Wenn das Auge in die Jahre kommt |
Für Menschen, die brillen- beziehungsweise kontaktlinsenfrei leben möchten, kommen verschiedene chirurgische Verfahren in Betracht. Laser-Verfahren setzen an der Hornhaut an. »Will man das Sehen in der Nähe durch ein Hornhaut-basiertes Verfahren verbessern, geht dies nur über eine Monovision oder eine Verbesserung der Tiefensehschärfe«, sagt Kohnen.
Eine operativ herbeigeführte Monovision funktioniert bei etwa 60 Prozent der Behandelten gut. Da nicht jeder damit klarkommt, sollte man vor einem Eingriff mit Kontaktlinsen testen, ob die Korrektur individuell funktioniert. Benötigt man mit fortschreitendem Alter wegen eines Grauen Stars später doch noch Kunstlinsen, müssen diese an die unterschiedlichen Sehstärken angepasst werden.
Bei anderen Verfahren erzeugen Ophthalmologen mithilfe des Lasers konzentrische Ringe auf der Hornhautoberfläche, wodurch Brennpunkte für die Nähe, den Intermediärbereich und die Ferne entstehen.
Eine weitere Option: ein sogenanntes KAMRA-Inlay. Hierbei handelt es sich um eine hauchdünne schwarze Kunststoffscheibe, die in die Hornhaut implantiert wird. Sie hat im Zentrum eine Fixblende von 1,6 mm Durchmesser und erhöht über das Prinzip der Lochkamera die Tiefenschärfe. Die Implantate werden nur auf einer Seite – in die Hornhaut des schwächeren Auges – eingesetzt. Bei Problemen mit der Funktion können die Implantate auch wieder entfernt werden.
Eine Kunstlinse ist die Alternative. »Oft bietet es sich an, die Linse auszutauschen«, sagt der Augenexperte. Dies sei etwa der Fall, wenn zur Alterssichtigkeit noch eine Linsentrübung durch einen Grauen Star hinzukommt, oder als refraktiver Linsenaustausch (RLA). Die körpereigene Linse wird dabei entfernt und eine Kunstlinse in den Kapselsack implantiert. Auch hier gibt es viele Varianten von unterschiedlichen Linsentypen mit entsprechenden Vor- und Nachteilen, die individuell ausgesucht werden müssen.
Eine pharmakologische Alternative, die seit 2021 in den USA zur Behandlung der Presbyopie zugelassen ist, stellt Pilocarpin dar. Das Alkaloid aus dem südamerikanischen Pilocarpus-Strauch ist bereits aus der Glaukomtherapie bekannt. In die Augen getropft verengt das direkte Parasympathomimetikum die Pupille. Das verbessert die Tiefenschärfe und erzeugt einen Effekt ähnlich wie bei einer Lochblende. Zur Therapie der Alterssichtigkeit müssten Pilocarpin-Augentropfen täglich angewendet werden. Nach demselben Prinzip wirksam und auch genauso anzuwenden sind Augentropfen mit Aceclidin, die kürzlich ebenfalls in den USA bei Presbyopie zugelassen wurden.
In Europa gibt es derzeit noch keine Zulassung für die Wirkstoffe in dieser Indikation. Als Nebenwirkungen können Kopfschmerzen und Reizungen des Auges auftreten sowie eine verschwommene Sicht und Schwierigkeiten beim Sehen in der Dämmerung. Das kann insbesondere die Fahrtüchtigkeit beeinflussen.
All diese Therapien können helfen, die fehlende Akkommodation bis zu einem gewissen Maß auszugleichen. Einen Ersatz für sie gibt es aber bislang nicht. »Seit über 50 Jahren wird daran geforscht. Aber dieser schöne Mechanismus ist bis jetzt noch nicht geknackt und der lässt sich nicht kopieren«, so Kohnen.
Und warum hilft manchem eine Handy-Taschenlampe, um im Restaurant die Speisekarte doch noch lesen zu können? Kohnen: »Das hat mit dem Kontrast zu tun. Wenn es dunkel ist, ist der Kontrast schwächer. Kann man also im Nahbereich schon nicht mehr so gut lesen, weil die Linse nicht mehr so gut akkommodieren kann, verstärkt sich das noch durch den schwächeren Kontrast. Zu Beginn einer Alterssichtigkeit kann also eine Taschenlampe noch helfen. Mit zunehmendem Alter wird das aber auch wegfallen.«