Ampel verweist bei Temperaturkontrollen auf Länder |
Ev Tebroke |
05.12.2022 11:00 Uhr |
Hitze oder Kälte schutzlos ausgeliefert: Viele EU-Versender verschicken ihre Arzneimittel über Logistikdienstleister wie DHL. Eine Temperaturkontrolle gibt es nicht. / Foto: Imago images/U. J. Alexander
Im Sommer ist es die Hitze, im Winter die extreme Kälte, vor der die Arzneimittel beim Transport geschützt werden müssen. Eine besondere Situation herrscht dabei vor allem auch für den grenzüberschreitenden Arzneimittelversand. Denn diese Medikamente werden in der Regel über Logistikdienstleister der Post zugestellt, die nicht immer über besondere Temperaturkontrollen verfügen. Zudem werden Päckchen häufig beim Nachbarn, im Außenbriefkasten oder Treppenhaus abgelegt, wo sie Hitze und Kälte ungeschützt ausgesetzt sind.
Medikamente gelten als sensible Güter, die je nach Produkt unterschiedliche Lagerbedingungen benötigen. So gibt es neben den Medikamenten, die bei Raumtemperatur (zwischen 15 bis 25 Grad) gelagert werden dürfen auch solche, die im Kühlschrank (2 bis 8 Grad Celsius) oder tiefgekühlt (unterhalb von Minus 18 Grad Celsius) zu transportieren sind. Erfolgt der Transport nicht sachgerecht, kann das Medikament seine Wirkung verlieren oder verändern und so die Sicherheit von Patientinnen und Patienten gefährden.
Seit Jahren steht die mangelnde Temperaturkontrolle beim grenzüberschreitenden Arzneimittelversand nach Deutschland in der Kritik. Zwar müssen sich auch EU-Versender mittlerweile an die Leitlinie zur guten Vertriebspraxis von Arzneimitteln (Good Distribution Practice (GDP) halten. Dies ist seit Mitte Dezember 2020 im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) geregelt. Eine verpflichtende Kontrolle sieht das Gesetz aber nicht vor. Daran wird sich auch weiterhin nichts ändern: Die Ampelkoalition verweist bei der Frage nach einer Überwachung der Arzneimittellogistik auf die Zuständigkeit der Länder. Und hält grundsätzlich die existierenden gesetzlichen Regeln für ausreichend, wie eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion verdeutlicht, die der PZ exklusiv vorliegt.
Die Unionsfraktion hingegen sieht eine verpflichtende Kontrolle sowie Sanktionsmöglichkeiten für dringend geboten. Der rechtliche Rahmen für den sachgerechten Transport von Arzneimitteln sei zwar grundsätzlich gegeben, allerdings gebe es in der Praxis große Probleme mit der Einhaltung, heißt es in der Anfrage auf Initiative des Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger (CSU). Dies sei nach Auffassung der Verfasser insbesondere auf die unzureichenden Kontrollen und fehlende Konsequenz im Falle der Nichteinhaltung zurückzuführen.
Auf die konkrete Frage, ob etwa beim grenzüberschreitenden Arzneimittelversand Kontrollen zur Einhaltung eines sachgerechten Arzneimitteltransports erfolgten, erklärt das Bundesgesundheitsministerium (BMG): »Die Auslegung und der Vollzug arzneimittel- und apothekenrechtlicher Vorschriften und damit auch die Überwachung der Vertriebskette obliegen den zuständigen Behörden der Länder. Diese entscheiden, welche Überwachungsmaßnahmen im Einzelfall geboten sind. Hierzu gehören zum Beispiel regelmäßige sowie anlassbezogene Inspektionen durch die zuständigen Behörden.“
Wie die Länder also die Kontrolle handhaben und ob sie gegebenenfalls Logistikpartner der Versender überwachen, ist durch den Bund nicht vorgegeben. Es gibt keine verpflichtende Kontrolle. Die Bundesapothekerkammer kritisiert die laxe Handhabe und fehlende Überwachung des grenzüberschreitenden Arzneimittelversands schon lange. Denn Arzneimittel, die im Sommer schutzlos starker Hitze oder im Winter Minusgraden ausgesetzt sind, können in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden. Und gefährden somit die Patientensicherheit. Und auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (Phagro) appellierte zuletzt im Sommer an die Regierung, die ausländischen Versender endlich ebenso zu kontrollieren wie die deutschen Großhändler. Dass die Länder mit Blick auf den EU-Versandhandel eine solche Kontrolle bislang auch nicht umsetzen, zeigte zuletzt eine Recherche der PZ.
Auf die Frage, welche Möglichkeiten des Regresses bestehen, wenn ein Arzneimittel aufgrund unsachgemäßen Transports unwirksam sei oder eine geänderte Wirkung habe, führt das BMG die Krankenkassen an. Der Übergang von Regressansprüchen auf die leistende Krankenkasse sei mit dem Gesetz für mehr Sicherheit bei der Arzneimittelversorgung (GSAV) entsprechend geregelt, heißt es.
Strengere Überwachungsmaßnahmen und schärfere Sanktionierung von Logistikdienstleistern bei einem Verstoß gegen die Temperaturkontrollen hält die Regierung aber nicht für notwendig: »Maßnahmen, die über die etablierten Vorschriften hinausgehen, sind derzeit nicht geplant.«
Für Pilsinger eine enttäuschende Antwort. Auf die formelle Zuständigkeit der Bundesländer hinzuweisen, »ist einfach zu wenig, um die zahlreichen Verstöße bei den Vorschriften zur Kühlung von Arzneimitteln aufzudecken und zu ahnden, die vor allem aus dem Bereich des Versandhandels beklagt werden«, so der CSU-Politiker.
Pilsinger fordert, dass die Kassen zu entsprechenden Kontrollen der Logistiker befähigt werden sollten. »Wir brauchen eine Regelung, die einen generellen Regressanspruch gegenüber den Krankenkassen eröffnet. Die Kassen müssten - auch finanziell und personell - in die Lage versetzt werden, stichprobenartige Kontrollen durchzuführen, dass die notwendige Kühlung ununterbrochen gewährleistet ist.«