Zyto-Apothekerschaft sieht kein Einsparvolumen |
Ev Tebroke |
21.07.2023 15:05 Uhr |
Apotheken, die Infusionen zur Chemotherapie herstellen, können die Einkaufspreise für die erforderlichen generischen Wirkstoffe und Biosimilars mit den Herstellern individuell verhandeln. Die Kassen erstatten einen in der Hilfstaxe festgelegten Fixpreis. / Foto: picture alliance / Rolf Vennenbernd/dpa
Eine halbe Milliarde Euro: Das ist die Summe, die laut einem Bericht des ARD-Magazins »Monitor« die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) pro Jahr einsparen könnte, wenn sie die Preisvorgaben für die Apotheken bei der Zytostatika-Herstellung strenger reglementiert. In dem Report, gesendet am 20. Juli 2023, kritisiert der sächsische Apotheker Robert Herold, dass Zytostatika-Rezepte teilweise mehr als 1000 Euro pro Verordnung Gewinn bringen können. So hätten die Krankenkassen etwa im Jahr 2022 für eine Packung des Wirkstoffes Bevacizumab 1109 Euro an den Apotheker gezahlt, beim Großhandel kostete die Packung jedoch nur 360 Euro. Dies sei kein Einzelfall, so Herold, und kritisierte dies Praxis als »moralisch verwerflich«.
Der Verband der Zytostatika herstellenden Apotheken (VZA) wehrt sich gegen die Vorwürfe: »Das im Bericht behauptete Einsparvolumen in Höhe von 500 Millionen Euro zugunsten der Krankenkassen existiert tatsächlich nicht«, heißt es in einem gemeinsamen Statement von VZA-Präsident Klaus Peterseim und VZA-Geschäftsführerin Christiane Müller. Zwar seien dem Verband die Einkaufskonditionen der einzelnen Apotheken nicht bekannt. Aber dass die im Beitrag genannte Zahl falsch sei, ergebe sich schon aus nachfolgenden Überlegungen: »In der ambulanten onkologischen Versorgung werden jährlich Infusionstherapien mit einem Marktvolumen von insgesamt circa 2,2 Milliarden Euro hergestellt. Der weitaus größte Anteil hiervon, circa 1,73 Milliarden Euro, entfällt auf innovative patentgeschützte Arzneimittel. Circa 460 Millionen Euro an Marktvolumen entfallen auf die Gruppe der Biosimilars und Generika.« Und nur im Bereich der Biosimilars und Generika seien für die Apotheken überhaupt Rabatte bei den pharmazeutischen Unternehmen oder Großhändlern realisierbar, heißt es seitens des VZA.
Was die Preisgestaltung betrifft, so verweist der VZA auf die sogenannte »Hilfstaxe«. Dieses Vertragswerk zwischen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und dem Deutschen Apothekerverband DAV regelt die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen. Der VZA kritisiert, dieses »erfolgreiche Instrument« zur Preisgestaltung werde in dem Monitor-Beitrag »komplett ausgeblendet«.
Da in Infusionstherapien eingesetzte Fertigarzneimittel nicht der Arzneimittelpreisbindung unterliegen, können laut VZA die Einkaufspreise der in den parenteralen Zubereitungen verwendeten Fertigarzneimittel durch die herstellenden Apotheken individuell ausgehandelt werden. Der Verband betont dabei: »Das Einwerben von Einkaufsvorteilen erfolgt aber im Interesse und zugunsten der Versichertengemeinschaft. Das Erzielen günstiger Einkaufspreise wirkt sich über den Mechanismus der Hilfstaxe unmittelbar zugunsten der Krankenkassen aus.« Der Abrechnungspreis für parenterale Zubereitungen sei jeweils das Ergebnis einer »durchaus intensiven« Verhandlung zwischen GKV-Spitzenverband und DAV, in der die aktuelle Rabattsituation zeitnah durch angepasste Erstattungspreise berücksichtigt werde. So sehe die Hilfstaxe in ihrer aktuellen Fassung vom 15. April 2023 mittlerweile Rabatte der Apotheken auf einzelne Substanzen von bis zu 83,7 Prozent auf Generika und 67,5 Prozent auf Biosimilars vor. »Damit werden definitiv erhebliche Einsparpotenziale zugunsten der Versichertengemeinschaft durch die Apotheken gehoben«, heißt es in der Stellungnahme.
Dass trotz der hohen Abschläge der Hilfstaxe ein Teil der Einkaufsvorteile bei der Apotheke verbleibt, ist nach Ansicht des VZA zwingend erforderlich. Der Verband hält die Herstellungspauschale für die Herstellung und Abgabe der parenteralen Zubereitungen trotz der erst kürzlich erfolgten Anhebung auf 100 Euro für zytostatikahaltige parenterale Zubereitungen für »nachweislich nicht auskömmlich«. Unter Berufung auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten der REFA vom 20. August 2018 und dessen Aktualisierung vom 26. Mai 2022 fordert der VZA einen Arbeitspreis von rund 147 Euro.
Der AOK-Bundesverband sieht das anders und hält das Instrument Hilfstaxe für nicht zielführend. »Seit Jahren problematisiert die AOK-Gemeinschaft die bestehenden Einkaufsvorteile für Apotheken bei Krebsmedikamenten. Die aktuell bekannt gewordenen Listen zeigen nun, dass es diese Vorteile tatsächlich immer noch gibt«, so die AOK in einem Statement zum »Monitor«-Bericht. Der Report des Rechercheverbunds belege zudem, dass die derzeit gesetzlich vorgesehenen Verhandlungsinstrumente der Krankenkassen nicht geeignet seien, um zu einer fairen Vergütung zu kommen. Notwendige Preisanpassungen würden mithilfe der sogenannten Hilfstaxe nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung und – im Rahmen der vorgesehenen Verhandlungslösung über eine Schiedsentscheidung – auch nur teilweise durchgesetzt werden können, so die AOK-Kritik.