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KI in der Kardiologie

Wenn Algorithmen den Puls fühlen

Die künstliche Intelligenz (KI) verändert die Kardiologie derzeit rasant – vor allem in der Diagnostik. Über die Möglichkeiten und Risiken sprach die PZ mit dem Kardiologen Privatdozent Dr. Philipp Breitbart.
AutorKontaktChristina Hohmann-Jeddi
Datum 22.10.2025  07:00 Uhr

Smartwatches schreiben EKGs, Softwareprogramme werten Bildgebungsdaten aus – KI ist in vielen Bereichen der Kardiologie schon Realität. Ihr Einsatz wird noch zunehmen und könnte die Fachrichtung grundlegend verändern. Das betonte Privatdozent Dr. Philipp Breitbart vom MVZ Cardioangiologisches Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt und Main-Taunus im Gespräch mit der PZ.

»Grundsätzlich gibt es große Chancen für KI in allen Bereichen der Kardiologie, von der Aufklärung der Patienten über die Anamnese, Diagnostik bis hin zur Überwachung der Therapie.« Am stärksten eingesetzt werde KI bereits in der Diagnostik – vor allem bei der Auswertung des Elektrokardiogramms (EKG) und bei der Herzrhythmusüberwachung durch Smartwatches.

»Die Auswertung eines EKG, das die elektrische Aktivität des Herzens misst, ist komplex, vor allem aufgrund der großen Datenmengen, die hier zusammenkommen«, sagte der Experte. Denn in kardiologischen Praxen werden bei einem EKG simultan zwölf Ableitungen aufgezeichnet. »Ein einziges EKG enthält somit mehr als 120.000 Datenpunkte.« KI-Tools helfen, in diesen Daten Muster zu erkennen, die etwa auf Vorhofflimmern hinweisen.

Gerade in frühen Stadien tritt Vorhofflimmern unregelmäßig auf und bleibt häufig unentdeckt. Eine rechtzeitige Diagnose dieser Herzrhythmusstörung ist jedoch entscheidend, denn Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. »Ein Drittel aller Schlaganfälle, deren Ursache initial unklar bleibt, geht auf unentdecktes Vorhofflimmern zurück und wäre durch eine rechtzeitige Therapie zu verhindern gewesen«, so der Kardiologe.

Rhythmusstörungen erkennen – vom Wearable bis zum Handy

Rhythmusstörungen lassen sich auch mittels Wearables und Smartphone erkennen. So messen Smartwatches die Herzfrequenz (Puls) in der Regel mithilfe der Photoplethysmografie (PPG), bei der Infrarotlicht durch die Haut auf das Blut im Handgelenk gestrahlt und dessen Reflexion gemessen wird. Hierfür befinden sich eine Leuchtdiode und Sensoren auf der Unterseite der Uhr. Da Hämoglobin Infrarotlicht absorbiert, verändern sich die Reflexionswerte je nach Blutmenge, wodurch das Gerät die Pulswellen berechnet und daraus Herzfrequenz, Rhythmusstörungen oder den Blutdruck ableiten kann. Nach demselben Prinzip lässt sich auch die Herzfrequenz mittels Smartphone ermitteln, indem das Blitzlicht der Handykamera genutzt wird, um Blutvolumenänderungen im Finger zu messen.

Viele Smartwatches können auch ein einfaches EKG erstellen. Hierfür nutzen sie elektrische Signale des Herzens, die auch auf der Haut messbar sind. Der Nutzer trägt die Uhr am Handgelenk und berührt mit einem Finger einen speziellen Sensor, wodurch in etwa 30 Sekunden ein Ein-Kanal-EKG aufgezeichnet wird, das insbesondere Herzrhythmusstörungen erkennen kann. »Dafür muss im Hintergrund KI arbeiten«, sagte Breitbart. Die Qualität sei »wirklich gut«.

KI als Unterstützung in der Bildgebung

Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet von KI ist die Bildgebung. Beispiel Herz-Ultraschall: Hier hänge die Qualität zum einen vom Untersuchenden ab, aber auch vom Zeitpunkt der Untersuchung. Die Variabilität kann durch KI reduziert werden. Eine KI-Unterstützung sei bei den meisten Ultraschallgeräten bereits integriert, informierte Breitbart.

Auch bei der Magnetresonanztomografie des Herzens werde KI bereits eingesetzt. Dadurch würden weniger Aufnahmen als bisher benötigt, was die Untersuchung für Patienten erleichtere. Auch rechne die KI Artefakte heraus.

In der Untersuchung der Blutgefäße mittels Computertomografie (CT-Angiografie) geben KI-Tools die Verengung und die Plaque-Last automatisiert und sehr präzise an. »Das ist inzwischen eines der Haupteinsatzgebiet der KI im kardiologischen Alltag«, sagte der Experte. Auf diese Weise lässt sich eine koronare Herzerkrankung (KHK) und deren Vorstufen erkennen.

