Was vor dem Therapiestart zu beachten ist |
Brigitte M. Gensthaler |
19.03.2024 09:30 Uhr |
Angesichts von möglichen ARIA wie Ödemen und Mikroblutungen im Gehirn ist eine engmaschige Überwachung der Patienten notwendig. ARIA sind in Gehirn-Scans sichtbar und führen mitunter zu milden Symptomen. Damit diese frühen Veränderungen bemerkt und Therapie- und Kontrolltermine eingehalten werden, müssen Patienten laut Bürger »eine hervorragende Compliance haben und sozial eingebettet sein«.
Sehr sorgfältig abzuwägen beziehungsweise kontraindiziert ist die Lecanemab-Therapie bei Menschen mit erhöhtem Blutungs- oder Schlaganfallrisiko oder unter Antikoagulation, zum Beispiel aufgrund von Vorhofflimmern (VHF). Allerdings haben ältere Menschen ein höheres Risiko für VHF, das wiederum das Risiko eines Schlaganfalls erhöht. Berlit riet, neu auftretendes VHF zu behandeln und Lecanemab abzusetzen. Erleidet ein Lecanemab-Patient einen Schlaganfall, darf er keine Lysetherapie bekommen, da das Blutungsrisiko ansteigt.
Doch wie vermeidet man, dass ein anderer Arzt, der von der Antikörpertherapie nichts weiß, ein Antikoagulans verordnet? Bürger plädierte für einen Patientenpass.
Das ARIA-Risiko scheint bei Trägern des ApoE4-Gens relativ hoch zu sein. Bei homozygoten Personen lag die ARIA-Häufigkeit in Studien bei etwa 40 Prozent, berichtete Jessen. Manche Zentren in den USA würden ApoE4-Träger gar nicht behandeln. Er plädierte dafür, den ApoE4-Status vor Therapiebeginn immer zu bestimmen.
Auch die Kostenfrage sprachen die Experten an. Die aufwendige Diagnostik werde nicht angemessen vergütet, ebenso wenig das gesamte Setting in Praxen und Ambulanzen. Laut Bürger kostet allein die Diagnostik eine vierstellige Summe. Hinzu kommen die Therapie und deren Überwachung, denn die Patienten müssen alle zwei Wochen zur Infusion in die Ambulanz oder Klinik kommen. Pro Quartal ergäben sich vierstellige Behandlungskosten plus das Medikament. In den USA kostet es knapp 30.000 Dollar pro Jahr, umgerechnet etwa 25.000 Euro.
Jessen rechnet damit, dass Lecanemab im Fall einer europäischen Zulassung relativ schnell verfügbar sein wird. »Wir wünschen uns eine kontrollierte, verantwortungsbewusste Einführung. Aber in der Breite wird es auch anders angeboten werden.« Der Patientendruck sei sehr hoch; schon jetzt gebe es Patienten, die eine Behandlung als Selbstzahler einfordern oder in die USA zur Infusion reisen.