Attacken nach Sex, Sport oder Eis |
| Christina Hohmann-Jeddi |
| 07.11.2025 18:00 Uhr |
Die wohl bekannteste der seltenen Kopfschmerzformen ist der kältebedingte Kopfschmerz, der durch Kältereize auf den Kopf etwa beim Skifahren, die Inhalation kalter Luft oder den Verzehr von kalten Speisen oder Getränken ausgelöst werden kann. »Die letztgenannte Form wird anschaulich auch als Ice Cream Headache bezeichnet«, berichtete der Neurologe Dr. Torsten Kraya von Klinikum St. Georg in Leipzig.
Die österreichische Kaiserin Elisabeth, auch Sisi genannt, hatte sehr langes Haar, das sie in aufwendigen Flechtfrisuren trug. / © Getty Images/ilbusca
Der kältebedingte Kopfschmerz ist relativ weit verbreitet – verschiedenen Studien zufolge kommt er bei 8 bis 50 Prozent der Bevölkerung vor. Der meist beidseitige Schmerz kann intensiv sein, hält im Mittel aber nur 30 Sekunden an. »Diese Kopfschmerzform ist gutartig, deshalb ist eine differentialdiagnostische Abklärung nicht notwendig«, sagte Kraya. Das höchste Risiko bestehe bei raschem Verzehr von Slush-Eis.
Ebenfalls gutartig sind Kopfschmerzen, die durch Einwirkung von Druck auf den Kopf ausgelöst werden, etwa durch das Tragen von Hüten, Stirnbändern oder FFP2-Masken. Auch ein Zug am Kopf, etwa durch Zöpfe oder das Gewicht von langen nassen Haaren, kann diese Form von Kopfschmerzen auslösen. So soll die als Sisi bekannte Kaiserin Elisabeth von Österreich an Kopfschmerzattacken gelitten haben, wenn sie ihre bis zum Boden reichenden Haare wusch. Sie tat dies daher nur alle zwei bis drei Wochen und hängte die nassen Haare anschließend über ein spezielles Gestell, um den Zug auf den Kopf zu minimieren.
Deutlich belastender sind zwei Kopfschmerzerkrankungen, die Dr. Katharina Kamm vom Klinikum der LMU München vorstellte. »Beim schlafgebundenen Kopfschmerz wachen Patienten in der Nacht immer zur gleichen Zeit aufgrund von Kopfschmerzen auf.« Dies betreffe meist ältere Personen ab 65 Jahren, bei Jüngeren sei die Kopfschmerzform selten. Etwa zwei Drittel der Betroffenen seien Frauen. In der Regel haben Patienten mehr als 20 Attacken pro Monat, die in der Nacht, zum Teil aber auch bei einem Mittagsschlaf auftreten. Die Schmerzen sind moderat bis intensiv und zum Teil von Übelkeit, Geräusch- und Lichtempfindlichkeit begleitet. Die Attacken dauern zwischen 15 Minuten und vier Stunden an.
Die Erkrankung müsse differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden vom Clusterkopfschmerz und sekundären Kopfschmerzformen, etwa bei nächtlichem arteriellen Bluthochdruck oder obstruktiver Schlafapnoe. Zur Therapie liegen bislang keine Studiendaten, sondern nur Fallberichte vor. »Demnach hilft vielen Patienten eine starke Tasse Kaffee in der Akutbehandlung oder schon prophylaktisch vor dem Schlafengehen«, berichtete Kamm. Alternativ könnten auch Coffeintabletten, Melatonin, Indometacin oder Lithium versucht werden. Mit Lithium müsse man aber gerade bei den älteren Patienten sehr vorsichtig sein, betonte dir Ärztin.
Gegen den schlafgebundenen Kopfschmerz soll eine Tasse Kaffee vor dem Schlafengehen helfen. / © Getty Images/blackCAT
Belastend ist auch der sogenannte neu aufgetretene, tägliche, anhaltende Kopfschmerz, den Kamm vorstellte. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er plötzlich innerhalb eines Tages einsetzt und konstant fortbesteht, ohne abzuklingen. Er sei keine Weiterentwicklung eines bestehenden Kopfschmerzes (etwa Migräne), sondern entstehe neu und sei therapeutisch sehr schwer zu beeinflussen.
»Die Schmerzen halten über Monate bis Jahre an und können migräne- oder spannungskopfschmerzartig sein«, so die Expertin. Zum Teil sind sie von Schwindel, Übelkeit, Photophobie oder Sehstörungen begleitet. Bei manchen Patienten ließen sich Auslöser der Erkrankung wie stressige Lebensereignisse, Infektionen oder Operation im Gesicht oder am Hals identifizieren.
»Die Therapie erfordert Durchhaltevermögen«, sagte die Ärztin. Durch eine Behandlung werde häufig nur die Schmerzintensität gesenkt und keine schmerzfreien Tage erreicht. Bei migräneartigen Schmerzen werden zunächst Wirkstoffe zur Migräneprophylaxe eingesetzt, bei der spannungskopfschmerzartigen Form trizyklische Antidepressiva. Opiod- und Nicht-Opioid-Analgetika seien in der Regel ohne Effekt. Zum Teil können Cortison, Botox-Injektionen oder Nervenblockaden versucht werden.
Bei Indometacin handelt es sich um ein klassisches NSAR – es wirkt über die unselektive Hemmung von COX-1 und COX-2 antiinflammatorisch und analgetisch. Warum es bei den seltenen Kopfschmerzformen besser wirkt als andere NSAR, ist aber noch nicht vollständig verstanden. Über die Cyclooxygenase-Hemmung hinaus sind offenbar noch weitere Mechanismen relevant, berichtete Dr. Oliver Summ von der Universität Oldenburg.
So scheint Indometacin die Wirkung von Stickstoffmonoxid (NO) direkt zu inhibieren. In Experimenten konnte der Wirkstoff die Wirkung von NO-Donatoren aufheben und eine Gefäßdilatation, die an Kopfschmerzattacken beteiligt ist, unterbinden. Darüber hinaus scheint der Wirkstoff den intrakraniellen Druck und den zerebralen Blutfluss zu senken.