Wenn Medikamente das Leben bedrohen |
Unter den Wirkstoffen Zolpidem und Alprazolam kam es gehäuft zu Meldungen von suizidalem Verhalten in den USA. Hier verschwimmen allerdings verschiedene Einflüsse wie eine potenzielle Nebenwirkung, eine exzessive Anwendung oder eine gezielte Selbstvergiftung miteinander. Klarheit können nur weitere Untersuchungen bringen, die den genauen Wirkmechanismus analysieren. Ähnlich verhält es sich mit weiteren Benzodiazepinen, Oxycodon, Morphin, Ibuprofen, Paracetamol, Amlodipin und Metformin. Hier korreliert einerseits das Risiko für suizidales Verhalten mit der Häufigkeit der Verordnungen und andererseits mit der weiten Verbreitung und relativ einfachen Beschaffbarkeit.
Für weitere Wirkstoffe gibt es Fallberichte bezüglich eines erhöhten suizidalen Risikos, jedoch keine Studien, die einen direkten Zusammenhang nachweisen konnten. Dazu gehören die Wirkstoff-Kombination aus Lumacaftor/Ivacaftor, die bei zystischer Fibrose eingesetzt wird, das Zytostatikum Paclitaxel, die monoklonalen Antikörper Adalimumab und Infliximab, das Antitussivum Dextromethorphan sowie das β-Sympathomimetikum Formoterol. Zu diesem Schluss kommen die Autoren einer Übersichtsarbeit, die vergangenes Jahr im Fachjournal »JMIR Public Health & Surveillance« publiziert wurde.
Ebenfalls von der EMA untersucht wurden Fälle von Suizidalität unter der Anwendung von GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid und Liraglutid. Die Auswertung einer Studie aus den USA und einer eigenen Untersuchung der EMA konnten diesbezüglich aber vorerst Entwarnung geben.
Auch unter der Einnahme von oralen Kontrazeptiva (Kombinations- und Monopräparate) kann laut einem Rote-Hand-Brief aus dem Jahr 2019 besonders zu Therapiebeginn ein stark erhöhtes Risiko für selbstverletzende Gedanken auftreten. Dies wird insbesondere als Folge der Nebenwirkung einer (schweren) Depression genannt, welche häufig (<1/10) beschrieben wird.
Es ist in der Apotheke sehr schwer, suizidales Verhalten aufgrund einer medikamentösen Therapie zu erkennen. Die Betroffenen ziehen sich sozial zurück, ändern plötzlich typische Alltagsstrukturen, verhalten sich risikoreich oder sprechen die Gedanken indirekt an. Bei einem entsprechenden Verdacht sollte der Patient sofort an den behandelnden Arzt verwiesen werden. Bei der Abgabe von Arzneimitteln mit einem erhöhten Risiko sollte immer geschaut werden, wie relevant der Hinweis tatsächlich ist. Sinnvoll ist es, Angehörige mit einzubeziehen, um eine mögliche Verhaltensänderung rechtzeitig zu erkennen.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie nicht mehr weiterleben möchten, oder denken Sie daran, Ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen? Reden hilft und entlastet. Die Telefonseelsorge hat langjährige Erfahrung in der Beratung von Menschen in suizidalen Krisen und bietet Ihnen Hilfe und Beratung rund um die Uhr am Telefon (kostenfrei) sowie online per Mail und Chat an. Rufen Sie an unter den Telefonnummern 0800 1110111 und 0800 1110222 oder melden Sie sich unter www.telefonseelsorge.de. Die Beratung erfolgt anonym.