AOK für mehr Hersteller statt weniger Rabattverträge |
Ev Tebroke |
03.02.2023 15:15 Uhr |
Arzneimittel nicht lieferbar: Um das Problem der Lieferengpässe anzugehen, fordert die AOK Baden-Württtemberg mehr Transparenz bei den Lieferketten sowie den Lagerkapazitäten von Großhandel und Apotheken. / Foto: PZ/Alois Müller
Die hierzulande andauernde Lieferengpass-Problematik bei Arzneimitteln hat aus Sicht der AOK Baden-Württemberg vor allem strukturelle Ursachen. Insbesondere seien mehr Wirkstoffhersteller notwendig. Die Rabattverträge hingegen seien nicht die Wurzel des Übels, sondern eher der Garant für Versorgungssicherheit. Das betont der Vorstandsvorsitzende der AOK BaWü, Johannes Bauerfeind, in einem Kommentar gegenüber dem Branchendienst »Observer Gesundheit«.
Lieferengpässe hätten sich in den letzten Jahren zu einem »großen Ärgernis in der Arzneimittelversorgung« entwickelt, konstatiert Bauernfeind. Von den 391 Arzneimitteln, die im Januar beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als vorübergehend nicht lieferbar gelistet seien, würden aber die meisten ausschließlich in Kliniken eingesetzt. Für den AOK-Chef, dessen Kasse bundesweit federführend für die Rabattvertragsvergabe ist, ist dies der Beleg dafür, dass nicht die Rabattverträge an den Lieferengpässen Schuld sind. Denn die Kliniken kauften die Medikamente direkt bei den Pharmaunternehmen zu selbst verhandelten Preisen ein. Überhaupt seien Lieferengpässe ein globales Problem und nicht vom Preisniveau abhängig, denn sowohl in der Schweiz als auch in den USA seien die Engpässe trotz höherer Nettopreise noch drastischer, so Bauernfeind. Als Lösung sollte die Regierung daher nicht bei den Rabattverträgen justieren sondern vielmehr strukturelle Reformen für diversifizierte Wirkstoffherstellung angehen. Auch die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für mehr Transparenz entlang der Lieferkette hält die AOK für sinnvoll. Dabei plädiert der AOK-Chef dafür, dem BfArM auch die Einbeziehung der Warenbestände der Apotheken zu ermöglichen. Dies sei »ohne Bürokratie machbar«. Ähnlich hatte sich zuletzt auch der GKV-Spitzenverband geäußert.
Auslöser für den Kommentar Bauernfeinds sind die geplanten gesetzlichen Maßnahmen gegen Lieferengpässe, die das BMG kürzlich in Eckpunkten angekündigt hatte und die zeitnah in ein Gesetz münden sollen. Wie zuletzt bekannt wurde, verspätet sich der für Ende Januar angekündigte Entwurf. Er soll nun im Laufe diese Quartals kommen. Laut Eckpunkte-Papier soll das BfArM mehr Überwachungsmöglichkeiten bekommen. Zudem soll bei Rabattvertragsausschreibungen neue Vergabekriterien geben.
Letzteres hält die AOK zwar für sinnvoll, aber leider EU-rechtlich nicht umsetzbar. »Eine Standortberücksichtigung im Rahmen von Rabattausschreibungen mit dem Zuschlagskriterium »Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU« ist zwar gut gemeint, scheitert jedoch absehbar an den bestehenden Vorgaben des EU-Vergaberechts«, so Bauernfeind. Das hätten die eigenen Erfahrungen der AOK-BaWü. gezeigt. Demnach hatten die AOKs genau solch ein Kriterium bei der Ausschreibung von Antibiotika verlangt. Sie wären laut AOK-Chef bereit gewesen einen höheren Preis zu zahlen, »wenn wichtige Teile der Lieferkette in der EU oder deren Freihandelszone liegen«. Dieses Konzept sei aber seitens Pharmahersteller angegriffen und vom Oberlandesgericht Düsseldorf in letzter Instanz gestoppt worden. Das Gericht habe jede Art der Privilegierung aufgrund geografischer Kriterien in der Lieferkette für nicht mit dem EU-Vergaberecht vereinbar erklärt.
Laut Bauernfeind brauche es zunächst Änderungen beim EU-Vergaberecht, damit diese »wirkungsvolle Steuerungsinstrument« zum Einsatz kommen könnte. Statt einer Diversifikation nur am Ende der Lieferkette, sprich beim Pharmahersteller durch Bindung an strengere Rabattverträge, solle die Regierung den Beginn der Lieferkette in den Blick nehmen und für ein breiteres Angebot durch wirtschaftliche Anreize sorgen.