Wie man Covid-19-Impfstoffe anpassen kann |
Theo Dingermann |
03.02.2021 18:00 Uhr |
Fast alle Impfstoffkandidaten nutzen das Spike-Protein als Antigen für das Training des Immunsystem. Varianten wie die 501Y.V2-Mutante tragen allerdings genau in diesem Genombereich ihre Mutationen. Eine naheliegende Möglichkeit besteht darin, die alten Versionen des Spike-Proteins in den Impfstoffen durch eine aktualisierte Variante zu ersetzen. Bei den mRNA-Vakzinen müsste dann nur die Basensequenz an den entscheidenden Stellen angepasst werden. Alternativ könnten auch beide Varianten des Spike-Proteins appliziert werden. Das Ergebnis wäre dann ein multivalenter Impfstoff, ein Konzept, das prinzipiell gut etabliert ist.
Erst heute kündigten die Unternehmen Curevac und GSK in einer Pressemitteilung an, mehrere mono- und multivalente mRNA-Impfstoffkandidaten entwickeln zu wollen, um die aufkommenden Virusvarianten zu adressieren, sowohl bei Nutzung in pandemischen als auch endemischen Zeiten. Die Entwicklung soll sofort starten, sodass mit einer Marktzulassung für das Jahr 2022 gerechnet werden kann, wenn das Konzept trägt.
Die Zulassung einer modifizierten Vakzine ist aber kein Selbstläufer. Denn eine Veränderung der Struktur des Spike-Proteins beinhaltet durchaus auch Risiken, die es auszuräumen gilt. So ist sicherzustellen, dass solche Änderungen keine unerwarteten Auswirkungen auf die Reaktion des Immunsystems auf den neuen Impfstoff haben. Mit anderen Worten: Die Impfstoffvarianten sind in jedem Fall intensiv klinisch zu testen. Wie viele klinische Daten zu erheben sind, um ein Update eines Covid-19-Impfstoffs zuzulassen, muss noch diskutiert und entschieden werden. Die jährlich angepassten saisonale Grippeimpfstoffe erfordern normalerweise keine neuen klinischen Studien. Aber mit diesen Impfstoffen haben die Aufsichtsbehörden jahrzehntelange Erfahrungen, was für Covid-19-Impfstoff natürlich nicht der Fall ist.
Bei den mRNA-Impfstoffen wie die Produkte von Biontech und Moderna gelte die Zulassung nur für eine spezifische mRNA, sagte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Professor Dr. Klaus Cichutek, vor Kurzem beim Fortbildungskongress Pharmacon@home. Veränderte RNA-Moleküle bräuchten eine Erweiterung der Zulassung. Welche Nachbeobachtungen in der Klinik und Präklinik hierfür nötig seien, werde unter Regulatoren stark diskutiert, berichtete er. Vorbereitet sei dies aber »geistig und von der Technologie her« bereits.
Hilfreiche wäre es prinzipiell, heißt es in dem »Nature News-Artikel«, wenn zuverlässige Surrogate in Form von »Schutzkorrelaten« gefunden würden. Hier bieten sich messbare Merkmale einer Immunantwort an, wie eine bestimmte Menge neutralisierender Antikörper. Sollten sich solche Marker tatsächlich validieren lassen, ließe sich sehr viel rationaler abschätzen, wie umfangreich klinische Studien nach den derzeit angewandten Kriterien anzusetzen sind.
Die Firma Moderna jedenfalls glaubt, dass klinische Wirksamkeitsstudien von Vakzin-Varianten mit Hunderten statt Tausenden Teilnehmern möglich sein könnten. Dennoch geht man derzeit davon aus, die Entwicklung einer Impfstoff-Variante eines mRNA-Impfstoffs bis zur Erteilung der Marktzulassung etwa fünf Monate dauern wird.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.