Angriff auf die Nieren |
Als Ausscheidungsorgane sind die Nieren teilweise hohen Konzentrationen von Arzneistoffen ausgesetzt. Einige können dabei Schaden anrichten. / Foto: Getty Images/Hiroshi Watanabe
Akute und chronische Nierenkrankheiten nehmen zu. Eine Gefahr für das Ausscheidungsorgan können Medikamente sein. Die Folge sind Nierenerkrankungen oder -schäden. Oft wird eine Schädigung erst spät entdeckt. Mögliche Symptome sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit, ein allgemeines Krankheitsgefühl und eine verminderte Urinproduktion sowie Wassereinlagerungen und Juckreiz. Besonders gefährdet sind Menschen über 60 Jahren und Patienten, die eine bereits vorliegende Niereninsuffizienz, Volumenmangel, Diabetes mellitus oder Herzinsuffizienz aufweisen. Mit jedem zusätzlichen Risikofaktor steigt das Risiko für Nierenschäden.
Nephrotoxische Wirkstoffe können die Nieren auf verschiedene Weisen schädigen. Einige Medikamente wirken zelltoxisch, andere lösen eine immunologische oder allergisch bedingte Nephrotoxizität aus. Von Natur aus nephrotoxisch sind beispielsweise Aminoglykoside, Amphotericin B, Cisplatin, Kontrastmittel und Ciclosporin. Bei anderen Wirkstoffen ist die Nephrotoxizität dosisabhängig oder hängt mit einer längeren Behandlungsdauer zusammen.
Eine Kombinationstherapie mit mehreren Nephrotoxinen kann zu einer synergistischen Nephrotoxizität führen und damit das Risiko einer Nierenschädigung erhöhen. Klassisches Beispiel ist die Dreifachkombination aus einem nicht steroidalen Antirheumatikum (NSAR), Diuretikum und Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems (RAS). Der sogenannte Triple Whammy kann zur deutlichen Verschlechterung der Nierenfunktion bis hin zum akuten Nierenversagen führen.
Bei einem gesunden jungen Erwachsenen werden pro Minute etwa 120 ml Plasma unter Druck durch den Glomerulus gefiltert, was der glomerulären Filtrationsrate (GFR) entspricht. Prostaglandine regulieren den Blutfluss, indem sie die afferenten Arteriolen vasodilatieren, sodass mehr Blut durch den Glomerulus fließt. Den intraglomerulären Druck hält die Angiotensin-II-vermittelte Vasokonstriktion der efferenten Arteriole aufrecht. Medikamente mit Antiprostaglandin-Wirkung wie NSAR oder solche mit Anti-Angiotensin-II-Wirkung wie Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) können die Fähigkeit der Nieren beeinträchtigen, den glomerulären Druck zu regulieren. Die Folge ist eine verringerte GFR. Calcineurin-Inhibitoren wie Ciclosporin oder Tacrolimus kontrahieren dosisabhängig die afferenten Arteriolen. Das kann ebenfalls zu Nierenfunktionsstörungen führen.
Insbesondere proximale Tubuluszellen sind anfällig für die toxischen Wirkungen von Arzneimitteln, da sie bei der Konzentration und Rückresorption des glomerulären Filtrats hohen Konzentrationen zirkulierender Toxine ausgesetzt sind. Wirkstoffe, die die Tubuluszellen schädigen, beeinträchtigen die mitochondriale Funktion, stören den tubulären Transport, erhöhen den oxidativen Stress oder bilden freie Radikale. Beispiele für entsprechende nephrotoxische Arzneimittel sind Aminoglykoside, Amphotericin B, antiretrovirale Medikamente wie Adefovir, Cidofovir oder Tenofovir, Cisplatin, Kontrastmittel, Foscarnet oder Zoledronat.
Die akute interstitielle Nephritis kann durch eine allergische Reaktion auf ein Arzneimittel ausgelöst werden. Die verursachenden Substanzen binden vermutlich an Antigene in der Niere oder wirken als Antigene, die sich dann im Interstitium ablagern und eine Immunreaktion auslösen. Zu den potenziell auslösenden Wirkstoffen zählen Allopurinol, Antibiotika (insbesondere Betalactame, Chinolone, Sulfonamide und Vancomycin), antivirale Mittel (insbesondere Aciclovir) Diuretika (Schleifendiuretika, Thiazide), NSAR, Phenytoin, Protonenpumpenhemmer (insbesondere Omeprazol, Pantoprazol und Lansoprazol) und Ranitidin.
Eine chronische interstitielle Nephritis wurde im Zusammenhang mit Analgetika wie Paracetamol und NSAR berichtet, wenn diese chronisch in hoher Dosierung oder bei Patienten mit bereits bestehender Nierenerkrankung eingenommen wurden. Bei dieser Nebenwirkung ist eine frühe Erkennung besonders wichtig, da eine chronische interstitielle Nephritis zu einer Nierenerkrankung im Endstadium führen kann. Die Diagnose ist erschwert, da die meisten Patienten rezeptfreie Präparate nicht als Arzneimittel betrachten und die Häufigkeit der Einnahme nicht angeben.