Wirtschaft & Handel


Leistungsadressat der Apotheke ist in der Hauptsache der Patient, der
als Kunde und meist als pharmazeutischer Laie die Apotheke betritt. Er
benötigt eine Beratung durch die Apothekerin und den Apotheker und bietet
der Apotheke die Chance zum Warenumsatz - aufgrund des
Arzneimittelangebots und der pharmazeutischen Beratung. Eine
entsprechende Wertschätzung des Kunden seitens der Apotheke ist
Voraussetzung. Dies kann eine zufriedenstellende, sofortige Belieferung mit
dem verordneten Arzneimittel, eine umfassende und fundierte Beratung
oder eine besondere Dienstleistung sein.
Die betriebswirtschaftliche Grundlagenforschung der Treuhand Hannover
Steuerberatungsgesellschaft hat sich im Rahmen ihrer Untersuchungen ausführlich mit
den Apothekenkunden und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung auseinandergesetzt. Ziel
ist es, Zusammenhänge aufzuzeigen und Ansätze für Problemlösungen zu liefern. An
dieser Stelle weisen wir darauf hin, daß wegen der unterschiedlichen
Apothekenmerkmale je nach Region die Kennzahlen und Auswertungen in diesem
Artikel getrennt nach Ost und West erstellt wurden. Die grundsätzlichen Aussagen
gelten jedoch immer für beide Teile.
Wieviele Kunden kommen in die Apotheken?
Im Durchschnitt bedienen die Apotheken im Westen nur rund 55 500 Kunden und
im Osten dagegen rund 59 900 Kunden pro Jahr. Bei knapp 50 Prozent der
Apotheken bewegt sich die Jahreszahl zwischen 30 000 und 60 000. Im Westen
müssen rund 10 Prozent aller untersuchten Apotheken mit weniger als 30 000
Kunden im Jahr auskommen, während es im Osten nur rund 6 Prozent sind.
Betrachtet man den Bereich "über 90 000 Kunden", dann fällt auf, daß im Osten
rund 14 Prozent aller Apotheken in dieser Klasse zu finden sind, während es im
Westen nur circa 8 Prozent sind. Auffallend war auch dies: Bei Apotheken mit
hohen Hand- beziehungsweise Barverkaufsanteilen ist die Kundenzahl weit höher als
bei GKV-starken Apotheken.
Wieviel Umsatz pro Kunde?
Ohne Umsatzsteuer liegen über 70 Prozent der West-Apotheken zwischen 30 und
50 DM Umsatz je Kunde. Im Osten liegt dieser Umsatz bei mehr als der Hälfte der
Apotheken zwischen 40 und 50 DM
Ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für Apotheken ist das Verhältnis von
Handverkaufs- zu GKV-Umsätzen. Die untersuchten Apotheken wurden dazu nach
sogenannten Handverkaufsklassen (Anteil des Handverkaufs am Gesamtumsatz)
eingeteilt und differenziert untersucht.
In handverkaufsstarken Apotheken (viel Selbstmedikations- und Barumsatz) tätigt
ein Kunde pro Besuch einen geringeren durchschnittlichen Umsatz als in
GKV-starken Apotheken. Deutlich wird hier, daß der Umsatz je
Selbstmedikationspackung (12 DM) geringer ist als der einer GKV-Packung (32
DM). Dieser Tatbestand eines geringen Umsatzes gewinnt um so mehr an
Bedeutung, je weniger Rezepte in der Apotheke eingelöst werden und je geringer
der Rezeptschnitt ist.
HV-starke Apotheken haben viele Kunden und verkaufen deshalb auch mehr
Packungen als GKV-starke Apotheken, so das Ergebnis unserer Untersuchung.
Wieviele Packungen pro Apothekenbesuch?
Nun könnte man annehmen, daß der oben festgestellte geringere Durchschnittspreis
je Packung in den HV-starken Apotheken durch eine höhere Packungsmenge je
Verkaufsvorgang zumindest teilweise kompensiert wird. Das trifft so jedoch nicht zu.
