»Apotheker, die die Konflikte austragen müssen« |
Melanie Höhn |
22.02.2024 11:58 Uhr |
Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind für die Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland noch immer ein großes Problem. / Foto: imago images/Future Image
Die angespannte Situation durch globale Lieferengpässe nahmen sich Mujaheed Shaikh, Professor für Gesundheitsgovernance an der Hertie School in Berlin und sein Team zum Anlass, Ursachen und Folgen dieser Problematik näher zu beleuchten. Auf einer Fachkonferenz, ausgerichtet von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Hertie School in Zusammenarbeit mit der Universität Duisburg-Essen und dem Bundesverband der Deutschen Industrie, wurden gestern die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprojekts präsentiert.
»Die Hälfte der in Deutschland von Ärzten verordneten Wirkstoffe werden an Standorten produziert, die über 1700 Kilometer von uns entfernt sind. Das verdeutlicht noch einmal, in welcher Weise Versorgungssicherheit und globale Lieferketten zusammenhängen«, so führte Hermann Gröhe stellvertretender Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in das Thema ein.
Grundsätzlich gebe es immer mehrere Ursachen, die einen Medikamentenmangel verursachen, betonte Professor Shaikh. Das Forschungsteam stellte die Beziehungen zwischen diesen Ursachen heraus und identifizierte 73 Gründe, die zu Medikamentenengpässen führen können und fassten diese zu acht Kategorien zusammen: Probleme in der Herstellung, im Vertrieb, in der Qualität, kommerzielle und regulatorische Schwierigkeiten, plötzliche Ereignisse, Katastrophen oder unerwartete Probleme. Momentan testen die Wissenschaftler eine frei zugängliche Webseite: Dort sollen Nutzer zukünftig eine Region wie etwa Nordamerika oder Europa und einen Zeitraum auswählen können, um dann die detaillierten Hintergründe der Lieferengpässe nachzuverfolgen.
»Wir betonen die Komplexität der Ursachen von Medikamentenengpässen«, so Shaikh – es müssten immer die einzigartigen Merkmale und die Abfolge dieser Ursachen berücksichtigt werden. »Eine Ursache anzugehen, ohne die anderen Wege in Betracht zu ziehen, kann nur eine vorübergehende Lösung sein«, schlussfolgert Shaikh. Eine weitere Erkenntnis: Die am häufigsten gemeldeten Gründe seien möglicherweise nicht die einflussreichsten Interventionspunkte. Zwar gebe es häufige Ursachen für Medikamentenengpässe, diese würden jedoch je nach Region variieren, sowohl hinsichtlich ihrer Prävalenz als auch bezüglich ihres Beitrags zum Engpass. Die Unterbrechung der Lieferketten durch Covid-19 führte zu einem Anstieg der Arzneimittelknappheit, der Effekt wurde durch eine hohe globale Abhängigkeit und großen Wettbewerb verstärkt, so die Forscher. Die Wissenschaftler fanden aber heraus, dass die Lieferengpässe schon vor Covid-19 zunahmen, die Pandemie habe jedoch nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sie gelenkt.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.