Zwischen Über- und Unterversorgung |
| Daniela Hüttemann |
| 17.11.2025 18:00 Uhr |
Ein Reflux kommt nicht immer durch »zu viel Säure«. Statt eines PPI können klassische Antazida und pflanzliche Alternativen sinnvoll sein. / © Getty Images/brizmaker
»PPI sind keine reinen Antireflux- oder Magenschutzmedikamente, sondern spezifische Hemmer der Säureproduktion im Magen«, betonte kürzlich der Gastroenterologe und langjährige Leitlinienautor Professor Dr. Joachim Labenz bei der Scheele-Tagung. Er riet den Apothekerinnen und Apothekern, Selbstmedikationswünsche wegen Reflux oder Sodbrennen zu hinterfragen: Wird wirklich zu viel Säure produziert – oder ist die Säure nur am falschen Platz, nämlich in der Speiseröhre?
»Reflux per se ist keine Säurekrankheit«, so Labenz. Direkt in den ersten Minuten nach der Nahrungsaufnahme würde die Säurebildung in der »Acid Pocket« direkt im oberen Magen erfolgen – »das erfolgt automatisch und ist durch PPI nicht verhinderbar«, erläuterte der Referent. Das Grundproblem sei meist eine Störung der Refluxbarriere. Er beruhigte zugleich: Die Entwicklung von Krebs der Speiseröhre durch Reflux sei mit vier von 10.000 GERD-Patienten relativ gering (GERD: gastroösophageale Refluxkrankheit).
Anhand der Symptome allein lasse sich die Diagnose GERD nicht stellen. »Wenn Sie wissen wollen, ob jemand eine Refluxkrankheit hat, müssen Sie nachweisen, dass die Symptome auf Reflux beruhen. Dafür gibt es ein großes Tableau an Untersuchungen.« Doch von einer umfassenden Diagnostik für alle ist die Leitlinie mittlerweile abgerückt.
Lange Jahre galt bei Refluxbeschwerden: PPI für alle. Erst 2023 gab es einen Paradigmenwechsel bei den Therapiezielen, auch weil man feststellen musste, dass eine Symptomkontrolle bei 30 bis 50 Prozent der Refluxpatienten mit PPI nicht gelingt. Und auch eine dauerhafte PPI-Verordnung, um die Remission zu erhalten, sei nur bei etwa 5 Prozent der Patienten nötig. »PPI sind bei Reflux nicht out, aber man muss im Einzelfall überlegen, ob man nicht auch etwas anderes einsetzen kann.«
Therapieziel sei heute eine zufriedenstellende Symptomkontrolle. Dazu sollten laut S2k-Leitlinie »Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis« (Stand März 2023) vor allem Allgemeinmaßnahmen umgesetzt werden. »Eine Gewichtsreduktion um drei bis vier BMI-Punkte ist genauso wirksam wie ein PPI«, verdeutlichte Labenz. Die Ernährung sollte optimiert und das Rauchen eingestellt werden. Nachts empfiehlt sich die linke Seitenlage. Auch Zwerchfelltraining ist empfehlenswert. Dafür gibt es spezielle Geräte, aber auch Singen trainiert die entsprechende Muskulatur.