Je mehr Handverkaufsumsatz in einer Apotheke getätigt wird, um so weniger
Packungen werden durchschnittlich bei einem Kundenbesuch verkauft. Die geringere
Packungsmenge trifft dabei, wie bereits aufgezeigt, auf einen geringeren Umsatz.
Insgesamt ergibt sich dabei im Normalfall für HV-starke Apotheken ein geringerer
Gesamtumsatz (HV plus GKV) als in GKV-starken Apotheken.
Bis hierhin läßt sich also feststellen: Ein hoher Handverkaufsanteil (mehr
HV-Kunden) zieht in der Regel keinen höheren Gesamtumsatz nach sich. Um die in
den handverkaufsstarken Apotheken erhöhte Kundenzahl (erhöhter
Arbeitsaufwand) zu bewältigen, haben die meisten dieser Apotheken einen
überdurchschnittlichen Personalbestand und eine höhere Personalkostenbelastung in
Prozent vom Umsatz. Letztere wirkt sich unmittelbar verschlechternd auf das
Betriebsergebnis in DM und in Prozent aus, wie aus anderen Untersuchungen
bekannt ist.
Wie sieht eine sinnvolle Kundenorientierung aus
Insbesondere wegen der Betriebsergebnissituation ist es gerade im
Selbstmedikationsbereich wichtig, für handverkaufsstarke Apotheken eine nach
pharmazeutischen und ökonomischen Gesichtspunkten individuelle Strategie bei der
Produktempfehlung zu entwickeln, um den Gesamtrohgewinn, das Betriebsergebnis
zu steigern. Rohgewinn und Deckungsbeitrag (Rohgewinn minus Personalkosten)
sollten je Packung in den einzelnen Teilsortimenten eine bedeutende Rolle in der
Empfehlung spielen. Der Stück- wie auch Gesamtdeckungsbeitrag muß positiv sein,
damit sich der Verkauf ökonomisch betrachtet wirklich lohnt.
Gegen eine "Aldi-Billig-Strategie" werden die Apotheken langfristig nicht bestehen
können, sondern nur durch qualitative Kundenberatung, die zukünftig ein immer
wichtigerer Maßstab für den Apothekenbesuch des Kunden und für seine
Zufriedenheit sein wird. Durch eine kompetente Beratung und Empfehlung können
Sie Kunden auch zu Zusatzkäufen stimulieren, was nichts mit dem "Aufdrängen"
oder "Andrehen" von Waren zu tun hat.
Erfolgskriterien für die Zukunft
Langfristige Kundenzufriedenheit hat Vorrang vor kurzfristigen Umsatzzuwächsen
durch "Aufschwätzen". Hier empfiehlt sich die Erstellung einer apothekenspezifischen
Empfehlungsliste nach Indikationsgruppen. Häufig empfohlene Produkte sollten
zugleich in der Sichtwahl präsent sein. Sie rücken so optisch ins Bewußtsein des
Kunden und sind im Beratungsgespräch gleich griffbereit. Gerade in der Sicht- und
Freiwahl sollte sich die zielgerichtete Sortimentspolitik der Apotheke widerspiegeln.
Dazu ist das Sortiment insgesamt zu straffen und auf die Zielkundengruppen
abzustimmen. Kundenorientierung verlangt insofern eine konsequente, systematisch
aufbereitete Sortimentspolitik und eine ausgefeilte Beratung. Vonnöten ist also ein
Fitmachen aller im HV tätigen Personen.
Eine ausgeprägte Kundenorientierung und eine darauf abgestimmte Betriebsführung
sind Erfolgskriterien für die Zukunft. Dafür müssen sich Apothekenleiter/innen
Freiräume an anderer Stelle beispielsweise im Büro schaffen. Und sie müssen
Warenbewirtschaftungszeiten optimieren (siehe PZ 41 und 46 zum Thema
Großhandels- und Direktbezug), um mehr Zeit für ihre Kunden zu haben.
Ursula Hasan-Boehme und Christian Meyer, Hannover


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