Altmaier stimmt versehentlich für Patentfreigabe |
dpa |
PZ |
07.05.2021 13:00 Uhr |
»Möglicherweise falsche Stimmkarte«: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) votierte gestern für die Freigabe von Impfstoffpatenten und damit gegen die Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses. / Foto: Deutscher Bundestag/Achim Melde
Der Bundestag hatte gestern über einen Antrag der Linksfraktion abgestimmt. Der Titel: »Patente für Impfstoffe freigeben – Weder wirtschaftliche noch nationale Interessen dürfen die Bekämpfung der Pandemie beeinträchtigen«. Mit 498 Stimmen gegen 117 Stimmen wurde der Antrag bei einer Enthaltung abgelehnt. Bei der namentlichen Abstimmung konnte eingesehen werden, welcher Politiker wie votierte. So machte etwa der Linken-Politiker Fabio De Masi auf Twitter auf Altmaiers Votum aufmerksam.
Der Bundeswirtschaftsminister reagierte prompt und schrieb auf Twitter: »Richtigstellung: Es handelt sich offenbar um einen Irrtum. Ich teile in dieser Frage die einhellige Haltung meiner Fraktion«, schrieb er auf Twitter. Anträge der Linken lehne er grundsätzlich ab. »Möglicherweise habe ich eine falsche Karte in die Urne geworfen«, schrieb er weiter. Er werde den Vorgang klären.
Zuvor hatte die US-Regierung am Mittwoch vorgeschlagen, dass der Patentschutz von Pharmafirmen auf ihre Corona-Impfstoffe vorübergehend entfallen soll. Hersteller in aller Welt könnten dann die Impfstoffe produzieren, ohne Lizenzgebühren an die Unternehmen zu zahlen, die die Mittel entwickelt haben. Die Pharmafirmen lehnen den Vorschlag ab.
Auch die Bundesregierung steht einer Freigabe von Impfstoff-Patenten skeptisch gegenüber. »Der Schutz von geistigem Eigentum ist Quelle von Innovation und muss es auch in Zukunft bleiben«, sagte eine Regierungssprecherin der »Süddeutschen Zeitung«. Der limitierende Faktor bei der Herstellung von Impfstoffen seien die Produktionskapazitäten und die hohen Qualitätsstandards, nicht die Patente an sich. Die Bundesregierung arbeite in vielerlei Hinsicht daran, »wie wir innerhalb Deutschlands und innerhalb der Europäischen Union, aber auch weltweit die Kapazitäten für die Produktion verbessern können und dies tun auch die betroffenen Unternehmen«, so die Sprecherin.
Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kritisierte den Vorstoß aus Washington. »Nur ein Patent freizugeben, sorgt noch für keine einzige zusätzliche Impfdose«, sagte er dem »Spiegel«. »Das Patent allein reicht nicht. Man muss auch wissen, wie produziert werden soll.«
Die Grünen hingegen begrüßten den Vorstoß. »Joe Biden hat den Anfang gemacht, jetzt müssen sich die Bundesregierung und die EU-Kommission auf der nächsten Sitzung der Welthandelsorganisation hinter die Schwellen- und Entwicklungsländer stellen und die Patente für Diagnostika, Medikamente und weitere Covid-19-Technologie aussetzen«, sagte die stellvertretende Grünen-Bundesvorsitzende, Jamila Schäfer, der »Augsburger Allgemeinen«.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) blieb zunächst vage. »Die ganze Welt mit Impfstoff zu versorgen, ist der einzig nachhaltige Weg aus dieser Pandemie«, sagte er. Entscheidend seien vor allem der weitere Ausbau von Produktionsstätten und mehr Exporte aus Ländern, in denen produziert werde. Dagegen zeigte sich Außenminister Heiko Maas offener für eine Aufweichung des Patentschutzes. »Wenn das ein Weg ist, der dazu beitragen kann, dass mehr Menschen schneller mit Impfstoffen versorgt werden, dann ist das eine Frage, der wir uns stellen müssen«, sagte der SPD-Politiker.
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