Auch abgespeckte Cannabispläne stoßen auf Kritik |
Cornelia Dölger |
26.04.2023 09:00 Uhr |
Cannabis zu konsumieren, soll nach den abgespeckten Berliner Plänen zunächst in Cannabis-Clubs und später in Pilotregionen mit Modellprojekten erlaubt sein. / Foto: Imago: Rupert Oberhäuser
Es war eines der meistbeachteten Wahlversprechen der Ampelkoalition: Mit seinem Plan, Cannabis zu Genusszwecken kontrolliert zu legalisieren sowie Anbau und Vertrieb in nationale Hand zu legen, hätte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Drogenpolitik in Deutschland revolutioniert. Doch der Gegenwind aus Brüssel war trotz aller vorgetragenen Zuversicht aus Berlin zu heftig. Weil die ursprünglichen Pläne nicht mit EU-Vorgaben vereinbar waren, konnten Lauterbach und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vor gut zwei Wochen folglich nur eine schwer abgespeckte Eckpunkteversion vorstellen, eine »Legalisierung light«, wie es seitdem medial die Runde machte.
Zu diesem neuen Modell sollen unter anderem so genannte Cannabis-Clubs gehören, also nicht gewinnorientierte Vereinigungen, die Genusscannabis anbauen dürfen. Der private Eigenanbau von höchstens drei Pflanzen soll ebenfalls straffrei sein. Zudem soll in einem zweiten Schritt über eine Dauer von fünf Jahren in Modellregionen der freie Verkauf in lizenzierten Geschäften wissenschaftlich erprobt werden. Und hier regt sich erneut Widerstand – vorerst nicht aus Brüssel, sondern aus Bayern.
Eine der Modellregionen könnte nämlich Bayerns Landeshauptstadt München werden. Zumindest strebe die grün-rote Rathauskoalition dies an, wie die »Süddeutsche Zeitung« berichtet. Demnach haben die Fraktionen von SPD und Volt sowie Grüne und Rosa Liste vergangene Woche einen entsprechenden Stadtratsantrag eingebracht. Darin forderten die Antragsteller, München solle sich als Modellkommune für die kontrollierte und lizenzierte Cannabis-Abgabe bewerben und das Gesundheitsreferat solle hierzu entsprechende Vorbereitungen treffen, zum Beispiel Bürgerbefragungen zwecks Bedarfsermittlung.
Postwendend kam darauf ein Veto aus dem Gesundheitsministerium des Freistaats. Wie Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), seit jeher vehementer Gegner des Ampelvorhabens, per Pressemitteilung verlauten ließ, werde es »Modellprojekte für staatlich lizensierten Cannabis-Handel mit der Bayerischen Staatsregierung im Freistaat nicht geben«. Die Staatsregierung werde »alle verfügbaren Mittel prüfen, um Cannabis-Modellprojekte in Bayern zu verhindern«. Denn: »Bayern wird sich klar an das geltende Völker- und Europarecht halten – egal was die Bundesregierung beschließen wird.«
Er könne nur davor warnen, dass sich Kommunen als Modellregionen bewerben wollten, so Holetschek. Nicht nur die ursprünglich angedachte flächendeckende Legalisierung, sondern auch die geplanten Modellprojekte widersprächen geltendem Völker- und Europarecht. Holetschek hatte im Dezember ein Rechtsgutachten zu den Ampelplänen in Auftrag gegeben, nach dem diese EU- sowie weiteres Völkerrecht verletzten. Lizenzen für Modellprojekte kämen daher »nicht in Betracht«. Sollte jemand dagegen klagen, sehe die Staatsregierung dem Verfahren allgemein »mit großem Interesse« entgegen, so der Minister. Letztlich könne dieses nämlich zu einer Vorlage und Prüfung beim Europäischen Gerichtshof führen. »Ich bin zuversichtlich, dass spätestens der EuGH den Plänen der Bundesregierung einen Riegel vorschieben würde.«
Sollten die Pläne in Berlin weiter verfolgt werden, erwarte er ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), so Holetschek weiter. »Es ist leider nicht mehr zu erwarten, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach von sich aus einsieht, dass er auf dem Holzweg ist.«
Ganz anders reagiert die Cannabiswirtschaft auf die eingedampften Pläne. Mit der Ankündigung, den Verkauf von Joints und anderen Cannabis-Produkten deutschlandweit in Fachgeschäften zu erlauben (bekanntlich waren auch Apotheken dafür angedacht; wie deren Rolle künftig aussieht, ist jetzt noch unklarer als vorher), hatte die Ampel große Erwartungen in der Branche geschürt.
Die Cannabiswirtschaft zeigt sich nun enttäuscht. Vorerst kann sie nicht mit dem erhofften Milliardengeschäft rechnen. Hinzu kommt, dass viele für sie wichtige Details zu den geplanten Pilotregionen noch nicht bekannt sind. Diese soll es erst nach der politischen Sommerpause geben. Um etwa Lieferketten aufbauen zu können, müssten aber jetzt schon Eckpunkte bekannt sein, sagte etwa der Chef eines Berliner Cannabis-Unternehmens dem »Handelsblatt«. Sonst gehe wertvolle Zeit verloren.
Falls die vollständige Legalisierung eines Tages doch noch kommt, soll auf inländische Unternehmen zurückgegriffen werden können. Um diese nicht zu verprellen, umgarnt die Bundesregierung die Start-ups, vorsorglich und ungeachtet der hemmenden Regelungen. »Wir brauchen die Expertise der deutschen Unternehmerinnen und Unternehmer für echtes Cannabis made in Germany«, sagte etwa die FDP-Gesundheitspolitikerin Kristine Lütke dem »Handelsblatt«. Heimische Hersteller müssten eng in die Modellprojekte einbezogen werden, damit sie Erfahrung sammeln können, die »bei einer möglichen vollständigen Legalisierung sehr, sehr wichtig sein werden«, sagt Lütke.