Wie Kassen und Sportverbände für ihre Werbe-Deals kämpfen |
Cornelia Dölger |
10.05.2021 18:00 Uhr |
Aus für Kassenlogos auf Spielerhemden? Krankenkassenwerbung im Sport sollte nach dem Willen von Gesundheitsminister Jens Spahn stark beschnitten werden. Damit handelte er sich massive Kritik ein. / Foto: imago images/wolf-sportfoto
Es war als großer Wurf geplant: Erstmals sollte verbindlich geregelt werden, wie Krankenkassen im organisierten Sport Reklame für sich machen und somit um Mitglieder werben dürfen. Bis dato hatte es keine verbindlichen Gesetzesvorschriften etwa dafür gegeben, wie, wo oder in welchem Umfang solche Werbungen platziert werden oder welcher Art die Inhalte sein dürfen. Auch für die Ausgaben der Krankenkassen für Werbemaßnahmen im Sportbereich gibt es bislang nur vage Vorgaben. Hier hatten die Kassen einen recht weiten Spielraum. Sie müssen sich wie andere Unternehmen zwar an die Gesetze gegen den unlauteren Wettbewerb halten, zudem gelten für sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts spezielle Wettbewerbsgrundsätze. Diese sind aber letztendlich nicht rechtsverbindlich und Verstöße dagegen werden nicht bestraft.
In Sachen Werbung verlangt der Gesetzgeber von den Kassen zwar mehr Zurückhaltung als von privatrechtlichen Unternehmen, aber in der Vergangenheit hat sich dies oftmals als bloßer Papiertiger entpuppt; den teils ausufernden Werbeaktionen der Kassen insbesondere im Sportsektor ist gesetzgeberisch nichts entgegenzusetzen, auch wenn es immer wieder Ermahnungen gab. Zuletzt hatte etwa das Bundesamt für Soziale Sicherung die Kassen im vergangenen Oktober zur Einhaltung der Wettbewerbsgrundsätze aufgerufen.
Spitzensport als Raum für Reklame – das zieht aber angesichts des hohen Stellenwerts, den Veranstaltungen rund um Fußball, Handball, Volleyball oder Turnen in der Gesellschaft genießen. Kassenlogos auf Spielertrikots oder bei Bundesliga-Pressekonferenzen sind also längst ein gewohnter Anblick. In dem Bereich ist sehr viel Geld im Umlauf; Krankenkassen sponsern etwa Events und Stars des Leistungssports und der Sport profitiert davon – besonders jetzt, da wegen der Corona-Pandemie andere Einnahmequellen versiegt sind.
Das sollte aber so nicht weitergehen. Kurz vor Weihnachten legte das Bundesgesundheitsministerium den Referentenentwurf einer Krankenkassen-Werbemaßnahmen-Verordnung (KKWerbeV) vor, der zum Ziel hatte, die Vorgaben des so genannten Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) zu präzisieren. Mit dem Gesetz sollte den Kassen reine Image- und Markenwerbung zum Kundengewinn verboten werden, sachbezogene Informationen sollte künftig verpflichtend ein zentraler Bestandteil der Werbung sein – ein einschneidender Eingriff in die bisherige Praxis, der allerdings recht geräuschlos verhallte. Zumindest war von großen Protesten gegen das GKV-FKG seit dessen Inkrafttreten im vergangenen Frühjahr nichts zu hören.
Anders dann im Dezember und in den darauf folgenden Wochen. Plötzlich lag mit der Verordnung ein deutlich schärferes Schwert gegen die gängige Kassenwerbung auf dem Tisch. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte den Kassen per Verordnung konkrete und vor allem strikte Vorgaben für ihre Werbemaßnahmen präsentiert – ein Vorstoß, der unter anderem zur Folge hatte, dass sich mächtige Sportverbände zu einer »Allianz des deutschen Sports« zusammenschlossen, um das Vorhaben zu stoppen.
In einer zehnseitigen Stellungnahme, unterzeichnet vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), vom Deutschen Fußball-Bund (DFB), von der Initiative Profisport Deutschland (IPD), dem Teamsport Deutschland und der Vereinigung Sportsponsoring-Anbieter (VSA), kritisieren die Verfasser »gemeinsam und mit einer Stimme«, mit dem Entwurf würden »bestehende Gesundheitspartnerschaften zwischen Sport und gesetzlichen Krankenkassen gefährdet, jahrelange konstruktive Zusammenarbeit zunichte gemacht und der Sport wirtschaftlich empfindlich getroffen«. Spahns Vorhaben komme einem »weitgehenden Werbeverbot der gesetzlichen Krankenkassen für den Sport« gleich.
Im Blick haben die Kritiker vor allem Paragraph 6 des Regelwerks, der in der Tat mit der üblichen offensiven, teils aggressiven Art von Krankenkassenwerbung im Sport Schluss machen würde. Dort steht unter anderem: »Unzulässig ist insbesondere die Banden- und Trikotwerbung im Spitzen- und Profisport.« Werbung bei Sportevents sei darüber hinaus nur dann noch erlaubt, »wenn bei der jeweiligen Veranstaltung insgesamt die Information über die Leistungen der betreffenden Krankenkasse im Vordergrund steht« oder »es sich bei der Veranstaltung um die Durchführung einer Präventionsmaßnahme nach §§ 20a, 20b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch handelt«. Reklame wie beispielsweise die großen AOK-Logos auf den Trikots des Deutschen Handballbunds wäre demnach also bald Geschichte.
