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Superspreader

Wenn wenige viele anstecken

Vieles deutet darauf hin, dass es bei SARS-CoV-2 einzelne sogenannte Superspreader gibt, die für sehr viele Ansteckungen verantwortlich sind. Das hat Konsequenzen für die Eindämmung der Pandemie.
Annette Mende
02.04.2020  16:50 Uhr

Eine wichtige Kenngröße zur Charakterisierung eines Krankheitserregers ist die sogenannte Basisreproduktionszahl R0. Sie gibt an, wie viele Menschen eine mit dem Erreger infizierte Person im Durchschnitt ansteckt. Das Ziel der Eindämmungsmaßnahmen bei einem Ausbruch ist es, R0 unter 1 zu drücken, denn dann kommt die Ausbreitung zum Stillstand. Ist R0 größer 1 wie derzeit bei SARS-CoV-2, wo von einer R0 von etwa 3 ausgegangen wird, breitet sich die Infektion aus.

Die R0 ist ein intuitives epidemiologisches Konzept, hat aber eine Schwachstelle: Eine mögliche Heterogenität der Übertragung von verschiedenen Infizierten bildet der Wert nicht ab. Zwei Erreger mit derselben R0 können völlig verschiedene Übertragungsmuster haben, denn es handelt sich ja um einen Durchschnittswert. Für den Umgang mit einer Epidemie und die zu treffenden Gegenmaßnahmen bedeutet es aber einen großen Unterschied, ob alle Infizierten in etwa gleich viele Menschen anstecken oder die meisten nur wenige, einzelne dafür aber sehr viele.

Patienten, von denen überdurchschnittlich viele weitere Infektionen ausgehen, bezeichnet man auf Englisch als Superspreader, zu Deutsch Superverteiler. Neben bestimmten Charakteristika des Patienten selbst sind aber auch äußere Bedingungen ausschlaggebend für die Ansteckungsrate. Besser ist es daher, statt von Superspreadern von superspreading Events (SSE), also Superverteilungs-Ereignissen zu sprechen. Wie sich SSE auf die Verbreitung von Krankheiten im Allgemeinen und SARS-CoV-2 im Speziellen auswirken und was dagegen unternommen werden sollte, führen der Arzt und ehemalige Direktor der US-amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC Dr. Thomas Frieden und der Epidemiologe Dr. Christopher Lee aktuell in einem online vorab veröffentlichten Artikel im Fachjournal »Emerging Infectious Diseases« aus.

Ein Blick zurück…

Obwohl zur Epidemiologie der neuen Erkrankung noch vieles unbekannt sei, gebe es in der wissenschaftlichen Fachliteratur bereits mehrere Berichte über Covid-19-SSE, so die Autoren. SSE scheinen also zur Verbreitung des Erregers nennenswert beizutragen. Das ist auch plausibel, denn sowohl bei SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome) als auch bei MERS (Middle East Respiratory Syndrome), deren Erreger mit SARS-CoV-2 eng verwandt sind, waren SSE entscheidend für die Verbreitung.

Unklar ist, ob das für die Bemühungen zur Eindämmung der aktuellen Pandemie eine gute Nachricht ist. Einerseits war es laut dem Virologen Dr. Viktor Corman vom Konsiliarlaboratorium für Coronaviren der Berliner Charité bei SARS-CoV-1 vor allem diese Eigenschaft des Erregers, die in den Jahren 2002 und 2003 eine schnelle Beendigung des Ausbruchs ermöglichte. »Seitdem zirkuliert der SARS-Erreger nicht mehr in der Bevölkerung«, sagte Corman Anfang März bei einer Fortbildungsveranstaltung des Centrums für Reisemedizin (CRM) in Berlin.

Andererseits betonen Frieden und Lee in ihrem Artikel, dass für die Eindämmung von Erregern, die sich (auch) per SSE verbreiten, Zeit der entscheidende Faktor ist. »Zu Beginn einer Epidemie führen SSE zu einem explosionsartigen Anstieg der Fallzahlen, in späteren Phasen zu einer anhaltenden Übertragung«, schreiben sie. SARS-CoV-2 hat sich von Wuhan aus bereits auf der ganzen Welt ausgebreitet – der Zeitpunkt, bis zu dem man die »explosionsartige« Ausbreitung der Pandemie hätte stoppen können, wurde offensichtlich verpasst.

Dennoch ließen sich aus vergangenen SSE auch für die aktuelle Situation Lehren ziehen, so die Autoren. Wichtig sei, dass einzelne Superspreader stets nur in der Rückschau identifiziert werden könnten. SSE seien daher schwierig vorherzusagen und zu verhindern. Bestimmte Eigenschaften des Pathogens und des Wirts sowie Umwelt- und Verhaltensfaktoren begünstigten sie aber. Aus der Kenntnis dieser Faktoren ließen sich Maßnahmen ableiten, die die Wahrscheinlichkeit für SSE reduzierten.

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