Alternativen zu Antibiotika |
Ansätze, die Rezidivrate von Harnwegsinfektionen zu senken, gibt es viele. Doch nicht alle sind effektiv. / Foto: Adobe Stock/Kaspars Grinvalds
Bakterielle Harnwegsinfekte sind vor allem ein weibliches Problem: Mehr als die Hälfte aller Frauen zieht sich im Laufe ihres Lebens mindestens einmal eine solche Infektion zu. Auch wenn die Spontanheilungsrate mit 30 bis 50 Prozent bei unkomplizierten Verläufen hoch ist, können die Symptome wie Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen, häufiges Wasserlassen und Harndrang belastend sein. Erst recht, wenn es sich um rezidivierende Zystitiden handelt. Das ist definitionsgemäß der Fall, wenn mindestens zwei Episoden innerhalb eines halben Jahres oder mindestens drei in zwölf Monaten der Frau zu schaffen machen.
Die derzeit in Überarbeitung befindliche S3-Leitlinie »Unkomplizierte und ambulant erworbene Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen« zeigt deutlich: Oft geht es auch ohne Antibiotikum. Bei der Wahl der Behandlung ist laut Leitlinienautoren der Wunsch der Betroffenen zu berücksichtigen. Im Beratungsgespräch ist zu vermitteln, dass der Verzicht auf das Antibiotikum in der Regel mit stärkeren Symptomen einhergeht und das Risiko für Komplikationen erhöht ist. Klagt die Patientin bereits über Symptome wie Fieber oder Flankenschmerzen, ist der Gang zum Arzt Pflicht.
PTA und Apotheker können zusammen mit der Patientin nach möglichen Ursachen für den Blasen-Dauerbrenner suchen. Verhütet sie mit einem Diaphragma und einem spermizidhaltigen Mittel? Diese Methoden erhöhen leitliniengemäß das Risiko für die klassische unkomplizierte Blasenentzündung. Möglicherweise hilft es, ein anderes Mittel zum Empfängnisschutz zu wählen. Frauen, die häufig nach dem Geschlechtsverkehr Harnwegsinfekte entwickeln, wird oft die Blasenentleerung »danach« empfohlen. Die Leitlinienautoren sprechen dazu aber von widersprüchlichen Daten. Verlässlich wirkt dagegen die Einmalgabe eines Antibiotikums wie Pivmecillinam direkt nach dem Geschlechtsverkehr. Bei der Kurzzeitanwendung sind keine Resistenzen zu erwarten.
Relativ zuverlässig senkt eine vaginale Estrogen-Therapie (0,5mg/Tag) bei Frauen in der Postmenopause die Infektrate. Durch den klimakteriumsbedingten Hormonabfall ist der vaginale pH-Wert erhöht und Escherichia coli und andere Krankheitserreger können sich leichter ansiedeln. Ob die Anwendung auch jüngeren Patientinnen hilft, ist unklar.
Keine Empfehlung hat die Leitlinie Cranberry-Präparaten zur Senkung der Rezidivrate ausgesprochen, begründet mit der widersprüchlichen Studienlage. Das sieht nun aber das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) anders . Eine Neubewertung verschiedener Studien liefere Hinweise darauf, dass die Einnahme von Cranberry-Präparaten die Rezidivrate im Vergleich zu Placebo verringern oder die Zeit bis zum ersten Rezidiv verlängern kann, teilten die Experten vom IQWiG Anfang des Jahres mit. Dazu sei die kontinuierliche Einnahme erforderlich, so die Wissenschaftler. Im Vergleich zu einer Antibiotika-Prophylaxe (Trimethoprim/Sulfamethoxazol) zeigten Cranberry-Zubereitungen einen geringeren präventiven Nutzen.
Allerdings blieb in der Analyse unklar, welche Dosis und Zusammensetzung es braucht, damit ein Cranberry-Extrakt in der Prävention von unkomplizierten Zystitiden wirksam ist. Die Studien enthielten dazu nur ungenaue Angaben. Die IQWiG-Autoren betonen, dass es hochwertiger Studien bedürfe, um diese Fragen zu klären. Die unübersichtliche Marktsituation mache es nicht leicht, den Überblick zu behalten: Cranberry-Präparate sind teils als pflanzliche Arzneimittel, teils als Nahrungsergänzungsmittel im Handel. Bei Letzteren braucht es weder ein Zulassungsverfahren noch einen Wirksamkeitsnachweis.
