| Alexander Müller |
| 03.12.2025 11:00 Uhr |
Netzwerktreffen »Kammer aktiv« mit Armin Hoffmann (BAK), Dorothee Brachmann (Pharma Deutschland), Ina Lucas (ABDA), Anne Klemm (BKK) und Tilly Duderstadt. / © Spreekind-Fotografie, Sandra Schneider
Über die Frage: »Ist die ›Apotheke der Zukunft‹ eine ›historische Chance‹ für alle apothekerlichen Tätigkeitsbereiche?« diskutierten bei der Berliner Apothekerkammer mit Präsidentin Ina Lucas der Präsident der Bundesapothekerkammer, Armin Hoffmann, Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland, Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes, und Apothekerin Tilly Duderstadt.
Für Hoffmann ist die Apotheke der Zukunft »patientenzugewandt und im Zentrum des Gesundheitswesens«. Viele heute bekannte Mängel im System könnten mit Unterstützung der Apotheken noch besser behoben werden. Dazu müsse die Apotheke sich auf heilberufliche Tätigkeiten konzentrieren und alle nicht-heilberuflichen depersonalisieren, also möglichst automatisieren und digitalisieren. »Wir werden viel mehr am Patienten arbeiten«, so Hoffmann.
Filialleiterin Duderstadt will in der Apotheke mehr Prävention übernehmen und damit das ganze System entlasten. Es ärgere sie, dass die pharmazeutische Expertise heute vor allem an die Arzneimittelpackung gebunden sei. Viele wollten diesen Weg gehen, hätten aber mit Personal- und Ressourcenmangel zu kämpfen.
Anne-Kathrin Klemm vom BKK Dachverband sieht Prävention in der Apotheke als einen Baustein, der aber gut eingebunden sein müsse. Doppelstrukturen müssten vermieden werden. Ihre Vision ist eine strukturierte Primärversorgung, bei der nicht der Hausarzt das Nadelöhr ist.
Mit einer guten Patientennavigation ließe sich das System wirklich entlasten, so Klemm. »Die Ärzte alleine – auch wenn sie jetzt schreien – werden es nicht hinkriegen.« Sie wünscht sich ein Ersteinschätzungsinstrument, dass von allen Akteuren entwickelt wird und nannte Polen als Positivbeispiel für ein solches Konzept. Zentral für Klemm: Die Antwort müsse immer dieselbe sein, auch wenn der Patient dann im Zweifel an eine andere Stelle geschickt werde. »Das darf definitiv kein Wettbewerbsthema sein.«
Hoffmann pflichtete ihr bei: Apotheker und Arzt müssten besser connecten, »da sehe ich uns alle in der Pflicht«. Auch Brakmann von Pharma Deutschland wünscht sich weniger Aufgeregtheit zwischen den Professionen. »Da setze ich sehr auf die junge Generation.« Die Hersteller müssten in diesem Zusammenspiel vor allem die Verfügbarkeit sicherstellen, sich aber auch darüber hinaus einbringen. Das Arzneimittel sei ein »erklärungsbedürftiges Produkt«. »Wir sind immer darauf angewiesen, dass wir Apotheken vor Ort haben«, so Brakmann.
Pharma Deutschland unterstütze das Konzept »Pharmacy First«. Denn in der Realität übernähmen die Apotheken diese Rolle schon zwischen der Selbstmedikation und der Verweisung an einen Arzt. Sie würde sich wünschen, dass viele Arzneimittel aus der Verschreibungspflicht entlassen werden, die in anderen europäischen Ländern längst ohne Rezept erhältlich seien.
Auch Duderstadt ist überzeugt: »Wir haben doch diese Gatekeeper-Funktion längst.« Aber die Apotheken müssten sichtbarer werden. Hoffmann stimmte zu: »Es wäre mein Wunsch, dass die Apotheke von der Bevölkerung als erste Anlaufstelle gesehen wird, aber noch ist es nicht so.«
Klemm äußerte Bedenken, dass das heutige Modell eben kein strukturiertes Einschätzungssystem sei. Wenn die Praxis am Freitagnachmittag schon geschlossen hat, endet die Reise häufig in der Apotheke. In ihrer Vision könnte der Apotheker selbst einen Termin bei einer Praxis besorgen. In der offenen Debatte wurde hierzu auch über assistierte Telemedizin diskutiert. Allerdings befürchte vor allem der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV), dass es zu Doppelstrukturen kommt, berichtete Lucas, die auch ABDA-Vizepräsidentin ist.
Im Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) ist vorgesehen, dass Apotheken in eng definierten Ausnahmen auch verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben dürfen, wenn kein Rezept vorliegt. Gerade dieser Passus im Entwurf sorgt für reichlich Ärger bei der Ärzteschaft.
Erbringen Apotheken damit originär ärztliche Tätigkeiten? Die Teilnehmer bei »Kammer aktiv« diskutierten darüber, ob Apotheken in der heilberuflich geschützten Selbstmedikation nicht ohnehin längst für Anamnese und Diagnose zuständig seien, und wie es gelingen kann, Grenzen auflösen, ohne die Organisation und Einheit der Apotheke zu verletzen. BAK-Präsident Hoffmann zufolge braucht es dabei Fingerspitzengefühl: »Wir haben schon auch ein Regelwerk, das den Apothekenvorbehalt des Arzneimittels schützt.«
Klemm kann sich mehr Kompetenzen in der Versorgung chronischer Kranker gut vorstellen. In Polen finde dies durch gut geschulte Pflegefachkräfte statt, nicht durch Ärzte. In dieser Rolle könne sie sich die Apotheken gut vorstellen. Das sei im europäischen Ausland sowieso üblich. Lucas legte abschließend Wert darauf, dass möglichst alle Apotheken bei dieser Entwicklung mitgenommen werden, weil ein einheitliches Angebot wichtig für eine gute Patientenversorgung sei.