Pregabalin: Ärzte warnen vor Missbrauch |
Im Raum München werden immer mehr Drogenkonsumenten wegen Überdosierungen mit dem Arzneistoff Pregabalin (Lyrica® und Generika) oder zum Entzug des Medikaments behandelt. Auch die Zahl der Suizidversuche mit dem Medikament steigt dort an. Das melden Mediziner der Technischen Universität München (TUM) in der neuen Ausgabe der «Deutschen Medizinischen Wochenschrift». «München ist nicht die erste Stadt und Deutschland sicher nicht das einzige Land mit einem Lyrica-Problem», heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung. Doch verzeichne München zurzeit besonders hohe Fallzahlen.
Demnach sind in den Jahren 2008 bis 2011 an der TUM null bis fünf Fälle von Pregabalin-Missbrauch pro Jahr aufgetreten. 2015 mussten bereits 105 Patienten deshalb behandelt werden. «Pregabalin ist nach Opiaten, Benzodiazepinen, Cannabis und Alkohol zur fünfthäufigsten missbrauchten Substanz aufgestiegen», kommentiert Koautor Nicolas Zellner, der an der TUM in der Abteilung für klinische Toxikologie und Giftnotruf München tätig ist. Bei zwei Dritteln der Patienten fanden die Toxikologen vier oder mehr Substanzen im Blut. «Patienten, bei denen bereits eine Suchterkrankung besteht, greifen häufig auch zu Pregabalin», so die Autoren.
Die Entwicklung spiegelt sich auch beim Münchener Giftnotruf wider: Dort verzeichnete man 2008 lediglich drei Anrufe wegen Pregabalin. 2015 seien es 71 gewesen. Die Zahl der Selbstmordversuche mit Pregabalin habe allein im Jahr 2015 bei 90 gelegen, heißt es zudem in der Studie.
Das Medikament Lyrica® mit dem Wirkstoff Pregabalin ist seit 2004 in Deutschland verfügbar. Zugelassen ist es zur Vorbeugung epileptischer Anfälle sowie zur Behandlung neuropathischer Schmerzen. Als GABA-Analogon wirkt Pregabalin ähnlich wie Benzodiazepine. Pharmakologen stuften das Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin zunächst als gering ein. Doch den Studienautoren zufolge erzeugt die Einnahme größerer Menge oder in Kombination mit Alkohol oder Methadon einen Kick, was zum Missbrauch verleitet.
Typische Symptome eines Pregabalin-Missbrauchs sind Atemnot, Unruhe, Aggressionen, Halluzinationen, epileptische Anfälle und Bewusstseinseintrübungen. Vergiftungen verlaufen den Autoren zufolge üblicherweise mittelschwer bis schwer. Bei Entzug kommt es zu Unruhe, Zittern, Übelkeit, Durchfall, Schlafstörungen und Kopfschmerzen. (dh)
DOI: 10.1055/s-0043-104228
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29.09.2017 l PZ
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