Zweite Corona-Impfdosis nicht hinauszögern |
Daniela Hüttemann |
04.01.2021 13:56 Uhr |
Ziel sollte es nicht nur sein, möglichst schnell möglichst viele Menschen zu impfen, sondern dabei auch auf einen ausreichenden Schutz zu achten, indem die zweite Dosis zulassungsgerecht verimpft wird. / Foto: Adobe Stock/Halfpoint
Eigentlich ist vorgesehen, dass die zwei Covid-19-Impfungen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer (Comirnaty®) im Abstand von mindestens drei Wochen erfolgen. In Großbritannien empfehlen die Behörden bereits einen größeren Abstand, um mehr Menschen schnell zumindest einen gewissen Schutz gegen Covid-19 zu bieten. Sie gehen davon aus, dass eine Hinauszögerung auf bis zu zwölf Wochen die Wirksamkeit nicht beeinträchtigt. Dies bezieht sich auch auf den am 30. Dezember in Großbritannien, bislang aber nicht in der EU zugelassenen Vektorimpfstoff AZD1222 von Astra-Zeneca (Covid-19 Vaccine AstraZeneca), bei der gemäß der Notfallzulassung die zweite Dosis in einem Intervall von vier bis zwölf Wochen erfolgen soll, wobei hier sogar von einer besseren Wirkung bei längerem Abstand ausgegangen wird.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), die aufgrund des Brexits nicht mehr für Großbritannien zuständig ist, ist da zurückhaltender. Zwar sei eine Obergrenze für den zeitlichen Abstand zwischen den Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffs nicht explizit definiert, der Nachweis der Wirksamkeit basiere aber auf einer Studie, bei der die Verabreichung der Dosen im Abstand von 19 bis 42 Tagen erfolgte, teilte die EMA am Freitag der Deutschen Presse-Agentur auf Nachfrage mit. Eine Verabreichung etwa im Abstand von sechs Monaten stehe nicht im Einklang mit den Bestimmungen und wäre demnach als Off-Label-Anwendung zu werten. Konkret bedeute dies, dass eine solche Änderung eine Änderung der Zulassung sowie mehr klinische Daten zur Unterstützung einer solchen Änderung erfordern würde, »da es zurzeit keine Daten gibt, die einen Schutz nach der ersten Dosis über zwei bis drei Wochen hinaus zeigen«.
Auch der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Professor Dr. Klaus Cichutek, hatte zuvor laut dpa erklärt, aus seiner Sicht sei die bisherige Vorgehensweise sehr vernünftig und richtig. Denn dazu lägen die entsprechenden Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten vor. Dagegen hatte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut, Professor Dr. Thomas Mertens, gesagt: »Da der Abstand zwischen beiden Impfungen mit großer Wahrscheinlichkeit in weiten Grenzen variabel sein kann und der Schutz auch nach einer Impfung schon sehr gut ist, ist es durchaus überlegenswert, bei Impfstoffmangel zunächst bevorzugt die erste Impfung zu verabreichen.« Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat inzwischen schon die STIKO gebeten, vorliegende Daten und Studien zu sichten, auszuwerten und eine Empfehlung in dieser Frage abzugeben. Das geht aus einem Dokument des BMG hervor. Eine solche Entscheidung in Abweichung von der Zulassung bedürfe einer vertieften wissenschaftlichen Betrachtung und Abwägung.
Auch der Apothekerverband Nordrhein hat nun fachlich Stellung bezogen. Man dürfe im Moment
nicht davon abweichen, drei Wochen nach der ersten Corona-Impfung die zweite Impfung durchzuführen, sagte dessen Vorstandsvorsitzender Thomas Preis heute gegenüber der »Rheinischen Post«. Erst mit der
zweiten Impfung nach drei Wochen erreiche man den mehr als 90-prozentigen Impfschutz. »Wir wollten alle einen sicheren und wirksamen Impfstoff. Jetzt haben wir ihn, und daran sollten wir auch nicht ohne weitere Studien etwas daran ändern«, so Preis.
Stattdessen gibt es eine einfach Möglichkeit, mehr Menschen als geplant zu impfen, auf die Preis auch verwies: So lassen sich aus dem Mehrdosenbehältnis von Comirnaty nach Verdünnung sechs statt der vorgesehenen fünf Impfdosen entnehmen, wie herstellende Apotheker und PTA wissen. Der Entnahme dieser zusätzlichen Dosis hatte das Bundesgesundheitsministerium vergangene Woche per Schreiben an die Bundesländer zugestimmt. Allerdings darf eine Dosis nicht aus verschiedenen Fläschschen gepoolt werden, sondern muss komplett aus einer Ampulle entnommen werden.
Der Vektorimpfstoff von Astra-Zeneca ist in der EU noch nicht zugelassen. Zwar ging er am 1. Oktober 2020 als erster Covid-19-Impfstoff überhaupt ins Rolling-Review-Verfahren, doch verzögerte sich die Begutachtung aufgrund von Studienunterbrechungen und Pannen. Ein Zulassungsantrag liegt wohl noch nicht vor. Am 30. Dezember teilte die EMA mit, Fortschritte bei der Begutachtung zu machen. Kurz vor Weihnachten sei ein weiteres Datenpaket eingetroffen.
Derzeit liegen der EU-Behörde Zwischenanalysen von vier klinischen Studien vor, die in Großbritannien, Brasilien und Südafrika durchgeführt werden. Weitere Daten werden diesen Monat erwartet. Ein konkretes Datum für die Beratung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) für die Astra-Zeneca-Vakzine nannte die EMA jedoch noch nicht. Sie sei sich der vorläufigen Zulassung in Großbritannien bewusst, betonte aber, dass es sich um eine andere Art von Zulassung handle als in der EU vorgesehen.
Die EMA arbeite an einer sogenannten bedingten Zulassung, die als umfassender gilt als die vorläufige oder Notfallzulassungen der USA und Großbritanniens, was unter anderem auch Haftungsfragen betrifft.