Wer A sagt, muss auch B sagen, Herr Lauterbach! |
Viele der von Minister Lauterbach kritisierten Regelungen stammen von seiner SPD-Parteikollegin Ulla Schmidt. Wenn Lauterbach konsequent ist, sollte er die Entökonomisierung auch im Apothekenbereich durchsetzen, meint PZ-Chefredakteur Benjamin Rohrer. / Foto: IMAGO/IPON
Kurz vor Weihnachten startete Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) noch eine beachtliche politische Offensive. Öffentlichkeitswirksam kündigte er in der »Bild am Sonntag« an, dass er gleich an mehreren Stellen die Ökonomisierung im Gesundheitswesen bekämpfen wolle. Den Aufkauf von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch Investoren, die er als »Heuschrecken« bezeichnete, wolle er unterbinden. Auch »profitorientierte Ketten von Arztpraxen« sagte der SPD-Politiker den Kampf an. Zudem wolle er »Schluss damit machen«, dass Kliniken Operationen durchführen, nur weil es gut fürs Portemonnaie ist. Und auch im Generika-Bereiche wolle er die «Discounter-Mentalität« beenden.
Beachtlich sind diese Worte zunächst einmal, weil einige dieser nun bekämpften Zustände auf Lauterbachs Parteifreundin Ulla Schmidt zurückgehen. Es war die damalige Bundesgesundheitsministerin und SPD-Politikerin Ulla Schmidt, unter deren Leitung das GKV-Modernisierungsgesetz 2003 entstand. Mit dem Gesetz wurden MVZ etabliert und eine große Bandbreite an Gründern und Inhabern zugelassen, darunter nicht nur Ärzte. In die Ära Schmidt fällt auch die Gründung des rein auf Einsparungen fixierten Rabattvertragssystems. Und: Es war auch die rot-grüne Koalition, die 2004 nach einem Vorschlag von Ulla Schmidt den Rx-Versandhandel erlaubte – eine Entscheidung, die es internationalen, profitorientierten Konzernen ermöglicht hat, im Gesundheitswesen Deutschlands Fuß zu fassen.
Denn dank dem 2004 verabschiedeten Gesundheitsmodernisierungsgesetz versorgen diese ausländischen Konzerne Millionen Patienten mit OTC- und Rx-Arzneimitteln über den Versandweg – und das teils unkontrolliert. Denn in den Niederlanden gelten diese Konzerne als »Grenzapotheken« und müssen sich seltener Qualitätskontrollen unterziehen als normale Apotheken. Und auch die hiesigen Behörden sehen sich nicht in der Pflicht, beispielsweise die gesetzlich vorgeschriebenen Temperaturkontrollen an den Arzneimittel-Lieferungen durchzuführen. Wichtige gesellschaftliche Aufgaben zur Daseinsvorsorge, die die Vor-Ort-Apotheken erfüllen, werden von den Rosinen-pickenden Großkonzernen schlichtweg ausgelassen. So erfüllen die EU-Versender zum Beispiel nicht alle Rezepturwünsche, haben zuletzt in der Corona-Pandemie keine Testinfrastruktur im ganzen Land aufgebaut und leisten auch keine pharmazeutischen Dienstleistungen. Trotz weiterhin schlechter Betriebsergebnisse konnten die beiden großen EU-Versender Doc Morris und Shop Apotheke ihre Umsätze in den vergangenen Jahren mit diesem Geschäftsmodell stetig steigern – beide Konzerne haben die Milliardenmarke inzwischen schon durchbrochen.