Welche Apps helfen beim Abnehmen? |
Daniela Hüttemann |
27.01.2022 18:00 Uhr |
Apps zum Abnehmen arbeiten mit Ernährungs- und Bewegungstagebüchern, um das Ess- und Gesundheitsverhalten bewusst zu machen und positiv zu verändern (hier »Zanadio«). / Foto: Zanadio
Wenn der Body-Mass-Index (BMI) über 25 kg/m2 liegt oder sich Bauchfett angesammelt hat, ist eine Gewichtsabnahme aus gesundheitlichen Gründen grundsätzlich anzuraten. Bekanntlich scheitern viele Menschen jedoch daran, vor allem wenn sie ihr Vorhaben allein umsetzen sollen – oder sie landen im Jo-Jo-Effekt.
Laut Robert-Koch-Institut sind zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen in Deutschland übergewichtig, jeweils ein Viertel sogar adipös , Tendenz steigend. »Es gibt immer mehr Betroffene, aber keine adäquate Versorgung«, beschreibt die Psychologin Dr. Nora Mehl die Situation. »Wir wollen dabei helfen, diese Lücke zu schließen«, so die Mitgründerin von Aidhere, Anbieter der Medizin-App »Zanadio«.
Statt um eine reine Diät sollte es immer um eine dauerhafte Veränderung von Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltensmustern gehen. Hier setzen die beiden digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) »Zanadio« und »Oviva Direkt für Adipositas« an. Als DiGA sind sie vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft und wissenschaftlich untersucht und grenzen sich damit von den Massen von Apps zur Gewichtsreduktion ab, unter denen es auch viele unseriöse gibt.
DiGA sind verordnungsfähig; die Krankenkassen übernehmen also die Kosten, sofern Indikation (in diesem Fall ein BMI zwischen 30 und 40 kg/m2) und Kontraindikationen eingehalten werden. Nach der Verordnung gibt es einen Freischaltcode, dann kann es losgehen. Das Apothekenteam kann adipöse Patienten, die Hilfe beim Abnehmen suchen, auf diese Möglichkeit aufmerksam machen.
Anders als bei einer ärztlich verordneten Ernährungsberatung muss der Patient keinen Antrag stellen oder in Vorleistung gehen. »Das ist für viele Betroffene zu kompliziert«, berichtet Psychologin Mehl, die selbst aus der Adipositas-Forschung kommt, aus Erfahrung.
Mit Bewegung erhöht man sein Tagesbudget an Kalorien. / Foto: Zanadio
Wichtig ist ihr: »Zanadio ist kein Lifestyleprodukt und keine Diät, sondern ein Behandlungsprogramm, das sich zum einen an den Leitlinien orientiert, zum anderen aber keinen One-Size-Fits-All-Ansatz hat, sondern dabei hilft, die individuellen Stellschrauben beim Verhalten zu finden und langfristig in den Alltag zu integrieren.« Dabei helfen nicht nur das strukturierte Schulungsprogramm mit vielen Videos und künstliche Intelligenz mit Rückmeldungen und Wochenberichten, sondern per Chat im Kundensupport auch zertifizierte Ernährungsberater, Physiotherapeuten und andere Fachleute.
Zanadio war eine der ersten DiGA überhaupt. »In den ersten 13 Monaten wurde unsere App etwa 11.000-mal verordnet«, so Mehl. Eine Verordnung ist ein Quartal lang gültig und kann mehrmals verlängert werden. Zanadio ist auf zwölf Monate ausgelegt; jeden Monat gibt es ein neues Schwerpunktthema wie gesunde Routinen, Umgang mit Stress oder »Meal Prepping«.
Wenn die Motivation, also die Nutzung der DiGA einmal nachlässt, gibt es ermutigende Erinnerungen. »Es ist okay, wenn es nach zwei Monaten mal weniger gut läuft oder das Tempo abnimmt – es geht ja ums langfristige Dranbleiben«, meint die Psychologin.
