Apotheken sollten sich fürs Impfen bereit machen |
Daniela Hüttemann |
01.12.2021 14:02 Uhr |
Rund 2700 Apothekerinnen, Apotheker und PTA haben allein Westfalen-Lippe bei der Bereitstellung der Covid-19-Impfstoffe in den Impfzentren wie hier in Münster mitgeholfen. / Foto: Max Lewe
Es steht noch nicht fest, aber es sieht immer mehr danach aus, dass die Politik schon sehr bald den Weg für Corona-Boosterimpfungen in den Apotheken frei macht, berichtete Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA und Apothekerkammer Westfalen-Lippe, aus Gesprächen mit Politikern, die sie am gestrigen Dienstag geführt habe. Demnach soll dazu §20b des Infektionsschutzgesetzes geändert werden. Möglicherweise könnte dies schon in der kommenden Woche erstmals im Bundestag besprochen werden. Am gestrigen Dienstag hatten sich auch erstmals die Ministerpräsidentinnen, Ministerpräsidenten mit der alten und neuen Bundesregierung dazu ausgetauscht und hatten vereinbart, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen.
Die Corona-Impfung in der Apotheke werde genauso »hauruck« kommen, wie zuvor Masken-Verteilaktionen und Schnelltests in der Apotheke, vermutet Overwiening. Der Druck im Kessel sei hoch und die Politik wolle das Impfen in der Apotheke nun unbedingt. Steht die gesetzliche Grundlage, könnten Apothekerinnen und Apotheker, die bereits die entsprechende Theorie- und Praxisfortbildung für die Grippeimpf-Modellprojekte absolviert haben, wohl sofort zur Nadel greifen. Das sind derzeit rund 2600 Apothekerinnen und Apotheker in sieben Bundesländern und etwa 1000 Apotheken. Die Apotheken, die noch nicht in einem Grippeschutz-Modellprojekt involviert sind, sollen sich aber schon sehr bald fortbilden lassen können.
Nicht jede Apotheke kann und will aus Kapazitätsgründen Covid-19-Impfungen anbieten, kristallisierte sich bei der Diskussion der Kammerversammlung heraus, doch sind immer mehr Apotheken dazu bereit. Overwiening hält es für realistisch, dass sich genauso viele Apotheken beteiligen wie bei den Schnelltests, vielleicht sogar mehr. Es gehe auch nicht darum, genauso viele Impfungen wie die Arztpraxen zu schaffen, sondern ein zusätzliches, niederschwelliges Angebot zu machen – in der derzeitigen Lage zähle jede einzelne weitere Impfung.
Laut Overwiening sei ein »Kompaktschulungsangebot« letzte Woche in der Bundesapothekerkammer auf den Weg gebracht worden. Der Theorieteil werde als Video aufgenommen, den Praxisteil sollen die einzelnen Kammern organisieren. Sie werden voraussichtlich nicht in Seminaren mit 25 Personen wie bei der Grippeimpfung durchgeführt. Die Praxis soll vielmehr auch bei Inhouse-Schulungen in den Apotheken, in Arztpraxen oder Impfzentren erworben werden können, um das Impfen in der Apotheke möglichst schnell in die Fläche zu bringen.
Unklar ist noch, ob es einen eigenen geeigneten Raum braucht, wie derzeit in den Grippeimpfschutz-Modellprojekten vorgeschrieben, schließlich wird derzeit auch in Bussen und auf Parkplätzen gegen das Coronavirus geimpft. Ebenfalls steht noch nicht fest, ob es ausreicht, wenn immer ein Ersthelfer, wie ihn jede Apotheke ohnehin hat, während der Impfzeiten vor Ort ist, falls es zu einer allergischen Reaktion kommt.
Auch wenn einige Details und der genaue Zeitpunkt also noch unklar sind, komme es auf die Bereitschaft und die Kapazitäten der Apotheken an, sich an der Impfkampagne durch dieses zusätzliche Angebot noch stärker zu beteiligen, so Overwiening. Sie erinnerte daran, dass sich die Apotheker vor zwei Jahren wohl auch noch nicht hätten vorstellen können, zusätzlich zu ihrem eigentlichen Versorgungsauftrag Millionen Liter Desinfektionsmittel herzustellen, Masken zu verteilen, Schnelltests durchzuführen, digitale Impfzertifikate zu erstellen, Impfdosen zu rekonstituieren und nun an die Arztpraxen auszuliefern.
Viele Mitglieder der Kammerversammlung sahen es in ihren Wortmeldungen als selbstverständlich an, sich so gut wie möglich beim Impfen zu beteiligen. Wenn 10.000 Apotheken jeden Tag jeweils zehn Impfungen durchführen würden, wären dies immerhin 100.000 am Tag. Sollten sich wirklich alle Apotheken beteiligen und an sechs Tagen die Woche jeweils zehn Impfungen durchführen, wären dies schon mehr als eine Million Impfungen pro Woche – wohlgemerkt zusätzlich zu denen der Arztpraxen. Aber selbst, wenn es deutlich weniger Apotheken sein werden: Jede zusätzliche Impfung zählt.
Auch wenn sich auf Funktionärsebene die Ärzte immer noch vehement gegen das Impfen in der Apotheke aussprechen, ob gegen Grippe oder Covid-19, die Gespräche vor Ort und Apotheken und Praxen zeichnen laut Berichten der Delegierten ein anderes Bild. So würden viele Ärzte die Entlastung beziehungsweise das ergänzende Angebot begrüßen.
»Wir sind eben in einer Krise und wir schaffen das«, appellierte Overwiening an die Apothekerschaft. »Wir brauchen diese Anstrengung, wenn wir weiterhin Teil der Lösung sein wollen.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.