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Isolationsverpflichtung

Wie lange ist Covid-19 ansteckend?

Für infizierte Personen gilt derzeit, sich fünf Tage lang zu isolieren. Wer dann symptomfrei ist, kann die Isolation verlassen, ohne sich freigetestet zu haben. Dies kann riskant sein, da manche Menschen auch nach diesen fünf Tagen noch infektiös zu sein scheinen, wie aktuelle Studien nahelegen.
Theo Dingermann
28.07.2022  13:00 Uhr

Nach Informationen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Isolierung und Quarantäne bei SARS-CoV-2-Infektion und -Exposition gilt für die Allgemeinbevölkerung, dass für nachweislich positiv getestete Personen eine Isolation für fünf Tagen angeordnet ist. Zudem wird dringend empfohlen, dass beginnend nach Tag fünf wiederholt mithilfe eines Antigen-Schnelltest getestet wird und dass die Selbstisolation auch über die fünf Tage hinaus fortgesetzt wird, bis der Test negativ ist.

Wissenschaftlich sind diese Anordnung/Empfehlung umstritten, wie in einem Beitrag im Fachjournal »Nature« aktuell diskutiert wird. Denn es gibt eine Reihe von Studien, in denen gezeigt wird, dass viele Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind, bis weit in die zweite Krankheitswoche hinein ansteckend bleiben.

»Die Fakten dazu, wie lange Menschen ansteckend sind, haben sich nicht wirklich geändert«, sagt Professorin Dr. Amy Barczak, Infektiologin am Massachusetts General Hospital in Boston, gegenüber »Nature«. Ihrer Meinung nach gibt es keine Daten, die eine zeitliche Beschränkung der Isolation auf fünf Tagen stützen. Sie selbst habe Daten publiziert, die nahelegen, dass ein Viertel der Menschen, die sich mit der Omikron-Variante infiziert haben, auch noch acht Tage nach Auftreten der Symptome noch infektiös sind, so Barczak.

Praktische Handhabung der Selbstisolation

Gibt es eine sicherere Empfehlung als die mittlerweile weithin praktizierte »Fünf-Tage-Regelung«? Hier schlägt Professorin Dr. Emily Bruce, Mikrobiologin und Molekulargenetikerin an der University von Vermont in Burlington, vor, sich auf einen gut validierten Antigen-Schnelltest zu verlassen. Diese Tests seien so »insensitiv«, dass Menschen, bei denen ein solcher Test negativ ausfällt, realistischerweise auch nicht mehr als infektiös gelten sollten.

Die Frage, wie sich Patienten verhalten sollten, die bei einem negativen Test immer noch husten oder Fieber haben, beantwortet Bruce damit, dass anhaltende Symptome nicht auf eine anhaltende Infektiosität hindeuteten und daher in diesem Kontext nicht relevant seien. »Viele Symptome werden nach einer gewissen Krankheitsdauer nicht mehr von den Viren selbst, sondern vom Immunsystem verursacht«, ergänzt sie.

Wissenschaftliche Evidenz

Die nachvollziehbare Empfehlung, einen negativen Selbsttest als Kriterium für das Ende der Selbstisolation zu verwenden, wird in gewisser Weise dadurch konterkariert, dass in vielen Ländern, so auch in Deutschland, die Lockerung der Isolationsrichtlinien mit der Abschaffung der Kostenübernahme der Schnelltests zusammenfiel.

Wie problematisch das sein kann, zeigen die Ergebnisse einer neu erschienenen wissenschaftlichen Arbeit, in der untersucht wurde, ob eine symptombasierte Empfehlung zur Selbstisolierung für Omikron BA.1 und BA.2 als angemessen angesehen werden kann. Hier untersuchten Hermaleigh Townsley vom Francis Crick Institute in London und Kollegen die Korrelation zwischen Symptombelastung und der Viruskinetik bei geimpften Erwachsenen, die sich mit den SARS-CoV-2-Varianten Delta, BA.1 und BA.2 infiziert hatten.

Diese Forschenden kommen zu dem Schluss, dass sich die Isolierungsempfehlungen nicht ausschließlich nach dem Schweregrad der Symptome richten sollten. So verursachten die Omikron-Varianten teils so milde Symptome, dass diese nicht die Viruslast widerspiegelten, was dazu führe, dass eine Selbstisolation zu früh zu beendet werde. Vor allem ist es daher nach Meinung der Autoren notwendig, Maßnahmen an der Übertragbarkeit der aktuell zirkulierenden Virusvarianten auszurichten. Dies wiederum erfordert unter Umständen eine Anpassung der Isolierungsempfehlungen, wenn neue Varianten auftauchen.

Das »Rebound-Phänomen«

Dieser Einschätzung stimmt auch der Immunologe und Infektiologe Professor Dr. Yonatan Grad von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston zu, der sich ebenfalls wissenschaftlich mit dem Problem beschäftigt hat. Ähnlich wie die Londoner Wissenschaftler favorisiert er idealerweise eine zehntägige Isolation als wissenschaftlich basierte Faustregel. Aber selbst dann, so warnt er, werde man nicht jeden isolieren können, der noch infektiös ist.

Eine unerwartete Komplikation des Problems wird durch das beobachtete »Rebound-Phänomen« beim Einsatz des Virostatikums Paxlovid® verursacht: »Bei Menschen, die mit Paxlovid behandelt werden, sehen wir das Phänomen, dass deren Symptome sich zu bessern scheinen und bei ihnen auch ein Schnelltest negativ ausfällt, dass aber dann ein paar Tage später die Symptome zurückkommen und auch wieder Virus nachweisbar ist.«

»Antivirale Medikamente verändern die Dynamik von Symptomen, der Immunantwort und der Virusausscheidung«, sagt auch Barczak. »Ich denke, das zu kommunizieren ist wirklich wichtig, weil die Leute draußen denken, dass sie nach zehn Tagen nicht mehr ansteckend sind. Aber wenn sie einen Paxlovid-Rebound haben, kann das ein Trugschluss sein.«

Isolation oder Maske zur Infektionsvermeidung?

Kontakte mit anderen Menschen durch Isolation zu vermeiden, ist wohl die sicherste, aber nicht die einzige Möglichkeit, Ansteckungen zu verhindern. Denkbar wäre auch, dass Infizierte ohne Symptome, die möglicherweise noch ansteckend sind, verpflichtend eine FFP2-Maske tragen, wenn sie mit anderen Menschen Kontakt haben. Eine solche Regelung gilt ab dem 1. August in Österreich.

Ob beziehungsweise wie die Isolationspflicht in Deutschland beibehalten wird oder möglicherweise durch eine ähnliche Regelung wie in Österreich abgelöst wird, hängt also nicht von der wissenschaftlichen Evidenz zur Dauer der Ansteckungsfähigkeit ab, sondern davon, welche politischen Konsequenzen daraus gezogen werden. Die zentrale Frage hierbei ist, ob eine Isolation mit Blick auf alternative Möglichkeiten zur Infektionsvermeidung wie die Maskenpflicht, die besser gewordenen therapeutischen Möglichkeiten und die häufig leichteren Krankheitsverläufe bei den aktuell zirkulierenden Varianten noch verhältnismäßig ist.

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