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Gain-of-Function

Aufregung um angeblich tödlicheren Covid-Stamm

Wissenschaftler der Boston University haben eine Hybridversion von SARS-CoV-2 hergestellt, die angeblich bei 80 Prozent der Versuchstiere eine tödliche Infektion hervorruft. Das ist aber nur die halbe Wahrheit – und gar nicht das eigentliche Problem.
AutorKontaktTheo Dingermann
Datum 18.10.2022  17:40 Uhr

Forschungsergebnisse aus Bosten sorgen momentan für hitzige Schlagzeilen. So berichtet unter anderem Louis Casiano vom ultrarechten US-Nachrichtensender »Fox News« im Nachrichtenportal »New York Post«, dortige Wissenschaftler hätten im Labor einen »tödlicheren Covid-Stamm« erzeugt. Dieser töte 80 Prozent der infizierten Versuchstiere und die Bostoner Experimente ähnelten der Strategie, nach der manche argwöhnen, dass SARS-CoV-2 in einem chinesischen Labor entstanden sei.

Tatsächlich geht es aber um etwas ganz anderes. Die Studie, deren Ergebnisse seit dem 14. Oktober auf dem Preprintserver »Biorxiv« publiziert sind, ist deshalb mit einem unguten Beigeschmack versehen, weil die Experimente nicht vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) genehmigt worden waren. Eine solche Genehmigung hätte allerdings eingeholt werden müssen, da das NIAID die Studie zumindest in Teilen mitfinanziert hat. So zeigte sich auch das NIAID verwundert und verärgert darüber, dass es zuerst durch Medienberichte von der Arbeit erfahren habe, heißt es in einem Beitrag auf dem Nachrichtenportal »Stat News«, wo der Fall sehr objektiv dargestellt wird.

Der umstrittene Gain-of-Function-Ansatz

Was war gemacht worden? Die Forschenden um Da-Yuan Chen vom Department of Biochemistry der Boston University School of Medicine hatten im Wesentlichen die kodierende Region des Spike-Proteins der Omikron-Variante BA.1 in das Genom des ursprünglichen Wuhan-Stamms eingesetzt. Damit wollten sie herausfinden, wie relevant die vielen neuen Mutationen, durch die die Omikron-Varianten sich von den anderen besorgniserregenden SARS-CoV-2-Varianten (VOC) abheben, für die Pathologie der Viren sind.

Während Omikron in dem etablierten Mausmodell K18-hACE2, in dem die Mäuse einen humanen ACE2-Rezeptor exprimieren, eher eine milde, nicht tödliche Infektion verursacht, führte das Omikron-S-tragende Wildtyp-Virus zu einer schweren Erkrankung mit einer Sterblichkeitsrate von 80 Prozent. Dies deutet darauf hin, dass das S-Protein mit seinen vielen Mutationen zwar für die besonders hohe Infektiosität von Omikron verantwortlich ist, die virale Pathogenität jedoch in anderen Bereichen des viralen Genoms festgeschrieben ist.

In der Laienpresse wird allerdings nicht berichtet, was in der Publikation ganz klar nachzulesen ist, dass nämlich nach einer Infektion der Mäuse mit dem Wildtyp 100 Prozent der Tiere sterben. Somit führt der Austausch der S-Proteine im Wildtyp-Virus dazu, dass dieses durch die Arbeiten der Bostoner Gruppe teilweise entschärft wurde. Zwischenzeitlich ist auch klar, dass die sehr hohen Sicherheitsmaßnahmen, unter denen derartige Gain-of-Function-Versuche durchgeführt werden müssen, eingehalten wurden.

Außer Acht gelassen wird bei der Aufregung um die Studie auch, dass sich die Letalität bei Mäusen nicht 1:1 auf den Menschen übertragen lässt. Bekanntlich betrug die Letalität für den Menschen zu Beginn der Pandemie, als das Wuhan-Virus zirkulierte, circa 1 Prozent. Omikron ist deutlich weniger letal.

Genehmigung hätte eingeholt werden müssen

Tatsächlich reduziert sich somit der »Skandal« auf die fehlende Genehmigung der durch eine staatliche Institution finanzierten Forschungsarbeiten. Eine solche Genehmigung ist gemäß der NIAID-Richtlinie, die als P3CO-Framework bekannt ist, dann einzuholen, wenn durch die Arbeiten sogenannte verstärkte Pathogene mit pandemischem Potenzial entstehen könnten. Dies ist zweifelsfrei durch die Gain-of-Function-Experimente möglich.

Andererseits werden die Bostoner Wissenschaftler aber auch von Kollegen in Schutz genommen. So zeigt zum Beispiel die Virologin Professor Dr. Angela Rasmussen, die nicht an der Forschung beteiligt war, gegenüber »Stat« ein gewisses Verständnis, da nach ihrer Meinung die Regeln, wie sie derzeit geschrieben sind, mehrdeutig seien. Der Impfstoffforscher Professor Dr. Florian Krammer von der Icahn School of Medicine in Mount Sinai, New York City, betont auf Twitter, dass das Virus auch hätte pathogener werden können, als dies letztlich der Fall war. Daher wäre es klug gewesen, auch bei unklarer Rechtslage bei der US-Agentur um Erlaubnis zu fragen.

Im Übrigen, so Krammer, habe die Natur im Grunde genau das gleiche Experiment schon einmal durchgeführt. Der als »XD« bekannt gewordene Stamm entstand durch natürliche Rekombination in einem Menschen. Dieses Virus trug das Spike-Protein von Omikron in einem Delta-Restgenom und war damit für Mäuse ebenso tödlich wie Delta. Krammer: »Jemand hat dieses Experiment unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt und bekommt dafür nun Ärger. Aber Mutter Natur hat es schon vor einiger Zeit mit Menschen gemacht und niemand hat sich darum gekümmert.«

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