Wenn Algorithmen den Puls fühlen |
| Christina Hohmann-Jeddi |
| 22.10.2025 07:00 Uhr |
Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet von KI ist die Bildgebung. Beispiel Herz-Ultraschall: Hier hänge die Qualität zum einen vom Untersuchenden ab, aber auch vom Zeitpunkt der Untersuchung. Die Variabilität kann durch KI reduziert werden. Eine KI-Unterstützung sei bei den meisten Ultraschallgeräten bereits integriert, informierte Breitbart.
Auch bei der Magnetresonanztomografie des Herzens werde KI bereits eingesetzt. Dadurch würden weniger Aufnahmen als bisher benötigt, was die Untersuchung für Patienten erleichtere. Auch rechne die KI Artefakte heraus.
In der Untersuchung der Blutgefäße mittels Computertomografie (CT-Angiografie) geben KI-Tools die Verengung und die Plaque-Last automatisiert und sehr präzise an. »Das ist inzwischen eines der Haupteinsatzgebiet der KI im kardiologischen Alltag«, sagte der Experte. Auf diese Weise lässt sich eine koronare Herzerkrankung (KHK) und deren Vorstufen erkennen.
Was in kardiologischen Praxen in Deutschland bislang nicht oder nur vereinzelt zum Einsatz kommt, sind KI-unterstützte Stethoskope. Studiendaten zu einem solchen smarten Stethoskop, das neben den Herzgeräuschen auch ein EKG aufzeichnet und mittels KI auswertet, hatte vor Kurzem ein Forschungsteam aus London beim Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in Madrid vorgestellt.
Wie die Untersuchung in 200 Hausarztpraxen in Großbritannien zeigte, ließen sich mit dem smarten Stethoskop Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und Herzklappenerkrankungen rascher diagnostizieren als ohne seinen Einsatz. »Was die Kollegen aus London gemacht haben, ist inhaltlich sehr überzeugend«, so Breitbarts Einschätzung. »Je nach Erkrankung wurden die Diagnosen mit der KI-Unterstützung doppelt oder dreimal häufiger gestellt als nach einer herkömmlichen Untersuchung.« Auffällig war aber auch eine hohe Rate an falsch-positiven Befunden in der Studie, also an Fehlalarmen bei gesunden Menschen. »Das ist ein grundsätzliches Problem bei KI-Tools, dass man Menschen teilweise initial krank macht, die gar nicht krank sind und so bis zur weiterführenden Diagnostik verunsichert.« Hier müsse man sehr vorsichtig sein.
Für einen Einsatz von KI-basierten Stethoskopen in kardiologischen Praxen in Deutschland sieht Breitbart keinen Grund: »Die Patienten erhalten beim Spezialisten ohnehin ein EKG oder ein Herz-Ultraschall und das ist sehr viel genauer.« Für sinnvoller hält Breitbart den Einsatz eines solchen Geräts in Hausarztpraxen, um mögliche Risikopatienten zum Kardiologen überweisen zu können. Ob Hausärzte in ihrer engen Taktung dazu kämen, Patienten mit einem smarten Stethoskop zu untersuchen, bezweifelt er aber.
Von dem Nutzen von Smartwatches – zur Identifizierung von Risikopatienten – ist Breitbart dagegen überzeugt: »Die Geräte sind gut, man muss sie aber gezielt einsetzen.« Geeignet seien sie etwa, um Patienten mit episodenartigen Herzrhythmusstörungen korrekt zu diagnostizieren. Wenn die Episoden nur alle drei oder vier Monate auftreten, sind sie schwierig zu dokumentieren. Patienten, die diese Episoden spüren, könnten sie in einem Ein-Kanal-EKG, das sie bewusst starten, aufzeichnen. Für Patienten, die diese Episoden nicht spüren, seien Wearables geeignet, die die Herzfrequenz mittels PPG kontinuierlich messen.