Weniger Haftungsrisiko, mehr Biss? |
| Cornelia Dölger |
| 27.10.2025 15:10 Uhr |
Versender wie Doc Morris umgehen Preisregeln für verschreibungspflichtige Medikamente, müssen bislang aber keine Sanktionen fürchten. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) will die Schiedsstelle, die Preisbrecher sanktionieren soll, stärken. / © Doc Morris
Mit ihren sich überbietenden Rabattaktionen verstoßen EU-Versender laufend gegen geltendes Sozialrecht in Deutschland. Das verneint niemand, es geht aber auch niemand dagegen vor. Es wird lediglich litaneiartig auf eindeutige Regelungen verwiesen, die Boni auf Rx verbieten. Konsequenzen müssen die Versender nicht fürchten, da sich keine Stelle berufen fühlt, diese Regelung durchzusetzen.
Die Lage ist ja auch unübersichtlich. Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2016 die Rx-Preisbindung für EU-Versender aufhob, wedeln Doc Morris und Co. mit einem Freifahrtschein, laufend Preisregeln zu reißen; man sieht sich vom EU-Urteil gedeckt. Seit 2020 gibt es aber einen nationalen Hebel gegen die Rabattschlachten: Mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) wurde das Rx-Boniverbot im SGB V verankert. Der Effekt auf das Marktverhalten der Versender ist aus genannten Gründen allerdings überschaubar bis nicht vorhanden.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) weiß das und will aktiv werden. Im Blick hat es dabei die Selbstverwaltung. Konkret strebt das BMG laut dem Referentenentwurf zur Weiterentwicklung der Apothekenversorgung (ApoVWG) eine »Stärkung der zuständigen Stelle für die Ahndung von Verstößen gegen die Preisbindung« an. Die so genannte Paritätische Stelle wurde mit dem VOASG etabliert. Ihr gehören je drei Vertreter vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und vom Deutschen Apothekerverband (DAV) an. Die gemeinsame Schiedsstelle hat sich als wenig schlagkräftig erwiesen, weil die Vertragspartner ein Problem mit dem Haftungsrisiko haben.
Denn bis dato ist eine persönliche Haftung der einzelnen Mitglieder zumindest nicht ausgeschlossen, was den Handlungsspielraum einschränkt. Bis zum zeitweisen Ausschluss aus der Versorgung könnten die Sanktionen theoretisch reichen – aber in der Praxis kamen Sanktionen gegen Versender noch nie vor, wie der Kassenverband unlängst gegenüber der PZ erklärte. Vielmehr solle die Aufsicht über den Versandhandel und damit auch das Haftungsrisiko bei einer staatlichen Stelle angesiedelt werden, so der Vorschlag der Kassen.
Auch ABDA-Präsident Thomas Preis hatte beim Deutschen Apothekertag (DAT) gefordert, dass Versender, die sich nicht an geltendes Recht halten, von der Versorgung ausgeschlossen werden sollten. Das Einhalten von Verordnungen sei Aufgabe des Staates ; keiner der Vertragspartner sei gegebenenfalls in der Lage, angedrohte Schadenersatzforderungen zu bezahlen.
Das BMG sieht die Sanktionierung aber nicht in staatlicher Hand. Vielmehr setzt es auf weniger Risiko für die Selbstverwaltung. So sieht der Referentenentwurf nun also vor, »das Haftungsrisiko für die Ahndung solcher Verstöße auf die Vertragspartner des Rahmenvertrages zu gleichen Teilen zu übertragen«.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte beim DAT angekündigt, dass sie mit der Apothekenreform eine Stärkung der gemeinsamen Schiedsstelle plane. Es bestehe bereits »die Möglichkeit, dass die GKV und die Apothekerschaft gegen diese Rechtsbrüche vorgehen«, so Warken in Düsseldorf. Sie sagte zu, den Vertragspartnern den Rücken zu stärken.