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Lieferengpässe

»Apotheker, die die Konflikte austragen müssen«

Welche globalen Ursachen für die anhaltenden Lieferengpässe gibt es und was sind Lösungsansätze? Wissenschaftler der Hertie School Berlin und der Universität Duisburg-Essen gehen dieser Frage seit 2020 nach und diskutierten die Ergebnisse mit Vertretern aus Forschung, Politik und Industrie.
AutorKontaktMelanie Höhn
Datum 22.02.2024  11:58 Uhr

Die angespannte Situation durch globale Lieferengpässe nahmen sich Mujaheed Shaikh, Professor für Gesundheitsgovernance an der Hertie School in Berlin und sein Team zum Anlass, Ursachen und Folgen dieser Problematik näher zu beleuchten. Auf einer Fachkonferenz, ausgerichtet von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Hertie School in Zusammenarbeit mit der Universität Duisburg-Essen und dem Bundesverband der Deutschen Industrie, wurden gestern die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprojekts präsentiert.

»Die Hälfte der in Deutschland von Ärzten verordneten Wirkstoffe werden an Standorten produziert, die über 1700 Kilometer von uns entfernt sind. Das verdeutlicht noch einmal, in welcher Weise Versorgungssicherheit und globale Lieferketten zusammenhängen«, so führte Hermann Gröhe stellvertretender Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in das Thema ein.

Ursachen der Lieferengpässe

Grundsätzlich gebe es immer mehrere Ursachen, die einen Medikamentenmangel verursachen, betonte Professor Shaikh. Das Forschungsteam stellte die Beziehungen zwischen diesen Ursachen heraus und identifizierte 73 Gründe, die zu Medikamentenengpässen führen können und fassten diese zu acht Kategorien zusammen: Probleme in der Herstellung, im Vertrieb, in der Qualität, kommerzielle und regulatorische Schwierigkeiten, plötzliche Ereignisse, Katastrophen oder unerwartete Probleme. Momentan testen die Wissenschaftler eine frei zugängliche Webseite: Dort sollen Nutzer zukünftig eine Region wie etwa Nordamerika oder Europa und einen Zeitraum auswählen können, um dann die detaillierten Hintergründe der  Lieferengpässe nachzuverfolgen.

»Wir betonen die Komplexität der Ursachen von Medikamentenengpässen«, so Shaikh – es müssten immer die einzigartigen Merkmale und die Abfolge dieser Ursachen berücksichtigt werden. »Eine Ursache anzugehen, ohne die anderen Wege in Betracht zu ziehen, kann nur eine vorübergehende Lösung sein«, schlussfolgert Shaikh. Eine weitere Erkenntnis: Die am häufigsten gemeldeten Gründe seien möglicherweise nicht die einflussreichsten Interventionspunkte. Zwar gebe es häufige Ursachen für Medikamentenengpässe, diese würden jedoch je nach Region variieren, sowohl hinsichtlich ihrer Prävalenz als auch bezüglich ihres Beitrags zum Engpass. Die Unterbrechung der Lieferketten durch Covid-19 führte zu einem Anstieg der Arzneimittelknappheit, der Effekt wurde durch eine hohe globale Abhängigkeit und großen Wettbewerb verstärkt, so die Forscher. Die Wissenschaftler fanden aber heraus, dass die Lieferengpässe schon vor Covid-19 zunahmen, die Pandemie habe jedoch nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sie gelenkt. 

»Sehr intensiver Beratungsauftrag der Apotheker«

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion zu europäischen Strategien für mehr Resilienz in der Medikamentenversorgung betonte Georg Kippels, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss: »Das Entscheidende ist, sich in der Politik das Bewusstsein zu verschaffen, dass es kein monokausales Problem ist und nicht mit einer einzigen Lösung gelöst werden kann.« Die Gesamtproduktion für Arzneimittel weltweit sei nicht rückläufig und die Verteilung über verschiedene Märkte finde sehr stark preisorientiert statt, sodass Deutschland durch seine Rabattpolitik nicht unbedingt für die Unternehmen der attraktivste Abgabemarkt sei, erklärte er.

»Diese Theorie hat im Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) Eingang gefunden, weil man versucht hat, mit einer kurzfristigen Freigabe des Preises Produktionsanreize zu setzen. Dieser Ansatz ist jedoch weder strukturell noch verfügt er über die ausreichende Planungssicherheit für die Unternehmen«, so Kippels. Die Politik müsse eine »saubere Problemanalyse« durchführen – hier leiste die Studie um Shaikh einen wesentlichen Beitrag. Zudem forderte er, dass alle Akteure des Gesundheitsmarktes gemeinschaftlich diskutieren und eine Lösung entwickeln, »vielleicht mit der Fortsetzung des Pharmadialogs«, sagte er. Es müsse das Bewusstsein geschaffen werden, »dass die Märkte wesentlich flexibler agieren müssen und das Festhalten an bestimmten Marken und Produkten beim gleichen Wirkstoff heute international nicht mehr durchzuhalten ist«.

»Verzweifelte Gespräche in der Apotheke«

»Ich habe in letzter Zeit selbst aus aktuellem Anlass so manches verzweifelte Gespräch an meiner Apothekentheke verfolgen können«, erzählte Kippels. »Wenn ältere Herrschaften, die seit 10 oder 15 Jahren ein Medikament nehmen, dessen Farbe und Verpackung sie kennen, ein anderes Produkt ausgehändigt bekommen und in blanke Verzweiflung verfallen, weil sie glauben, sie werden nicht mehr ordnungsgemäß versorgt.« Kippels weiter: »Wir haben einen sehr intensiven Beratungsauftrag der Apotheker«.

Er forderte, dass auf die Versorgungs- und Marktveränderungen mit Rabattverträgen, aber auch mit Austauschbefugnissen in der Apotheke flexibler reagiert werden muss, »ohne das zu einer Staatsaffäre zu machen, sondern es gegenüber den Kunden als normalen Versorgungsprozess zu deklarieren«, so Kippels. Der CDU-Politiker betonte, dass »Ruhe ins System« kommen müsse und es wichtig sei, »Sicherheit und Vertrauen herzustellen, dass grundsätzlich die Versorgung nicht gefährdet ist, sondern sie nur etwas flexibler und etwas individueller stattfindet, aber auch stattfinden darf, ohne Qualitätseinbußen«. 

Professor Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ergänzte: »Wir sehen das Horten, das in der Akutsituation die Lieferengpasssituation deutlich verschärft. Auch da brauchen wir wieder Vertrauensbildung in der Öffentlichkeit. Das sind vor allem die Patienten, die nachfragen, die Ärzte, die verschreiben und die Apotheker, die die Konflikte austragen müssen«, so Broich. »Wir wollen wieder Vertrauen zu schaffen und viele Diskussionen versachlichen.«

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