Weitere Apotheken-Streiks in 2023? |
Carolin Lang |
10.11.2022 16:30 Uhr |
Der Streik Saarländischer Apotheken am 19. Oktober war laut Kammerpräsident Manfred Saar ein »gelungener Probelauf« für die möglicherweise anstehende Strukturreform 2023. / Foto: Adobe Stock/Friedberg
»Die Kammer war nicht dazu befugt, zum Streik aufzurufen«, beteuerte Saar bei der gestrigen Versammlung. »Aber da wir um die Existenz der Apotheken fürchten und davon auch direkt betroffen sind, haben wir den Streik befürwortet«, führte er aus. Am 19. Oktober 2022 hatten Apotheken im Saarland, wie auch in Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hamburg, die Offizinen ab 12 Uhr aus Protest geschlossen. Grund für den Streik war das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das der Bundestag dann einen Tag später beschlossen hatte. Die damit einhergehende Erhöhung des Kassenabschlags von derzeit 1,77 auf 2 Euro in den Jahren 2023 und 2024 sei ein »weiterer Schlag« gegen die Apotheker, so Saar.
Die sehr gute Akzeptanz und Teilnahme der meisten Apotheken waren laut Saar sehr ermutigend und die Aktion ein »gelungener Probelauf« für die möglicherweise anstehende Strukturreform im kommenden Jahr. Das Jahr 2023 böte die Chance, den »gesetzgeberisch großen Wurf« auf den Weg zu bringen und etwa die Einnahmen der Krankenkassen auf eine breitere Basis zu stellen oder kassenfremde Leistungen auszuklammern. »Wenn wir überleben wollen, müssen wir bundesweit einheitlich 2023 unsere Ziele formulieren, und gegebenenfalls konsequent dafür einstehen«, sagte Saar.
Als eines der in den vergangenen Wochen »beherrschenden Themen« in den Medien äußerte sich Saar auch zu regionalen und bundesweiten Versorgungslücken bei Arzneimitteln. »Das wäre den Medien keine Notiz wert gewesen, wenn nicht Fiebersäfte und damit Kinder betroffen wären«, meinte er und betonte, Apotheker dürften sich schon seit Jahren mit dem Thema Versorgungslücken herumschlagen. Dass es zu solchen Versorgungslücken kommt, habe verschiedene Gründe: Ein unterschiedliches Preisniveau in EU-Ländern, Lieferausfälle insbesondere der in China und Indien hergestellten Ausgangsstoffe, nur noch ein Lieferant weltweit, aber auch eine erhöhte Nachfrage wegen überflüssiger Verwendung von Arzneimitteln als Lifestyle-Präparate. »Wir, die Kammervertreter, fordern bereits seit vielen Jahren von der Politik, ob sie das hören will oder nicht, eine EU-weite, besser noch, eine nationale Lösung«, betonte er.
Ebenfalls Thema bei der gestrigen Mitgliederversammlung war der Mangel an pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA). Dass der Ausbildungsberuf attraktiver werden muss, um dem herrschenden Personalmangel entgegenzuwirken, hatte Saar bereits bei der vergangenen Kammerversammlung im Juni dieses Jahres betont und sprach sich dazu deutlich für eine dreijährige duale PTA-Ausbildung mit Vergütung aus. Beim Deutschen Apothekertag im September folgte der entsprechende Antrag der Kammer. Doch dieser ist »krachend gescheitert«, wie Carsten Wohlfeil, Geschäftsführer der Apothekerkammer des Saarlandes, rückblickend sagte. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ein Argument der Antragsgegner war, das zum ersten Januar 2023 in Kraft tretende PTA-Reformgesetz die PTA-Ausbildung in Teilzeit ermögliche. So könnten Auszubildende an schulfreien Tagen in einer Kooperationsapotheke arbeiten, was das Problem der mangelnden Ausbildungsvergütung in »ein anderes Licht« rücke. Wohlfeil hält es jedoch für unrealistisch, dass die PTA-Schulen solch ein Teilzeitmodell anbieten können und resümierte: »Aus unserer Sicht ist die Möglichkeit zur Teilzeit eine Totgeburt.«
So will die Apothekerkammer des Saarlandes auch künftig weiter auf die dreijährige duale PTA-Ausbildung mit Vergütung beharren. »Wir werden versuchen, die Kollegen umzustimmen und den Antrag jedes Jahr erneut stellen«, kündigte Saar an. »Der Leidensdruck, was den PTA-Mangel angeht, wird nicht kleiner, sondern größer. Vielleicht können wir dann etwas bewirken.«
Seit der Einführung der Pharmazeutischen Dienstleistungen im Juni dieses Jahres bietet diese inzwischen etwa jede zweite Apotheke in Deutschland an, wie aus einer Umfrage der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hervorgeht. Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch innerhalb des Saarlandes ab, wo insgesamt 46 von insgesamt etwa 270 Apotheken an der ABDA-Umfrage teilgenommen hatten. Die Zahlen stellte Wohlfeil gestern vor.
Etwa 46 Prozent der Apotheken gaben demnach an, bislang noch keine der Pharmazeutischen Dienstleistungen angeboten zu haben. Die Hälfte der Apotheken habe bereits Blutdruckmessungen, etwa 41 Prozent Inhalatoren-Schulungen und 43 Prozent die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation angeboten. Etwa 9 Prozent der Apotheken, die bisher noch keine Pharmazeutischen Dienstleistungen anbieten, planen dies auch in den nächsten zwölf Monaten nicht.