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EU-Studie

Werbung für Rx-Medikamente ist »erhebliche Bedrohung«

Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente und Fehlinformationen im Zusammenhang mit Impfungen stellen laut einer EU-Studie eine Gefahr für das öffentliche Wohlergehen dar.
Melanie Höhn
02.10.2024  16:00 Uhr

Ein Unterausschuss des EU-Parlaments hat in einer internen Studie vor Desinformationen im Gesundheitswesen gewarnt und diese als »erhebliche Bedrohung für das öffentliche Wohlergehen« und die Gesundheit der Menschen bezeichnet. Die breite Öffentlichkeit sei anfällig für irreführende Inhalte, insbesondere bei emotionalen Themen, so die Studienautoren.

Zudem würden Gesundheitsdesinformationen das Vertrauen der Öffentlichkeit in Informationssysteme erheblich untergraben – Krisen wie die Covid-19-Pandemie hätten die vorherrschende allgemeine Skepsis und damit die Anfälligkeit für Desinformation noch erhöht. Die Auswirkungen: Hassreden, Fremdenfeindlichkeit, polarisierte öffentliche Debatten und angespannte demokratische Institutionen. »Erfolgreiche Desinformationskampagnen nutzen gesundheitliche Schwachstellen aus, schüren Angst und Unruhe, untergraben die wirtschaftliche Stabilität und behindern wirksame Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit«, heißt es in der Studie. Zu den Folgen gehören negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, Hindernisse bei der Entwicklung von Gesundheitskompetenz, unsachgemäße Verwendung von Medizinprodukten und die Einschränkungen bei der Beteiligung an öffentlichen Debatten. 

Internationales Problem: Werbung für Rx-Arzneimittel

Innerhalb der verschiedenen Bereiche für Gesundheitsdesinformationen sticht laut Studie das »sensible Thema« verschreibungspflichtige Medikamente und die unterschiedlichen Regeln für »D2C«-Werbung (Direct-to-consumer) heraus. In der EU sei Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel weitgehend verboten, da Bedenken hinsichtlich des inhärenten Interessenkonflikts bestehen, der sich aus der gewinnorientierten Herstellung potenziell schädlicher Arzneimittel ergibt.

In Deutschland gilt das Heilmittelwerbegesetz (§ 7 Absatz 1 HWG), welches Werbung im Zusammenhang mit Arzneimitteln hierzulande untersagt. Für Arzneimittel »als besonderes Gut« sollen keine Kaufanreize gesetzt werden. In Ländern wie den Vereinigten Staaten ist diese Praxis jedoch legal und Pharmaunternehmen arbeiten zur Werbung oft mit Social-Media-Influencern zusammen, heißt es in dem Bericht. Die globale Reichweite von Influencern, gepaart mit schwachen und veralteten nationalen Vorschriften in bestimmten Regionen, verschärfe die Herausforderung. »Trotz der strengen EU-Vorschriften zur Vermarktung dieser Produkte erweisen sie sich in der dynamischen und expansiven Landschaft der globalen sozialen Medien als unzureichend und unterstreichen die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen, um dieses Problem auf internationaler Ebene anzugehen«, wie es weiter heißt.

»Brutstätten für Desinformation«

Auch Desinformationen im Zusammenhang mit Impfungen sind laut der Studie ein »besonders drängendes Problem«, das von Impfgegnern angeheizt und manchmal sogar von Akteuren der Gesundheitsbranche propagiert werde. Das Internet und die Social-Media-Plattformen seien zu »Brutstätten für Desinformation« geworden und würden zur Impfskepsis und zum Wiederauftreten vermeidbarer Krankheiten beitragen.

Die Covid-19-Pandemie habe die Auswirkungen dieser Kampagnen deutlich gemacht, die die Impfbemühungen behindert und die Reaktionen der öffentlichen Gesundheit beeinträchtigt hätten. Die zahlreichen impffeindlichen Botschaften und neuen Fragen zur Impfsicherheit, die während der Pandemie aufgeworfen wurden, könnten nun auf andere wichtige etablierte Impfprogramme übergreifen, darunter auch gegen Masern, bei denen die Impfraten nach der Pandemie zurückgingen.

»Potenzielle Schäden verschleiert«

Ein weiterer Bereich für Desinformation ist der Lebensstil, der die wichtigste Ursache für nicht übertragbare Krankheiten (NCDs) in der EU darstellt, so die Studienautoren. Gemeinnützige Unternehmen und Einzelpersonen würden häufig ungesunde Produkte bewerben, darunter hochverarbeitete Lebensmittel, Ernährungsprodukte oder Substanzen wie Alkohol, Tabak und E-Zigaretten – auf eine Weise, die potenzielle Schäden verschleiere. »Dabei verbreiten sie ihre eigenen Narrative und verzerren das öffentliche Wissen. Diese absichtliche Manipulation von Informationen kann schwerwiegende Auswirkungen auf die individuellen Entscheidungen und das Wohlergehen der Gemeinschaft haben«, betonen die Autoren.