Nicht oder nur unzureichend konnte die IQWiG-Analyse belegen, wie gut andere pflanzliche Präparate wiederkehrenden Blaseninfekten vorbeugen können. Da sieht die Leitlinie mehr Potenzial, etwa in der fixen Kombination aus Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel (Angocin® Anti-Infekt N). Aus den enthaltenen Senfölglykosiden werden in der Blase antimikrobielle Isothiocyanate (Senföle) freigesetzt. Am verträglichsten ist die Einnahme nach dem Essen, da Senföle den Magen-Darm-Trakt reizen können. Die Leitlinie empfiehlt die Kombination zur Prophylaxe häufig wiederkehrender Blasenentzündungen genauso wie die antibakteriell wirkenden Bärentraubenblätter (wie Arctuvan®, Cystinol® akut). Deren entscheidender Inhaltsstoff ist das Prodrug Arbutin, aus dem pathogene Keime in der Blase bakteriostatisches Hydrochinon freisetzen – unabhängig vom pH-Wert des Urins. Da Arbutin lebertoxisch wirkt, begrenzen die Leitlinienautoren die prophylaktische Anwendung auf maximal einen Monat.
Andere Phytopharmaka wie die Fixkombination aus Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern zeigen in vitro entzündungshemmende, schmerzlindernde, krampflösende sowie antiadhäsive Eigenschaften. Canephron® Uno ist bislang das einzige Phytopharmakon zur Behandlung einer Blasenentzündung, dessen Wirksamkeit in einer größeren validen Studie direkt mit einem Antibiotikum verglichen wurde. Dabei erwies es sich hinsichtlich der Reduktion von Symptomen und der Gabe zusätzlicher Antibiotika gleichwertig zur Fosfomycin-Gabe.
Ein positives Votum geben die Leitlinienautoren auch den Prophylaxe-Fähigkeiten der D-Mannose (wie Femannose®). In einer kontrollierten Studie erwies sich die regelmäßige Einnahme von täglich 2 g D-Mannose in einem Glas Wasser bei Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten als ebenso effektiv wie eine Langzeitprophylaxe über sechs Monate mit täglich 50 mg Nitrofurantoin. Da der Einfachzucker kaum resorbiert wird, gelangt das Monosaccharid fast vollständig in die Blase. Dort fängt es E.-coli-Bakterien ab, bevor sie sich mit ihren Fimbrien an die natürlich im Urothel vorkommende Mannose anheften können. Die Bakterien werden dann über den Urin ausgeschieden. Hinweis: D-Mannose ist auch in Cranberrys enthalten.
Aktuell ist die Beobachtung englischer Wissenschaftler, dass die Einnahme des Antiseptikums Methenamin ebenso gut ständigen Harnwegsinfektionen vorbeugen kann wie ein Antibiotikum. Wie die Forscher im Fachjournal »BMJ« berichten, nahmen dazu 240 erwachsene Frauen an der Studie teil, die im Jahr zuvor durchschnittlich jeweils mehr als sechs symptomatische Rezidive erlebt hatten. In die Intention-to-treat-Analyse gingen 102 Frauen ein, die ein Jahr lang prophylaktisch ein Antibiotikum anwendeten (einmal täglich Nitrofurantoin 50 oder 100 mg, Trimethoprim 100 mg oder Cephalexin 250 mg), und 103 Frauen, die ebenfalls für ein Jahr zweimal täglich 1 g Methenamin einnahmen. Die antiseptische Wirkung beruht darauf, dass im sauren Milieu des Harns von weniger als pH 5,5 Formaldehyd abgespalten wird. Allerdings ist die Substanz hierzulande aufgrund des potenziell karzinogenen Formaldehyds nicht im Handel. Gänzlich anders arbeitet das in Deutschland verfügbare Vaginalantiseptikum Octenidinhydrochlorid (Octenisept®), ebenfalls für bakterielle und pilzbedingte Infektionen zugelassen.
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Muss man Frauen mit Verdacht auf Harnwegsinfektion zumuten, eine Probe vom Mittelstrahlurin zu gewinnen? Forschende aus Dänemark und Spanien sagen Nein. Die Ergebnisse ihrer Literaturübersicht, die im Juni im Wissenschaftsjournal »Family Practice« veröffentlicht wurden, deuten nämlich an, dass sich der Aufwand, der für die Gewinnung von sauberem Mittelstrahlurin erforderlich ist, nicht lohnt. Die Wissenschaftler formulieren es so: »Es gibt keine einheitliche Evidenz, die einen Unterschied in der diagnostischen Genauigkeit oder dem Anteil kontaminierter Proben zwischen den einzelnen invasiven Techniken der Uringewinnung nahelegt.« Schließlich müsse man bedenken, dass es vor allem älteren Frauen Probleme bereite, die Vorgaben für die Gewinnung des Mittelstrahlurins einzuhalten. Ihr Fazit: »Je leichter und akzeptabler die Methode, desto besser.«