Wege aus dem Stimmungstief |
Gerade in der dunklen Jahreszeit leiden viele Menschen an depressiver Verstimmung. / © Adobe Stock/vicspacewalker
Phasen depressiver Verstimmung erlebt fast jeder ein- oder auch mehrmals. Meist gehen ihnen einschneidende, belastende Situationen voraus, zum Beispiel schwere Erkrankungen oder ein Todesfall im Familien- oder Freundeskreis, eine eigene lebensverändernde Diagnose oder auch ein Misserfolg in einer wichtigen Prüfung. Im Herbst und Winter können außerdem ein Mangel an Sonnenlicht und/oder wetterbedingt weniger Bewegung im Freien dazu beitragen. »Alles grau in grau«: So schildern Betroffene häufig ihr Empfinden. Energiemangel am Tag, Schlafstörungen während der Nacht oder ein Appetitmangel werden ebenfalls häufig geäußert. In manchen Fällen fühlen sich Betroffene außerdem vermehrt ängstlich beziehungsweise hegen eine anhaltende Befürchtung, etwas Schlimmes könne ihnen oder ihren Angehörigen bevorstehen.
Ob es sich im Einzelfall noch um eine depressive Verstimmung oder schon eine Depression handelt, lässt sich häufig nicht leicht sagen, denn die Grenzen können fließend sein. Viele Symptome treten in beiden Fällen auf: anhaltende Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und/oder Antriebslosigkeit. Einen Anhaltspunkt liefern die Zahl und Intensität sowie die Dauer der Beschwerden. Halten diese bereits mehrere Wochen an, sollte zum Arztbesuch geraten werden. Auch organische Ursachen wie eine bisher nicht entdeckte Schilddrüsenerkrankung können mit depressiven Beschwerden einhergehen. Auch dies kann nur eine ärztliche Untersuchung klären. Wenn die anhaltenden depressiven Symptome aus keinem erkennbaren äußeren Grund auftreten, kann es sich um eine endogene Depression handeln. Auch sie ist kein Fall für eine Selbstmedikation.
Wichtige Phytotherapeutika bei depressiver Verstimmung sind Präparate mit Johanniskraut (Hypericum perforatum). / © Adobe Stock/Natallia
In der Behandlung depressiver Verstimmungen und leichter Depressionen im Rahmen der Selbstmedikation stehen seit rund 40 Jahren Extrakte aus dem Johanniskraut zur Verfügung. Sie sind auch zur Behandlung mittelschwerer Depressionen zugelassen, dann aber verschreibungspflichtig. Die Palette an verfügbaren rezeptfreien Produkten reicht von Tee über Tinkturen und Frischpflanzensäften bis hin zu Tabletten/Kapseln. Auch die darin verwendeten Extrakte unterscheiden sich. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur hat sie bewertet. Drei Extrakte wurden demnach als well-established Use klassifiziert:
Zu den Extrakten, denen der HMPC einen traditional Use bescheinigt, zählen neben Trockenextrakten mit 38-prozentigem Ethanol als Extraktionsmittel und einem Droge-Extrakt-Verhältnis von 4 bis 7:1 auch geschnittene und pulverisierte Droge oder Frischpflanzensaft, Droge-Extrakt-Verhältnis 1:0,5 bis 0,9) (zum Beispiel Schoenenberger Naturreiner Heilpflanzensaft Johanniskraut).
Vor der Abgabe von Johanniskraut-Präparaten sollte stets nach weiteren angewendeten Arzneimitteln gefragt werden. Da Johanniskraut CYP3A4 und P-gp induziert, ist eine ganze Reihe von Wechselwirkungen möglich. Zu den möglichen Interaktionspartner zählen unter anderem Phenprocoumon, Ciclosporin und Proteasehemmer. Kontraindiziert ist Johanniskraut unter anderem, wenn Exemestan oder Palbociclib eingenommen werden. Entsprechende Wirkstoffe werden schneller abgebaut und ihre Wirksamkeit auf diese Weise herabgesetzt. Das gilt auch für hormonelle Kontrazeptiva, nicht nur in Form der »Pille«, sondern auch als Pflaster, Implantat oder Vaginalring. Es empfiehlt sich daher eine weitere, nicht hormonelle Verhütungsmethode.
Grundsätzlich gilt: Die Wirkung von Johanniskraut-Extrakten setzt erst nach zwei bis vier Wochen ein. Patienten darüber zu informieren, kann überzogenen Erwartungen vorbeugen. Bleiben die Beschwerden trotz regelmäßiger Anwendung weiterhin bestehen, ist ein Arztbesuch anzuraten.