So meldeten sich alsbald auch die AOKen auf den Vorstoß aus Spahns Haus. Ende Dezember veröffentlichte der Bundesverband eine ausführliche Stellungnahme zu dem Entwurf, der auch auf den umstrittenen Paragraph 6 abzielte. Dazu forderte der Verband, das Verbot von Werbung im Sportbereich zu konkretisieren, »um die bewährte Zusammenarbeit von gesetzlichen Krankenkassen und professionellen Sporter/innen bzw. deren Verbänden und Vereinen weiterhin zu ermöglichen«. Diese solle zulässig bleiben, sofern »belastbare Konzepte zur Breitensportförderung und Individualprävention« vorhanden seien. Auf diesem Wege könne »eine sachlich angemessene Eingrenzung von Werbeaktivitäten der GKV und bestehende Gesundheitspartnerschaften zwischen Sport und gesetzlichen Krankenkassen in Einklang gebracht werden«, schlägt der Bundesverband vor.
Schärfer formulierte Mitte Januar Verband der Ersatzkassen (vdek) seine Kritik. Mit den geplanten Regelungen überschreite das Ministerium seine Verordnungskompetenz, heißt es in einer Stellungnahme. Der Verordnungsgeber habe keine Ermächtigung, »allgemein zulässige Werbeformen bei bestimmten Veranstaltungen zu verbieten«. Denn grundsätzlich sei eine Trikot- oder Bandenwerbung »nichts anderes als Werbung auf einer sonstigen Werbefläche«, etwa einer Zeitungsanzeige oder Litfasssäule. Stadionbanden und Trikots könnten somit »ein passendes Setting« für »eine erste Stufe für eine erfolgsversprechende (und sachbezogene) Informationsvermittlung sein«. Schließlich gelte es, die »Zielgruppen in ihren Lebenswelten und Interessen zu erreichen«, schreibt der Verband.
So viel konzertierte Gegenwehr erzeugt reichlich Klärungsbedarf für den weiteren Gang des Verordnungsverfahrens. Das Verfahren zieht sich, was wiederum im Februar die Bundestagsfraktion der FDP veranlasste, sich bei der Bundesregierung nach dem Stand der Dinge zu erkundigen und kritische Detailfragen zu stellen. Unter anderem wollten die Abgeordneten wissen, welchen Effekt sich die Bundesregierung von den Werbeeinschränkungen erhofft, worauf die Bundesregierung antwortete, Ziel seien nicht finanzielle Einsparungen, sondern die Sicherstellung, »dass die Werbung im Sport im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben stattfindet«.
Es sei aber nicht die gesetzliche Aufgabe der Kassen, den Sport zu finanzieren. Gleichwohl beabsichtige die Verordnung nicht, Werbepartnerschaften von Krankenkassen und organisiertem Sport aufzulösen. »Wünschenswert« sei in diesem Zusammenhang im Übrigen mehr Transparenz darüber, welche Kassen Sponsoren und Partner bei Spitzensportverbänden oder Profisportlern sind und welche Gesundheitspartnerschaften dabei bestehen. Hier habe die Bundesregierung keine Kenntnisse oder gar eine Übersicht.
Zum Stand des Verfahrens erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort von Ende März, dass derzeit die Stellungnahmen zum Entwurf ausgewertet würden. Auch der Vorschlag des AOK-Bundesverbands werde in die Prüfung einbezogen. Hier nennt sie auch das Bundesinnenministerium – das eigentlich für die Dinge des Sports zuständige Ministerium. In Seehofers Haus soll es dem Vernehmen nach Unmut über Spahns Vorstoß gegeben haben, was das Ministerium gegenüber der PZ aber nicht bestätigen wollte. Zu zwei Paragraphen – unter anderem Paragraph 6 – habe man Stellung genommen, worauf das BMG die »entsprechenden Hinweise« aufgegriffen habe, teilte eine Sprecherin mit.
Im Nachgang hätten sich beide Häuser »direkt und gezielt zu einer abgeänderten Fassung von § 6 KKWerbeV-E ausgetauscht«, heißt es. Dabei herausgekommen ist offensichtlich eine Art Kehrtwende, denn, wie das Ministerium weiter mitteilt, solle nach dieser neuen Fassung Banden- oder Trikotwerbung »unter Wahrung der Ziele der KKWerbeV auch künftig zulässig und möglich sein«. Aus Sicht des Innenministeriums gebe es »jedenfalls insoweit keine Hindernisse oder Einwände«. Vom BMG heißt es unterdessen, dass schon bald ein überarbeiteter Verordnungsentwurf vorgelegt werden solle, wohl noch in der laufenden Legislaturperiode.
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