»Zuwendung ist eines der kostbarsten Güter« |
Jennifer Evans |
26.04.2023 13:00 Uhr |
Für die Apothekerin Franziska Scharpf beginnt mit den honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen eine Ära, in der man endlich richtig »für die Pharmazie leben kann«, wie sie auf dem Podium beim DAV-Wirtschaftsforum betonte. / Foto: PZ/André Wagenzik
Jahrelang hatten die Apotheken dafür gekämpft, vergütete pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) anbieten zu dürfen. Als die gesetzlichen Regelungen mit dem Vor-Ort-Stärkungsgesetz (VOASG) endlich dafür geschaffen waren, fiel deren Start in eine ungünstige Zeit: Nach wie vor kostet das Lieferengpass-Management die Apothekenteams viel Zeit und Energie, die sie seit dem vergangenen Sommer gern in den Ausbau der neuen Angebote gesteckt hätten.
Wie schaffen sich die Apothekenteams aber dennoch Raum für die neuen Aufgaben, die ihnen nach eigenen Angaben sehr am Herzen liegen? Denn für sie belebt es den Job mit Verantwortung und Wertschätzung.
Franziska Scharpf, Mitinhaberin einer Apotheke in Sonthofen im Oberallgäu, berichtete, dass es zwar in der derzeitigen Situation oft schwierig sei, Zeit zu finden, aber die müsse man sich eben einfach nehmen. Dr. Sebastian Michael, Inhaber einer Apotheke im sächsischen Waldheim, hat sich zum Ziel gesetzt, die erweiterte Medikationsberatung drei bis fünfmal pro Woche anzubieten. Ein generell »schnelleres Tempo bei der Umsetzung« der neuen Leistungen hätte sich Ilias Essaida, Pharmazeut im Praktikum aus Berlin, gewünscht.
Grundsätzlich helfe es, vorab standardisierte Fragebögen zu erarbeiten, wie die angestellte Apothekerin Annika Umlauft berichtete. Auch Michael geht in seinem Team gern strukturiert vor und organsiert Termine für pDL in einem Outlook-Kalender. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive empfiehlt er seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern demnach, sich bei der Leistungserbringung bei den mit den Krankenkassen vereinbarten 1 Euro pro Minute einzupendeln, damit die Tätigkeit angesichts der festgelegten Vergütungshöhe nicht zum Minusgeschäft wird.
Die neuen Services effektiv in den Alltag zu integrieren, hält auch Scharpf für extrem wichtig. Doch die Realität sieht in Umlaufts Erfahrung oftmals anders aus: »Man kann nicht alles mit der Stechuhr erfassen«, sagte sie. Außerdem brächten die zusätzlich investierten Minuten die Kundinnen und Kunden zurück und befeuerten zudem die Mund-zu-Mund-Propaganda. »Das ist doch das Beste, was uns passieren kann«, bekräftigte auch Scharpf. Ihre Apotheke hat nach eigenen Angaben bereits neue Kunden durch die Zusatzangebote gewonnen.
Darüber hinaus lassen sich Michaels Auffassung nach einige Leistungen in andere Beratungsgespräche integrieren. So wäre bei vielen Patienten mit Polymedikation ohnehin oft ein blutdrucksenkendes Medikament dabei, sodass die Kombination mit dem Service Blutdruckmessen sinnvoll erscheint. »Zuwendung ist eines der kostbarsten Güter«, stellte er klar, und verbunden mit Sicherheit mache es am Ende alle Beteiligten im System glücklich.
Eine Bereicherung stellen die pDL auch für die Apothekenteams dar. Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass dadurch das Kundenverhältnis inniger wird. Zudem schätzten es die Mitarbeitenden der Offizinen, komplexere Aufgaben zu übernehmen, und so gleichzeitig mehr Wertschätzung von den Patienten zu erleben. Scharpf: »Dafür haben wir doch Pharmazie studiert.« Auch die Zusammenarbeit mit den Ärzten hat sich demnach häufig verbessert.
Auch die PTA würden sich gern noch stärker einbringen, als dies bislang möglich ist, brachte Michael ein. Geht es nach ihm, sollte man überlegen, künftig »nicht zu sehr das Standesbewusstsein zu pflegen«, sondern weitere Teile der Leistungen an PTA auszugliedern.
Wären flexiblere Herangehensweisen nicht auch für andere Bereiche denkbar? Ließen sich einige Tätigkeiten etwa aus dem Homeoffice erledigen wie beispielsweise die Erstellung eines Medikationsplans? Michael lehnt den Gedanken vor allem aus Datenschutzgründen ab. »Der jeweilige Mitarbeiter müsste dann von Zuhause aus auf das Apothekensystem zugreifen«, gibt er zu bedenken.
Scharpf sorgt sich in erster Linie um den Teamgeist, sprich, wenn Approbierte zeitweise ins Homeoffice dürfen, PTA aber nicht. Eine Lösung aus ihrer Sicht wäre es, feste Bürozeiten zu vergeben, während denen Vorbereitungstätigkeiten mit entsprechender Ruhe möglich sind.
Für den Offizin-Nachwuchs spielt das Thema Homeoffice dagegen (noch) eine weniger große Rolle, wie Essaida bemerkte. Seine Generation setze eher auf eine »ausgewogene Work-Life-Balance« und nehme nicht gern Arbeit mit nach Hause. Er schränkte jedoch ein, dass sich dies nach der Familiengründung ändern könnte.