| Ulrike Abel-Wanek |
| 05.09.2022 13:30 Uhr |
Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands / Foto: Foto: Hessischer Apothekerverband
Die Lage sei ernster geworden, so der Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft. Pandemiebedingte extra honorierte Mehraufgaben der Apotheke für Bürgertests und Impfzertifikate habe viele Betriebe nicht davor bewahrt, teils drastische Gewinnrückgänge von bis zu 40 Prozent in Kauf nehmen zu müssen. Durch geringere Gewinne, sich verteuernde Wareneinsätze und steigende Betriebskosten »habe man wenig Wasser unter dem Kiel«, so Diener. Die Tendenz setze sich fort und erfordere Aufmerksamkeit auch bei Portfolioerweiterungen wie den pharmazeutischen Dienstleistungen. Wieviel Zusatzstunden kann eine Apotheke verkraften? Wie hoch ist der Personalbedarf für die neuen Dienste? »Die Personalnot ist so groß, dass auch lukrative Zusatzaufgaben unter Umständen nicht gestemmt werden können«, mahnte der Volkswirt. In der Apotheke arbeiteten immer »weniger Köpfe bei vermehrter Teilzeit«. HAV-Vorsitzender Holger Seyfarth sprach in dem Zusammenhang von einer kommenden Arbeitsverdichtung und längeren Wartezeiten für Kundinnen und Kunden, auf die sich die Apotheken einstellen müssten.
Neue Ausbildungsstätten sind aber geplant. Zu den hessischen PTA-Schulen in Frankfurt und Idstein sollen in naher Zukunft auf Landesebene weitere Schulen hinzukommen. Darauf verwies HAV-Geschäftsführerin Berit Gritzka. Geplant sei ein komplett neuer Gesundheitscampus in Hessisch Lichtenau für 2024/2025, unter anderem mit einer vom DRK getragenen PTA-Schule. Zwei weitere Ausbildungsorte sollen im Odenwaldkreis und Bad Nauheim entstehen. Das Dauerthema Personalnot brennt den hessischen Delegierten unter den Nägeln. Sie sprachen sich für eine aktive Unterstützung der anstehenden Projekte von Verbandsseite aus. Die Finanzierung der PTA-Schule in Nordhessen sei noch nicht gesichert, Laboreinrichtungen bräuchten Anschubfinanzierungen.
Dabei stehen Personalknappheit und ein seit 2008 zu beobachtender, kontinuierlicher Apothekenrückgang einem steigenden Versorgungsbedarf von Patienten gegenüber, sagte Diener mit Blick auf eine immer älter werdende Gesellschaft, Arzneimittelinnovationen zur Behandlung neuer Krankheiten und die Migration. Mehr Menschen müssten zukünftig gesundheitlich versorgt werden. Hier sei die Politik gefordert, zu reagieren, kompensierende Einsparchancen bei den Apotheken seien weitgehend erschöpft.
Wie E-Rezept-fähig ist meine Apotheke? »Jetzt, wo noch kein Traffic ist, sollte man die Zeit nutzen, um sich vorzubereiten«, empfahl Diener weiter. Sind QMS und Mitarbeiter »E-Rezept-ready«? Ist die Website angepasst an die Gematik? Ein Desk speziell für die Beratung von E-Rezept-Kunden und Tools, um Arzneimittel auch nach Feierabend abzuholen könnten sinnvolle Instrumente zur Kundenbindung sein. Als weitere Handlungsfelder und unternehmerische Ansatzpunkte nannte er die Prüfung eines individuellen OTC-Preiskonzepts anstelle einer automatischen Listenpreisübernahme, digital gestützte Betriebsabläufe und eine strukturierte Gehaltspolitik sowie Zielvereinbarungen für Führungskräfte.
Sparpakete wie der Kassenabschlag von 1,77 auf 2 Euro, Konkurrenz durch den Versandhandel, Kostensprünge in den Betrieben, mehr Versorgungsaufträge, die sich auf immer weniger Apotheken und Personal verteilen sowie der digitale Umbau von Arbeitsabläufen stellten große Herausforderungen an die Apotheken. »Ein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, ist es aber nicht«, betonte Seyfarth. Man sei weiter mit im Spiel.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.