Wie wird das Pipi gelb? |
Daniela Hüttemann |
04.01.2024 16:30 Uhr |
Mit Urinteststreifen können unter anderem Bilirubin- und Urobilinogen-Konzentration im Harn gemessen werden. Die gelbe Farbe kommt von dessen Abbauprodukt, dem Urobilin. / Foto: Getty Images/SPL/Ian Hooton
US-Forschende haben das mikrobielle Enzym Bilirubin-Reduktase im menschlichen Darm identifiziert, das verantwortlich für die gelbe Farbe unseres Urins ist. »Es ist bemerkenswert, dass ein alltägliches biologisches Phänomen so lange unerklärt blieb«, kommentiert Studienleiter Brantley Hall, Assistenzprofessor am Institut für Zellbiologie und molekulare Genetik an der Universität Maryland in den USA, und freut sich, dass sein Team es nun erklären kann.
Wie der Name des Enzyms verrät, geht es um den Abbau von Bilirubin über eine chemische Reduktion. Bilirubin selbst ist orange und entsteht beim Abbau von Hämoglobin, dem roten Blutfarbstoff, wenn die roten Blutkörperchen sich altersbedingt zersetzen (normalerweise nach etwa sechs Monaten). Bilirubin wird in der Leber konjugiert und gelangt von dort in den Gastrointestinaltrakt. Dort wird es entweder weiter abgebaut oder teilweise auch zurück ins Blut resorbiert.
»Eine übermäßige Resorption kann zu einer Anreicherung von Bilirubin im Blut führen und Gelbsucht verursachen – ein Zustand, der zu einer Gelbfärbung von Haut und Augen führt«, erläutert die Forschungsgruppe in einer Pressemitteilung zu ihrer Studie, die diesen Mittwoch im Fachjournal »Nature Microbiology« erschienen ist.
Bilirubin wird von verschiedenen Darmbakterien verstoffwechselt. Einige Darmmikroben, vor allem Firmicutes-Arten und Clostridien, verfügen über das jetzt identifizierte Enzym Bilirubin-Reduktase. Es wandelt das orangefarbene Bilirubin in die farblose Substanz Urobilinogen um.
»Die Mikroorganismen des Darms sind allein für den Abbau von Bilirubin zu Urobilinogen verantwortlich und nutzen das Molekül möglicherweise als terminalen Elektronenakzeptor in der anaeroben Atmung«, heißt es in der Fachveröffentlichung. Aus zweimal zwei Doppelbindungen werden Einfachbindungen. Das zugehörige Enzym war bislang unbekannt.
Urobilinogen wird größtenteils ins Blut rückresorbiert und teilweise über die Nieren ausgeschieden. Im Harn oxidiert es spontan weiter zu Urobilin, das dem Urin die Gelbfärbung gibt. Den Unterschied macht eine einzige Doppelbindung im Molekül aus. Ein weiteres noch unbekanntes Enzym wandelt Urobilinogen im Darm zu Stercobilinogen um, das wiederum spontan zum Stercobilin zerfällt, das mit dem Kot ausgeschieden wird und zu dessen Braunfärbung beiträgt.
Die Verstoffwechslung von Bilirubin (Grafik aus der Original-Veröffentlichung) / Foto: University of Maryland
»Unsere Experimente haben gezeigt, dass die Bilirubin-Reduktase die vollständige Reduktion von Bilirubin zu Urobilinogen durchführen kann und das Potenzial hat, auf mehrere Substrate zu wirken, was diesem einzelnen Enzym eine zentrale Rolle in der Bilirubin-Homöostase zuweist«, so die Forschenden.
Denn das Team stellte zudem fest, dass die Bilirubin-Reduktase bei fast allen untersuchten gesunden Erwachsenen vorhanden ist, aber oft bei Neugeborenen und Personen mit entzündlichen Darmerkrankungen fehlt. Sie stellen die Hypothese auf, dass dieser Enzymmangel an der Neugeborenen-Gelbsucht und der Bildung von Gallensteinen beteiligt sein könnte.
»Jetzt, da wir dieses Enzym identifiziert haben, können wir untersuchen, wie die Bakterien in unserem Darm den zirkulierenden Bilirubin-Spiegel und damit zusammenhängende Gesundheitszustände wie Gelbsucht beeinflussen«, so der zweite Studienleiter Xiaofang Jiang von den US National Institutes of Health. Die Entdeckung lege den Grundstein für das Verständnis der Darm-Leber-Achse.