Irreführende Informationen von Influencern

Alternativmedizin spiele ebenfalls eine Rolle bei der Verbreitung gesundheitsbezogener Desinformation. Anbieter könnten die öffentliche Meinung zu Diagnosen und Behandlungen sowohl unbeabsichtigt als auch absichtlich beeinflussen. Zahlreiche Influencer würden mit unbestätigten Wirksamkeitsbehauptungen für einfache Nahrungsergänzungsmittel mit Wunderzwecken werben und so zur Verbreitung gesundheitsbezogener Desinformation beitragen.

»Diesen Influencern, die oft über viele Online-Follower verfügen, mangelt es möglicherweise an wissenschaftlichem Fachwissen und sie liefern irreführende Informationen, die die Wahrnehmung und Entscheidungen des Einzelnen in Bezug auf Gesundheit und Wohlbefinden beeinflussen können.«, kritisieren die Autoren. Dieser Bereich sei durch absichtliche Voreingenommenheit und Fehlinformationen gekennzeichnet, die oft von Menschen verbreitet würden, die der sogenannten Schulmedizin misstrauen. Die Förderung alternativer Behandlungsmethoden, insbesondere bei kritischen Ereignissen wie der COVID-19-Pandemie, stellt ein Risiko dar, da sich Einzelpersonen möglicherweise für nicht regulierte Nahrungsergänzungsmittel entscheiden oder sich möglicherweise schädlichen Behandlungen unterziehen.

Profitinteressen und irreführender Behauptungen

Zudem können bestimmte Diagnosetools und damit die Förderung der Selbstdiagnose irreführend sein, »da Profitinteressen zum Problem werden, wenn Branchen, Influencer und andere Informationsverbreiter zusammenarbeiten«, heißt es in der Studie. Einzelpersonen könnten Opfer irreführender Behauptungen und ungenauer Interpretationen von Testergebnissen werden, was zu potenziell schädlichen Entscheidungen über ihre Gesundheit führen könne.

Darüber hinaus können sich gesundheitsbezogene Desinformation in Katastrophenzeiten schnell verbreiten und die Herausforderungen für die betroffene Bevölkerung verschärfen. Visuelle Inhalte, falsche Gerüchte und irreführende Artikel könnten Einzelpersonen dazu verleiten, unangemessene Maßnahmen zu ergreifen oder echte Warnungen zu ignorieren, was die Katastrophenhilfe erschwere.

EU-Pläne gegen Desinformation

Die Europäische Union (EU) habe erhebliche Anstrengungen unternommen, um Desinformation im Gesundheitsbereich zu bekämpfen, indem sie Rahmenwerke, Verhaltenskodizes und Initiativen wie das Schnellwarnsystem (RAS) und das Europäische Observatorium für digitale Medien (EDMO) geschaffen habe. Der Verhaltenskodex zur Desinformation sei 2022 verschärft worden und beinhalte Verpflichtungen von Online-Plattformen und Werbetreibenden zur Bekämpfung von Desinformation. Der Europäische Aktionsplan für Demokratie und der Digital Services Act (DSA) würden das Engagement der EU für eine umfassende Bekämpfung von Desinformation bekräftigen. Trotz dieser Bemühungen bestünden weiterhin Herausforderungen, heißt es in der Studie.

Unterschiedliche Herangehensweisen an Desinformation zwischen den EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten, das Fehlen einer gemeinsamen Definition und die Durchsetzungsbeschränkungen des DSA würden zudem zur Komplexität des Themas beitragen. Regulierungsmaßnahmen hätten Schwierigkeiten, alternative Plattformen und die Zunahme von KI-generierten Inhalten anzugehen, was die Erkennung erschwere und das Vertrauen untergrabe. Ein ausgewogener Ansatzes, der die Meinungsfreiheit wahre und gleichzeitig Desinformation bekämpfe, bleibt eine zentrale Herausforderung für die Regulierungsbehörden. Die Bekämpfung gesundheitlicher Desinformation und die Abmilderung ihrer Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit erfordere einen umfassenden Multi-Stakeholder-Ansatz mit internationaler Zusammenarbeit und Interventionen auf politischer, organisatorischer und sozialer Ebene.

Die Förderung von Medien- und Digitalkompetenz, die Einbindung von Gesundheitsfachkräften, die Unterstützung von Forschung und Faktenprüfung sowie die Förderung von verantwortungsvollem Journalismus seien tragende Säulen bei der Bekämpfung von Desinformation im Gesundheitswesen.

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