Erfolge zu visualisieren hilft, motiviert zu bleiben. / Foto: Oviva
Ähnlich funktioniert »Oviva Direkt für Adipositas« des Potsdamer Unternehmens Oviva. »Seit unserer Gründung 2014 haben wir bereits mehr als 200.000 Patienten betreut und sind neben Deutschland auch in Großbritannien, Frankreich und der Schweiz aktiv«, erzählt Dr. Stefan Schmidt, Mediziner und Head of Partnerships & Business Development bei Oviva. In Deutschland werden die Patienten durch ein Team von mehr als 60 zertifizierten Ernährungsberaterinnen und -beratern betreut.
Auch bei dieser DiGA ist der Ansatz multimodal und fußt auf den drei Säulen Ernährung, Bewegung und Verhaltenstherapie. »Während der Teilnahme wird jeder Patient von einer persönlichen Ernährungsberaterin betreut, die über die Dauer der Anwendung gleichbleibt«, erklärt Schmidt. Zu Beginn erhalten alle Patienten, die das wünschen, ein Startgespräch, bei dem die individuellen Ziele der Therapie definiert werden. Weitere Fragen sind jederzeit über Chat möglich. Neben Tagebuch und Chat gibt es auch hier eine Rubrik »Lernen«.
Eine Verordnung für eine DiGA ist für drei Monate gültig. Die Therapie kann mit Folgeverordnungen verlängert werden. »Unsere Erfahrung zeigt: Je länger, desto besser die Ergebnisse, denn so schnell schafft man es nicht von einer Adipositas zu dauerhaftem Normalgewicht«, berichtet Schmidt. Beide DiGA gegen Adipositas setzen auf eine sanfte, aber stetige Gewichtsabnahme, auch um die Patienten nicht zu überfordern und eine bleibende Änderung des Lebensstils zu erreichen.
Ganz ähnlich mit viel Psychologie und spielerischen Elementen funktioniert die App »Noom«. Die gleichnamige Firma wurde 2008 in den USA gegründet. »Die meisten Menschen wissen, dass sie sich gesünder ernähren, mehr bewegen, weniger gestresst sein und besser schlafen sollten, aber die meisten von uns wissen nicht, wie. Noom gibt ihnen das Wie – und das Warum, das sie befähigt, die Kontrolle über ihre Gesundheit zu übernehmen«, erklärt Mitgründer Saeju Jeong auf der Website. In den USA war Noom 2017 die erste anerkannte Diabetes-Präventions-App. 2020 machte das Unternehmen 400 Millionen Dollar Umsatz.
Wenn man sich für das Programm anmelden will, muss man einen ausführlichen Fragebogen zu seinen persönlichen Zielen und Lebensgewohnheiten ausfüllen. Dann ermittelt das Programm auf Basis von Daten gleichaltriger Nutzer mit ähnlichen Angaben, was bei diesen erfolgreich war, und schneidert einen Kurs zusammen mit sich steigernden, aber machbaren Aufgaben, zum Beispiel jeden Tag die Schrittzahl um 300 zu erhöhen. Es sind bereits mehr als 1,5 Millionen Benutzerprofile vorhanden.
»Noom« setzt in erster Linie auf Psychoedukation und arbeitet mit Quizzen, um Gelerntes zu vertiefen (die App ist auf Deutsch verfügbar). / Foto: Noom
Persönliche Beratung gibt es auch hier per Chat, ganze Gespräche lassen sich zubuchen. Etwas schwierig ist die Preisstruktur zu durchschauen. Da die errechneten Pläne individualisiert werden, variieren auch die Preise. Es gibt eine kostenlose 14-tägige Testphase, ein anschließendes Abo für zwei Monate mit automatischer Verlängerung kostet derzeit 79 Euro.
Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl ist vielen aus den Medien als »Ernährungs-Doc« bekannt. / Foto: MyFoodDoctor/Andreas Sibler
Ebenfalls ähnlich, aber nicht so umfassend und ohne persönliches Coaching funktioniert »My Food Doctor« von Ernährungsmediziner und TV-Arzt Dr. Matthias Riedl. Hier ist das Ziel, 20 Prozent seines Essverhaltens umzustellen und so ohne Hunger Schritt für Schritt Gewicht zu verlieren. Die kostenlose Basisversion enthält ein Ernährungstagebuch. Die Vollversion kostet 4,99 Euro pro Monat bei zwölf Monaten Laufzeit. Dafür gibt es automatische Analysen der eingegebenen Mahlzeiten und Lektionen, um neue Gewohnheiten zu trainieren.
Dr. Eckart von Hirschhausen hat ebenfalls eine eigene Abnehm-App, die auf den Prinzipien des Intervallfastens beruht. / Foto: Gruner&Jahr
Ein siebenwöchiges Programm auf der Basis von Intervallfasten ist die »Hirschhausen-Diät« vom gleichnamigen prominenten Mediziner Dr. Eckart von Hirschhausen. Anbieter ist der Verlag Gruner & Jahr. Das Programm bietet Höreinheiten mit Anekdoten von ihm, Aufgaben, Übungsbögen und Motivationshilfen, aber keine persönliche Beratung. Es gibt eine Gratisversion mit Intervall-Timer, drei Tage (Selbst-)Coaching mit Wochenaufgabe und etwas Audio- und Videomaterial. Die dauerhafte Vollversion kostet einmalig 99,99 Euro, der Drei-Monats-Zugang 39,99 Euro.
Die Apps unterscheiden sich alle leicht in der Nutzerführung und darin, wie die Mahlzeiten erfasst werden. Das ist am Anfang etwas zeitaufwendig, aber so lernt der Abnehmwillige, Portionsgrößen und Kaloriendichte besser einzuschätzen. Noom beispielsweise fordert zusätzlich etwa zehn Minuten Zeit für die Lektionen. Hier wird aber bewusst nicht ständig neuer Inhalt freigeschaltet, sondern auf den nächsten Tag verwiesen, um den Nutzer nicht zu überfordern. Insgesamt beschäftigt man sich schätzungsweise zumindest am Anfang etwa eine Stunde am Tag mit den Eintragungen und Lektionen.
Schrittzähler können zu mehr Bewegung motivieren – noch besser geht es mit Gleichgesinnten. / Foto: Adobe Stock/Rido
Die Preise der hier vorgestellten Apps können gemessen an den gebotenen Features und gegebenenfalls persönlicher Beratung als angemessen angesehen werden, vergleicht man damit, wie viel beispielsweise Fitnessstudios und Formula-Produkte kosten. Ausführlichere Informationen und Erklärvideos sind auf den jeweiligen Homepages zu finden.
Wer kostenlose Unterstützung sucht, kann zum Beispiel die Basisversion von »Yazio« mit Kalorienzähler, Ernährungstagebuch, Fasten-Tracker, Rezepten, Ernährungsplänen und Podcasts ausprobieren (enthält Werbung). Die Proversion ist werbefrei und enthält weitere Features.
Auch die Basisversionen von »Adidas Training« und »Adidas Running« mit vielen kostenlosen Fitnessvideos und Ernährungstipps sind kostenlos. In der großen Community lassen sich Gleichgesinnte finden, denn gemeinsam lassen sich die persönlichen Ziele besser erreichen – auch unterstützt vom Apothekenteam, indem es auf entsprechende Programme hinweist und nachfragt, wie es läuft.
In der neuen Serie »PZ App-Check« stellt die PZ digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) im zweiwöchentlichen Rhythmus indikationsbezogen vor, ergänzt durch weitere aus Sicht der Redaktion empfehlenswerte Gesundheits-Apps. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und es erfolgt keine detaillierte Bewertung. Geachtet wird etwa auf die Seriosität der Anbieter, die Verfügbarkeit sowohl für Apple- als auch Android-Nutzer und die Verfügbarkeit der App in deutscher Sprache. Abgeschlossene Artikel erhalten in der Regel kein Update, sondern spiegeln den Stand zum Veröffentlichungsdatum wider. Den Auftakt der Serie bildete der Artikel »Gesundheits-Apps: Wegweiser im App-Dschungel«.