Wie gefährdet ist die Drogenszene in Deutschland? |
Scherbaum glaubt, dass die Verbreitung von Fentanyl zunehmen und auch hierzulande zu einer Krise führen könnte. »In die Zukunft können wir natürlich alle nicht gucken, aber das Risiko ist sicherlich gegeben«, schätzt der Suchtexperte.
Das hat verschiedene Gründe – einer liegt in Afghanistan. Das Land gilt als wichtigster Standort für den Heroin-Rohstoff Opium, der aus Schlafmohn gewonnen wird. Weil die Taliban den Anbau von Mohn 2022 verboten haben, ist die weltweite Opium-Produktion laut dem UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) um 74 Prozent eingebrochen.
Scherbaum zufolge hat das keine unmittelbaren Folgen, da die Lager wahrscheinlich noch gut gefüllt seien. Außerdem sei möglich, dass andere Länder nun mehr produzierten. Früher oder später sei aber mit einer Verknappung zu rechnen.
Ein weiterer Grund sei, dass sich der internationale Drogenmarkt in Zukunft stark verändern könnte, erklärt der Psychiater. »Die Drogenkartelle merken, dass synthetische Produkte für sie viel gewinnbringender und viel weniger risikoreich in Hinblick auf die Strafverfolgung sind.« Die Herstellung von Fentanyl sei zudem viel billiger als die von Heroin.
Schon jetzt bestehe das Risiko, dass Menschen Heroin kauften, dem Fentanyl beigemischt sei, Konsumenten aber nichts davon wüssten. Die Folge sei, dass sie sich bei der Dosis völlig verschätzten und sich unwissentlich eine Überdosis setzten, sagt Scherbaum. Das Risiko, an bedrohlichen Herz-Rhythmus-Störungen oder Atemstillstand zu sterben, sei bei synthetischen Drogen viel höher als bei Heroin, erklärt der Suchtexperte. Durch eine zunehmende Verbreitung von synthetischen Opioiden könnte die Zahl der Drogentoten demnach steigen.
Auch Schmolke ist überzeugt, dass eine verminderte Verfügbarkeit von Heroin für Abhängige »eine absehbare Katastrophe« wäre. Die Drogenhilfe bereite sich intensiv auf eine zunehmende Verbreitung von Fentanyl vor, auch wenn keinen Anlass für eine »Fentanyl-Panik« gebe. Wichtig seien Aufklärung und ein gutes und größeres Therapie- und Substitutionsangebot für Abhängige. In Berlin etwa gibt es laut dem Gesundheitswissenschaftler vier Drogenkonsumräume und drei Konsummobile. Das sei zu wenig.