Smartes Stethoskop noch nicht im Einsatz

Was in kardiologischen Praxen in Deutschland bislang nicht oder nur vereinzelt zum Einsatz kommt, sind KI-unterstützte Stethoskope. Studiendaten zu einem solchen smarten Stethoskop, das neben den Herzgeräuschen auch ein EKG aufzeichnet und mittels KI auswertet, hatte vor Kurzem ein Forschungsteam aus London beim Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in Madrid vorgestellt.

Wie die Untersuchung in 200 Hausarztpraxen in Großbritannien zeigte, ließen sich mit dem smarten Stethoskop Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und Herzklappenerkrankungen rascher diagnostizieren als ohne seinen Einsatz. »Was die Kollegen aus London gemacht haben, ist inhaltlich sehr überzeugend«, so Breitbarts Einschätzung. »Je nach Erkrankung wurden die Diagnosen mit der KI-Unterstützung doppelt oder dreimal häufiger gestellt als nach einer herkömmlichen Untersuchung.« Auffällig war aber auch eine hohe Rate an falsch-positiven Befunden in der Studie, also an Fehlalarmen bei gesunden Menschen. »Das ist ein grundsätzliches Problem bei KI-Tools, dass man Menschen teilweise initial krank macht, die gar nicht krank sind und so bis zur weiterführenden Diagnostik verunsichert.« Hier müsse man sehr vorsichtig sein.

Für einen Einsatz von KI-basierten Stethoskopen in kardiologischen Praxen in Deutschland sieht Breitbart keinen Grund: »Die Patienten erhalten beim Spezialisten ohnehin ein EKG oder ein Herz-Ultraschall und das ist sehr viel genauer.« Für sinnvoller hält Breitbart den Einsatz eines solchen Geräts in Hausarztpraxen, um mögliche Risikopatienten zum Kardiologen überweisen zu können. Ob Hausärzte in ihrer engen Taktung dazu kämen, Patienten mit einem smarten Stethoskop zu untersuchen, bezweifelt er aber.

Von dem Nutzen von Smartwatches – zur Identifizierung von Risikopatienten – ist Breitbart dagegen überzeugt: »Die Geräte sind gut, man muss sie aber gezielt einsetzen.« Geeignet seien sie etwa, um Patienten mit episodenartigen Herzrhythmusstörungen korrekt zu diagnostizieren. Wenn die Episoden nur alle drei oder vier Monate auftreten, sind sie schwierig zu dokumentieren. Patienten, die diese Episoden spüren, könnten sie in einem Ein-Kanal-EKG, das sie bewusst starten, aufzeichnen. Für Patienten, die diese Episoden nicht spüren, seien Wearables geeignet, die die Herzfrequenz mittels PPG kontinuierlich messen.

Viele Smartwatches mit guten Daten

Welche Uhr ist dafür geeignet? Eine Billiguhr sollte es Breitbart zufolge nicht sein. Doch viele Hersteller hätten inzwischen gute Daten für ihre Produkte. Eine vergleichende Untersuchung von fünf verschiedenen Uhren hatte 2023 gezeigt, dass die Geräte Vorhofflimmern alle ähnlich genau detektieren (»JACC: Clinical Electrophysiology«, DOI: 10.1016/j.jacep.2022.09.011). Der Anteil an nicht auswertbaren Sequenzen unterschied sich aber von Produkt zu Produkt, was die diagnostische Genauigkeit herabsetzte.

In einer aktuelleren belgischen Untersuchung vom Januar 2025 wurden Herzrhythmusmessungen mithilfe eines tragbaren Sechs-Kanal-EKG-Geräts, eines Smartwatch-basierten Ein-Kanal-EKGs und zweier PPG-basierter Smartphone-Apps mit einem Zwölf-Kanal-EKG als Goldstandard verglichen (»JMIR Formative Research«, DOI: 10.2196/65139). Das Ergebnis: Die Sensitivität zur Erkennung von Vorhofflimmern betrug bei allen Geräten 100 Prozent. Die Spezifität zur Erkennung des Sinusrhythmus lag zwischen 96,4 Prozent und 98,9 Prozent. Signifikante Leistungsunterschiede gab es keine.

Breitbart sieht die Entwicklung der KI positiv: »Die Künstliche Intelligenz wird die Arbeitsdefinition in der Kardiologie komplett verändern – eventuell in Richtung Pilot, der mit einem Autopiloten arbeitet.« Dabei könnten KI-Tools den Kardiologen einige Aufgaben abnehmen, auch Dokumentationspflichten und das Schreiben von Arztbriefen, sodass mehr Zeit für die Betreuung des Patienten bleibe.

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