Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign

Abgleich mit Kundendatei
-
Wie zuverlässig ist die elektronische Medikationsliste?

In einem Pilotprojekt hat eine Hamburger Apotheke ausgewertet, ob die elektronische Medikationsliste in der ePA mit den lokal gespeicherten Daten der Stammkunden übereinstimmt. Erstes Fazit: Auf Vollständigkeit sollte man sich nicht verlassen.
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 15.12.2025  18:00 Uhr

Die Marktapotheke in Hamburg-Eidelstedt war schon an der Pilotierung der elektronischen Patientenakte (ePA) beteiligt und kann bereits seit Anfang dieses Jahres elektronische Medikationslisten (eML) einsehen – wenn der Patient die Ansicht nicht für die Apotheke gesperrt hat. Das ist gleich die erste Hürde, erläutert Inhaberin Dr. Dorothee Michel. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Dorothee Dartsch hat sie 665 Kassenvorgänge in ihrer Apotheke ausgewertet – einen Monat lang etwa 30 zufällig ausgewählte Verkaufsvorgänge mit E-Rezept. Tatsächlich war in nur 617 Fällen die eML auch sichtbar; bei den anderen 7 Prozent war sie gesperrt oder es gab technische Probleme.

Etwa bei der Hälfte der Datensätze lagen eine eML und ein Kundensatz vor. Diese 349 Datensätze verglichen Michel und Dartsch für ein Pilotprojekt, unterstützt von der Förderinitiative Pharmazeutische Betreuung. Bei deren Mitgliederversammlung Ende November mit einem Vortrag sowie nur wenige Tage später beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Klinische Pharmazie (DGKPha) in einem Posterbeitrag stellten die beiden Apothekerinnen ihre Erkenntnisse vor.

Jeder Patient löste im Schnitt E-Rezepte in zwei Apotheken ein

»Wir haben im Prinzip per Hand ausgewertet, wie viele Wirkstoffe, Verordner und Apotheken ein Patient in seiner eML stehen hatte«, erläutert Michel. So waren die Patienten im Mittel 64 Jahre alt bei einer Spannweite von 18 bis 99 Jahre. Sie hatten im Schnitt seit Einführung der ePA 3,2 verordnende Ärzte aufgesucht (Spannweite 1 bis 11) und bis zu 29 Arztkontakte in Verbindung mit einer elektronischen Verordnung gehabt.

Rein rechnerisch löste jede Person 14,2 Verordnungen (das Maximum waren 57) für 7,3 verschiedene Arzneimittel (maximal 31) ein – bei durchschnittlich zwei Apotheken. Der umtriebigste Patient hatte sieben Apotheken besucht. 69,5 Prozent der Patienten hatten mindestens fünf verschiedene Arzneimittel in ihrer eML gelistet.

Welche Arzneimittel fehlten in der eML?

Bei einem Drittel war die eML in Bezug auf die verordneten Medikamente nicht vollständig, stellten Michel und Dartsch fest. Nur bei knapp jedem Fünften bildete die Liste die vollständige Medikation ab, da AMTS-relevante OTC-Arzneimittel fehlten. »Der absolute Renner war hier ASS 100 mg, dabei ist das absolut relevant für eine Beurteilung der Gesamtmedikation«, berichtete Michel. Auch weitere OTC-Käufe fehlten häufig, neben NSAR wie Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen auch Schlafmittel wie Doxylamin und Melatonin, Magen-Darm-Präparate wie Pantoprazol und Loperamid, Vitamine und Mineralstoffe.

Bei den Rx-Medikamenten fehlten systembedingt alle Betäubungsmittel und T-Rezepte, da diese bislang noch nicht per E-Rezept verordnet werden können. Dabei sind gerade die BtM wichtig für die pharmazeutische Beurteilung. »Es wurden aber auch so noch verblüffend viele Arzneimittel der Dauermedikation auf Papier verordnet«, so Michel, darunter viele, die typischerweise privat verordnet werden wie die sogenannten »Abnehmspritzen«, Benzodiazepine und Z-Substanzen, aber auch herkömmliche Medikamente wie L-Thyroxin, Antidepressiva, Antipsychotika, Pantoprazol, Betablocker, Metformin, Statine, Gerinnungshemmer, Methotrexat, Prednisolon, Tilidin und Antibiotika.

Patientengespräch bleibt unverzichtbar

Es ist die erste Erfassung und Auswertung dieser Art. Was die Aussagekraft der Studie einschränkt, ist, dass die Daten aus nur einer Apotheke stammen. Papierrezepte könnten zudem auch woanders eingelöst worden sein. Die Vollständigkeit der eML und der Kundenkarten würden überschätzt.

Apotheker sollten die eML derzeit eher als zusätzliche Informationsquelle sehen, aber sich nicht allein darauf verlassen. »Die ePA mit der eML ist eine tolle Quelle, ob für die Medikationsanalyse oder bei der OTC-Abgabe, aber für eine hohe Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) bleibt die Arzneimittelanamnese mittels Patientengespräch unverzichtbar«, schlussfolgert Michel. »Zumal die Patienten manchmal ganz erstaunliche Dinge mit ihren Arzneimitteln machen. Daher braucht es immer noch den Menschen, der genau nachfragt und die richtigen Schlüsse zieht. Es ist dieser intensive Austausch mit den Patienten, der unsere pharmazeutische Dienstleistung ausmacht – es ist aber sehr gut investierte Zeit.«

Mehr von Avoxa