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Weniger Karenz, mehr Toleranz

Allergien bei Babys vorbeugen

Bei den Empfehlungen zur Allergieprävention bei Babys hat es einen Paradigmenwechsel gegeben: Statt Allergenkarenz ist Toleranzinduktion angesagt. Was heißt das konkret? Die Stiftung Kindergesundheit informiert.
PZ
18.04.2023  09:00 Uhr

»Mehr als zwei Millionen Kinder in Deutschland leiden unter Heuschnupfen, allergischem Asthma, Neurodermitis oder einer Allergie gegen Nahrungsmittel«, heißt es in einer Mitteilung der Stiftung Kindergesundheit. Um dem vorzubeugen, galt lange die Empfehlung zur Karenz. So sollten bei erhöhtem Allergierisiko in der Familie etwa potenzielle Allergene wie Hausstaub und Pollen, Eier, Fisch, Nüsse und Tierhaare während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie im frühen Kindesalter möglichst gemieden werden.

Mittlerweile habe es jedoch einen Paradigmenwechsel gegeben, informiert die Stiftung weiter: »Es wurde immer deutlicher, dass Verzögern und Vermeiden von Lebensmitteln mit allergenem Potenzial das Immunsystem von Kindern in eine falsche Richtung programmieren kann«, erläutert Professor Dr. Berthold Koletzko, Stoffwechselexperte der Universitätskinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. »Ein früher Kontakt zu den vielfältigen Mikroben und Allergenen der Umwelt dagegen mobilisiert die Abwehrkräfte und führt so zu einer normalen Immunantwort und zum Aufbau einer Toleranz gegen Umweltantigene«, führt er aus.

Statt Allergenkarenz wird heute also eher zur Gewöhnung oder Toleranzinduktion geraten. Was heißt das konkret?

  • Schwangere und Stillende müssten nicht auf bestimmte Nahrungsmittel verzichten, informiert die Stiftung, denn für einen Nutzen gebe es keine Belege. »Schwangere sollten sich nach Lust und Laune, freilich möglichst ausgewogen und abwechslungsreich ernähren«, empfiehlt Koletzko. »Spezielle Lebensmittel sind in aller Regel nicht notwendig. Schwangere sollten stattdessen auf eine mannigfaltige und nährstoffdeckende Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und im ersten Lebensjahr achten. Auch Fischmahlzeiten sind empfehlenswert.«
  • Generell gilt die Empfehlung zum Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten – für die Dauer von mindesten vier Monaten ausschließlich. Auch nach der Einführung von Beikost sollte weitergestillt werden, betont Koletzko. Könne nicht mehr (ausreichend) gestillt werden, sei handelsübliche Säuglingsanfangsnahrung geeignet. Auch hypoallergene Nahrung (HA-Nahrung), bei der das Milcheiweiß aufgespalten oder hydrolysiert ist, gälten als sicher und würden von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin als eine mögliche Option bewertet. Sojanahrung, Ziegenmilch oder Getreidedrinks seien zur Allergievorbeugung nicht geeignet.
  • »Eine frühe Einführung von Beikost schadet nicht, sondern bringt sogar einen Nutzen«, heißt es seitens der Stiftung Kindergesundheit weiter. Ein Beginn der Beikostfütterung – auch von Lebensmitteln mit hohem allergenen Potenzial – im Alterszeitraum zwischen etwa vier und sechs Monaten reduziere das Allergierisiko im Vergleich zu einem späteren Beikostbeginn mit sechs Monaten.
  • Ab dem vollendeten vierten Lebensmonat sollten Kinder möglichst zügig eine vielseitige Kost kennenlernen, am besten alles, was in ihrer Familie gegessen wird, rät die Stiftung. Eine Einschränkung gebe es allerdings bei Eiern: »Zur Prävention einer Allergie gegen Hühnereiweiß wird die regelmäßige Gabe von durcherhitztem Hühnerei ab dem fünften Lebensmonat (also im Alter von vier abgeschlossenen Monaten) mit der Einführung der Beikost empfohlen. Das heißt: Eier für das Kind nur in verbackener Form oder hart gekocht, aber kein rohes Ei und auch kein Rührei.«
  • »Haustiere gelten nicht mehr als Allergierisiko«, stellt die Stiftung Kindergesundheit klar. Kinder, die in den ersten drei Lebensjahren mit Hunden aufwachsen, entwickelten sogar seltener Allergien und Asthma als Kinder ohne Hunde. Für die Abschaffung bereits vorhandener Hunde und Katzen aus Gründen der Allergievermeidung bestehe also kein Grund. Jedoch sollte, wenn in einer Familie hohes Allergierisiko besteht oder das Kind bereits unter Neurodermitis leidet, keine Katze neu angeschafft werden.
  • Die Verwendung milbenallergendichter Matratzenüberzüge ist laut der Stiftung Kindergesundheit nur dann nützlich, wenn jemand in der Familie bereits unter einer nachgewiesenen Allergie gegen Hausstaubmilben leidet.

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