In der Schweiz berät der Apotheker |
28.01.2014 09:56 Uhr |
Von Iris Hinneburg / Fällt die Verschreibungspflicht für die Pille danach? Was in Deutschland derzeit noch kontrovers diskutiert wird, ist in der Schweiz seit vielen Jahren Realität. Dort gewährleistet die obligatorische Beratung in der Apotheke die sichere Anwendung des Notfallkontrazeptivums.
Nach positiven Voten im Bundesrat und im Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht prüft die Bundesregierung derzeit, ob in Deutschland die Pille danach auch ohne Rezept erhältlich sein soll. In der Schweiz wird dieses Modell seit 2002 praktiziert: Frauen können Levonorgestrel in einer Einmaldosis von 1,5 Milligramm rezeptfrei in der Apotheke erhalten. Jährlich werden nach Angaben von Christine Sieber von der Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz etwa 100 000 Packungen des Notfallkontrazeptivums verkauft.
Um Missbrauch auszuschließen, darf die Pille danach nur an die betreffende Frau selbst ausgehändigt werden, die sie möglichst gleich vor Ort einnehmen sollte. Eine Abgabe von Levonorgestrel ist auch an Minderjährige möglich. »Für die Abgabe der Pille danach ist nicht das Alter der Frau entscheidend, sondern deren Urteilsfähigkeit«, erklärt Angela Brunner vom Schweizerischen Apothekerverband pharmaSuisse. Die Situation müsse der Apotheker jeweils individuell beurteilen. »Letztlich bleibt es aber eine Ermessensfrage«, so Brunner.
Verbindliche Richtlinie
Vor jeder Abgabe ist eine Beratung durch einen Apotheker Pflicht, die im vertraulichen Rahmen etwa in einem Beratungszimmer erfolgen muss. Als Hilfestellung hat eine interdisziplinäre Expertengruppe aus Ärzten, Apothekern und anderen Fachleuten eine verbindliche Beratungsrichtlinie entwickelt. Ein Flussdiagramm und ein Beratungsprotokoll sollen die Qualität der Beratung sicherstellen. Als zusätzliche Arbeitshilfen sind häufige Fragen mit den entsprechenden Antworten im Beratungspaket enthalten. Bei der Beratung werden Name und Anschrift der Frau erfasst, um eine Nachbetreuung gewährleisten zu können. Die Beratungsprotokolle muss der Apotheker fünf Jahre lang aufbewahren.
Bei der Beratung stellt der Apotheker der betreffenden Frau eine Reihe von Fragen. Denn nicht immer ist die Abgabe der Pille danach tatsächlich notwendig oder sinnvoll. Verhütet die Frau etwa regulär mit einem hormonellen Kontrazeptivum und hat die Einnahme vergessen, prüft der Apotheker, ob die nachträgliche Einnahme nicht auch eine Schwangerschaft verhindern kann.
In einigen Fällen sieht das Protokoll eine Überweisung an einen Arzt vor, etwa wenn der ungeschützte Geschlechtsverkehr mehr als 72 Stunden zurückliegt oder eine bereits bestehende Schwangerschaft nachgewiesen wird. Auch wenn mögliche Interaktionen mit anderen Medikamenten die Wirksamkeit von Levonorgestrel gefährden oder andere medizinische Gründe wie Unverträglichkeiten vorliegen, gibt der Apotheker die Pille danach nicht ab. Informationen zur weiteren Verhütung, sexuell übertragbaren Krankheiten und regelmäßigen gynäkologischen Kontrollen gehören ebenfalls zum Beratungsgespräch.
Keine Abgabepflicht
Das Angebot der Pille danach ist für den Apotheker kein Muss. »Es besteht grundsätzlich keine Pflicht zum Verkauf eines Medikaments«, erläutert Brunner. Allerdings ist der Apotheker berufsrechtlich gebunden, in dringlichen Fällen Hilfe zu leisten. Er muss deshalb prüfen, ob ein Notfall vorliegt. Wenn er das verneint und die Medikamentenabgabe verweigert, muss er zumindest die Kundin darüber informieren, wo sie die Pille danach erhalten kann, etwa bei Gynäkologen, in Familienplanungsstellen oder Frauenkliniken.
Die Pille danach kostet in den Apotheken etwa 30 bis 40 Schweizer Franken (rund 24 bis 32 Euro). Zusätzlich kann der Apotheker eine Beratungsgebühr erheben. Die Ausgaben für die Notfallkontrazeption muss die Frau selbst tragen, die Krankenversicherung übernimmt die Kosten nicht. /