodens in den Hodensack während des 3. bis 10. Embryonalmonats |
konservativ mit HCG (humanes Choriongonadotropin) und GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon), bei mangelndem Erfolg: operative Therapie |
Enuresis hat viele Gründe
Morgens im nassen Schlafanzug oder Bett aufzuwachen ist nicht nur unangenehm, sondern für Kinder und Jugendliche auch peinlich. Von Bettnässen (Enuresis nocturna) spricht man aber erst, wenn das Kind älter als fünf Jahre ist und regelmäßig nachts einnässt. Das Einnässen muss mindestens einmal pro Monat geschehen – geschieht es seltener, ist es als sporadisch anzusehen. Rund ein Viertel der fünfjährigen Kinder und rund 10 Prozent der Siebenjährigen sind betroffen (11).
Während das Kind bei einer primären Enuresis niemals trocken war, ist bei der sekundären Form ein trockenes Intervall von mehr als einem halben Jahr vorausgegangen (12). Eine primäre Enuresis kann organisch-funktionell bedingt sein; die sekundäre Form hat meist seelische Gründe.
Zahlreiche Erkrankungen können eine organische Enuresis bedingen, beispielsweise chronische Entzündungen der ableitenden Harnwege, Diabetes mellitus oder Fehlbildungen des Urogenitalsystems. Diese Erkrankungen müssen möglichst bald behandelt werden. Besteht der geringste Verdacht auf eine organisch bedingte Form, sollte das Apothekenteam den Patienten und seine Eltern sofort zum Arzt schicken. Durch einfache, nicht belastende Untersuchungen (Anamnese, körperliche Untersuchung, Urinuntersuchung, Miktionsprotokoll, Miktionsbeobachtung und Sonografie des Harntrakts) kann der Arzt fast immer herausfinden, ob eine organisch bedingte Enuresis vorliegt.
Meistens jedoch ist nächtliches Einnässen nicht organisch bedingt. Vielmehr liegen eine sogenannte primäre monosymptomatische Enuresis nocturna oder eine nicht organisch bedingte, funktionelle Blasenstörung zugrunde (13). Ursache der monosymptomatischen Enuresis nocturna kann eine genetisch bedingte Reifungsverzögerung des Aufwachens sein. Mitunter fehlt der normale Anstieg der nächtlichen Vasopressinsekretion, sodass die nächtliche Urinmenge größer ist als die funktionelle Blasenkapazität. Bei einer funktionellen Blasenstörung ist die nächtliche Urinmenge hingegen normal, die Blasenkapazität reicht aber nicht aus, um diese aufzunehmen (14).
Am besten können die Eltern einschätzen, ob ihr Kind schwer aufweckbar ist. Aus Miktions-Trink-Protokollen (für gewöhnlich reicht eine Dokumentation über zweimal 24 Stunden aus) sind sowohl die nächtliche Harnmenge als auch die maximale funktionelle Blasenkapazität direkt ablesbar.
Therapie auf mehreren Ebenen
Auch wenn bei einer nicht organisch bedingten Enuresis keine körperlichen Gesundheitsschäden zu befürchten sind, ist das Problem aus psychologischen und sozialen Gründen behandlungsbedürftig. Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist die Bereitschaft des Kindes zur Mitarbeit. Diese gründet sich auf den unbedingten Wunsch, das Symptom zu verlieren. Der Apotheker sollte Kind und Eltern hierbei unterstützen und ermutigen, weiterzumachen – auch wenn es zu einem Rückfall gekommen ist.
Bei der Behandlung der Enuresis nocturna stehen nicht-pharmakologische Therapieansätze eindeutig im Vordergrund. Sie sind wirksamer als eine Pharmakotherapie, zeigen die besten dauerhaften Erfolge und langfristig weniger Rückfälle (15).
Bettnässen ist seltener ein Problem, wenn das Kind tagsüber regelmäßig zu festen Zeiten und abends noch einmal vor dem Zubettgehen Wasser lässt. Eltern sollten ihr Kind nicht bestrafen, wenn es ins Bett macht, denn so bekommt es noch mehr »Druck«. Sie sollten es vielmehr für trockene Nächte loben. Manchen Kindern hilft ein Sonne-und-Wolken-Kalender, bei dem »trockene« Nächte mit einer Sonne und »nasse« mit einer Wolke gekennzeichnet werden. Zusätzlich können kleine Belohnungen, beispielsweise ein Gummibärchen oder ein Sticker, das Kind unterstützen.
Hilfreich sind spezielle Windeln für Kinder und Jugendliche. Ihre Besonderheit: Sie sehen nicht aus wie Windeln, sind dünn, geräuscharm und ähneln einer Unterhose. Um die Hüfte herum sind sie geschlossen; das Kind muss sie also nicht mit Klettverschlüssen an den Seiten schließen. Mit diesen speziellen Hilfsmitteln sind Schullandheimaufenthalte oder Übernachtungen bei Freunden kein Problem. Die Bettnässer fallen nicht auf, und ihr Selbstwertgefühl wird nicht beeinträchtigt. Dennoch wird die Erstattungsfähigkeit dieser Produkte von den Krankenkassen unterschiedlich beurteilt. Eine wichtige Rolle spielen Alter des Kindes, Schwere der Inkontinenz und begleitende Therapie.
Ob eine Klingelhose oder eine Klingelmatratze sinnvoll sind, ist umstritten. Diese Verfahren bergen die Gefahr, dass das Kind Schlafstörungen, Unruhe und Nervosität entwickelt. Die nasale oder orale Verabreichung des Vasopressin-Analogons Desmopressin, das die nächtliche Diurese verringert, bessert hingegen die Symptomatik bei mehr als 70 Prozent der Kinder. Bei Kindern über fünf Jahren ist eine Anfangsdosis von 0,2 mg per os vor dem Schlafengehen geeignet. Reicht die Wirkung nicht aus, kann die Dosis bis auf 0,4 mg erhöht werden (16). In der Langzeitbehandlung sollte alle drei Monate eine behandlungsfreie Woche eingelegt werden, um zu sehen, ob eine Spontanheilung eingetreten ist.
Wichtig ist, dass die Flüssigkeitsaufnahme während der Desmopressin-Therapie eingeschränkt und überwacht wird. Bei Anzeichen einer Flüssigkeitsretention und/oder Hyponatriämie (Kopfschmerzen, Übelkeit/Erbrechen, Gewichtszunahme, in schweren Fällen auch Konvulsionen, Koma) muss die Behandlung unterbrochen werden, bis der Patient vollkommen genesen ist. Bei erneuter Gabe des Arzneimittels muss die Einschränkung der Flüssigkeitsaufnahme wieder eingehalten werden. Bei 30 Prozent der Patienten ist nach Absetzen von Desmopressin mit einem Rückfall zu rechnen (15). /
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Claudia Borchard-Tuch studierte Medizin an der Universität Düsseldorf, erhielt 1982 die Approbation und schloss ein Jahr später ihre Promotion ab. Nach einer Tätigkeit als Assistenzärztin studierte sie Informatik an der Fernuniversität Hagen und schloss mit dem Diplom ab. Seit 1983 ist Dr. Borchard-Tuch freiberuflich tätig als Fachjournalistin und bearbeitet naturwissenschaftliche und medizinische Themen für Fachzeitschriften und große Zeitungen. Zudem verfasst sie wissenschaftliche Publikationen für die Pharmaindustrie und ist Autorin mehrerer Bücher.
Dr. med. Claudia Borchard-Tuch
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