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Bedenkliche Arzneimittel

Apotheker beraten, Verordnungen sinken

Verordnungen von potenziell ungeeigneten Arzneimitteln bei älteren Patienten kommen trotz der bekannten Gefahren teilweise immer noch häufig vor. Informieren Apotheker in diesem Fall sowohl den verschreibenden Arzt als auch den Patienten und geben konkrete Empfehlungen für mögliche Alternativen, sinkt der Einsatz der bedenklichen Arzneimittel drastisch. Das zeigt jetzt eine Studie aus Kanada.
Annette Mende
19.11.2018  17:00 Uhr

Medikamente, die Patienten über 65 Jahre nicht erhalten sollten, sind in der englischsprachigen Literatur in der sogenannten Beers-Liste aufgeführt. Ähnlich wie in der in Deutschland bekannteren PRISCUS-Liste sind hier Arzneimittel aufgelistet, bei denen im höheren Alter vermehrt mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu rechnen ist. Obwohl diese Zusammenhänge gut dokumentiert sind, kommt es immer wieder vor, dass ältere Patienten entsprechende Medikamente erhalten. Ein zu wenig ausgeprägtes Risikobewusstsein aufseiten des Arztes, aber auch die Furcht vor Entzugserscheinungen beim Absetzen und nicht zuletzt der Wunsch des Patienten nach der Medikation sind mögliche Gründe hierfür.

In diesen Fällen können Apotheker mit gezielter Information dazu beitragen, dass die potenziell ungeeignete Medikation abgesetzt wird. Das zeigt jetzt eine Forschergruppe um Dr. Philippe Martin vom pharmazeutischen Institut der Université de Montréal in Quebec. An der Studie nahmen 34 Apotheken und insgesamt 489 Patienten in der Stadt Quebec und deren Umkreis teil. Die Apotheken wurden in zwei Gruppen randomisiert: In der Interventionsgruppe wurden die Apotheker dazu angehalten, alle ihre Patienten über 65 Jahre, die seit mindestens drei Monaten eines oder mehr von vier Arzneimitteln auf der Beers-Liste erhielten, sowie die verordnenden Ärzte auf die ungeeignete Medikation aufmerksam zu machen. Die Apotheker wurden dazu mit entsprechenden Patientenbroschüren versorgt sowie mit vorformulierten Briefen an die Ärzte, in denen die Gründe für die pharmazeutischen Bedenken und konkrete Vorschläge für Alternativen genannt wurden. In der Vergleichsgruppe wurden die Patienten wie üblich versorgt. Der Erfolg der Intervention wurde am Ende eines Sechsmonatszeitraums erfasst.

Wie die Forscher im Fachjournal »JAMA« berichten, wurde der Rat des Apothekers in vielen Fällen angenommen. So beendeten in der Interventionsgruppe 43 Prozent der Patienten, die zuvor Benzodiazepine oder Z-Substanzen angewendet hatten, die Einnahme der Schlafmittel, gegenüber 9 Prozent in der Vergleichsgruppe. Das orale Antidiabetikum Glibenclamid, ein Sulfonylharnstoff, von dessen Einsatz bei älteren Patienten wegen der Unterzuckerungsgefahr abgeraten wird, wurde in der Interventionsgruppe in 31 Prozent der Fälle abgesetzt, in der Vergleichsgruppe bei 14 Prozent. Im Fall von nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR), die Älteren aufgrund möglicher Nebenwirkungen an der Niere und im Gastrointestinaltrakt laut Beers-Liste nicht verordnet werden sollten, waren es 58 Prozent Absetz-Quote in der Interventionsgruppe und 22 Prozent in der Vergleichsgruppe. Nicht auswertbar aufgrund niedriger Patientenzahlen waren die Daten zur Verordnung von sedierenden Antihistaminika.

Die sachliche und fundierte Information von sowohl Ärzten als auch Patienten durch den Apotheker kann den Einsatz von bedenklichen Arzneimitteln begrenzen helfen, lautet das Fazit der Autoren. Inwieweit sich das Ergebnis auf die Gegebenheiten in anderen Ländern übertragen lässt, ist jedoch unklar. In Kanada haben Apotheker teilweise deutlich mehr Befugnisse als beispielsweise in Deutschland. So ist etwa das in der Studie zur Information des Arztes genutzte Instrument der »pharmaceutical opinion« eine offiziell anerkannte Dienstleistung, für die Apotheker auch bezahlt werden können.

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