Wie lässt sich das biologische Alter bestimmen? |
Theo Dingermann |
15.03.2021 10:00 Uhr |
Man ist so jung wie man sich fühlt – das mag psychologisch stimmen, aber nicht unbedingt biologisch. / Foto: Adobe Stock/Yakobchuk Olena
Das biologische Alter losgelöst vom chronologischen Alter bestimmen zu können, ist wichtig, um beispielsweise Umwelt-, Ernährungs- oder Therapieeinflüssen auf den Alterungsprozess beurteilen zu können. Offensichtlich ist es nicht einfach, zwischen dem biologische Alter und dem chronologischen Alter, also dem offiziellen Alter nach Geburtsjahr, zu differenzieren. Eine neue Methode wurde jetzt von dem Bioinformatiker David Meyer und dem Genetiker Professor Dr. Björn Schumacher, Direktor des Instituts für Genomstabilität in Alterung und Erkrankung am Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD und des Zentrums für Molekulare Medizin Köln (ZMMK), präsentiert.
Die beiden Forscher entwickelten »BiT age«, ein Akronym für »Binarized Transcriptomic aging clock«. Damit ergänzen sie andere Verfahren, darunter die als »Horvathsche Lebensuhr« bezeichnete Methode, eine Methode, die auf Änderungen von Proteincharakteristika entlang der Lebensachse basiert und eine weitere Methode, deren Basis Charakteristika des Mikrobioms bildet. Die von Meyer und Schumacher jetzt vorgestellte Alterungsuhr nutzt die Analyse von Transkriptomen, also Genexpressionsmuster. Dieser Ansatz wurde in der Vergangenheit schon öfter gewählt. Allerdings litten die Ergebnisse wegen der Komplexität der Genexpression unter einer beträchtlichen Variation in den Daten und damit einer relativ geringen Genauigkeit.
Meyer und Schumacher entwickelten den Transkriptom-Ansatz nun weiter. Dazu verwendeten sie das gut etablierte biologische Modell des Fadenwurms Caenorhabditis elegans. Durch eine Kombination zwischen zeitlicher Skalierung und Binarisierung identifizierten sie einen Gensatz, der nach Angaben der Autoren das biologische Alter mit einer Genauigkeit vorhersagt, die nahe an der theoretischen Grenze liegt.
Der neue Ansatz von Meyer und Schumacher nutzt einen mathematischen Trick, um die große Heterogenität der Genaktivität auszuschalten. Die Binarisierte Transkriptom-Altersuhr unterteilt Gene in zwei Gruppen – »an« oder »aus« – und minimiert so die hohe Variation. Dieser einfache Trick scheint auszureichen, um tatsächlich das biologische Altern aus dem Transkriptom mit großer Zuverlässigkeit berechnen zu können. So konnten die Wissenschaftler einen relevanten Gensatz definieren, der die Funktion spezifischer Transkriptionsfaktoren sowie der angeborenen Immunität und der neuronalen Signalübertragung bei der Regulation des Alterungsprozesses beeinflusst.
»Erstaunlicherweise erlaubt dieses einfache Verfahren eine sehr präzise Vorhersage des biologischen Alters, die nahe an der theoretischen Grenze der Genauigkeit liegt. Vor allem funktioniert diese Altersuhr auch in hohem Alter, das bisher nur schwer messbar war, weil dann die Variation der Genaktivität besonders hoch ist«, sagt Meyer dem Nachrichtenportal bionity.com.
Um ihr Modell zu kalibrieren, verwendeten Meyer und Schumacher C. elegans Würmer, deren Alter genau bekannt war. Zudem kann man die Organismen bestimmten exogenen Einflüssen aussetzen, um danach unter den sehr gut kontrollierbaren Bedingungen die Konsequenzen auf die Genexpression zu untersuchen. So ist das Modell der beiden Wissenschaftler in der Lage, Langlebigkeitseffekte verschiedener C. elegans-Stämme abhängig von Wachstumsbedingungen und verschiedenen Interventionen vorherzusagen.
Zudem ließ sich zeigen, dass BiT age auch zur Vorhersage des menschlichen Alters mit hoher Genauigkeit eingesetzt werden kann. Daher könnte BiT-Age einen wichtigen und relevanten Beitrag leisten, um genetische, ernährungsbedingte, umweltbedingte und therapeutische Eingriffe in den Alterungsprozess bewerten zu können.