Was verschiedene Tests aussagen |
Die Schnelltests auf SARS-CoV-2-Antikörper sehen aus wie die bekannten Antigen-Schnelltests, erfordern aber statt eines Nasen-Rachen-Abstrichs einen Tropfen Kapillarblut. / Foto: Adobe Stock/Milos
Covid-19-Antikörpertests können grundsätzlich zur Klärung verschiedener Fragestellungen eingesetzt werden (Tabelle). Geht es um den Nachweis, ob jemand bereits eine Infektion durchgemacht hat, zielen die Tests auf Antikörper gegen das virale Nukleokapsid-Protein (N-Protein) ab. Solche Tests können einerseits in Labors durchgeführt werden; Kits für die Entnahme der erforderlichen Blutprobe werden in Drogerien angeboten und dürfen auch von Apotheken abgegeben werden. Andererseits gibt es für den Nachweis einer durchgemachten Infektion auch Schnelltests, die auf dem Lateral-Flow-Verfahren basieren und innerhalb weniger Minuten ein Ergebnis anzeigen.
Diese Tests fallen bei Personen, die infolge einer Impfung Immunzellen gegen SARS-CoV-2 gebildet haben, negativ aus. Denn alle derzeit verfügbaren Impfstoffe induzieren Antworten gegen das Spike-Protein (S-Protein) des Coronavirus, nicht aber gegen das N-Protein. Antikörper gegen das S-Protein lassen sich auch per Schnelltest nachweisen. Solche Tests führen sowohl bei Genesenen als auch bei erfolgreich Geimpften zu einem positiven Ergebnis. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass der Getestete vor schwerem Covid-19 geschützt ist. Denn hierfür reicht ein positiver Antikörpernachweis gegen das S-Protein allein nicht aus, sondern es bedarf eines nicht zu geringen Titers an spezifisch neutralisierenden Antikörpern (NAb).
NAb bilden eine Untergruppe der IgG-Moleküle, die das Spike-Protein erkennen. Sie sind in der Lage, eine Virusinfektion zu verhindern. Sie können in einem aufwendigen Verfahren im Labor direkt bestimmt werden. Alternativ dazu stehen mittlerweile aber auch Schnelltests zur Verfügung, die ein Surrogat-Verfahren nutzen. Sie weisen nicht direkt die NAb nach, sondern die Antikörper, die an die Rezeptorbindedomäne (RBD) des S-Proteins binden.
Antikörper, die an die Rezeptorbindedomäne des S-Proteins von SARS-CoV-2 andocken, können schwere Verläufe verhindern. / Foto: Getty Images/Design Cells
Man geht davon aus, dass ein hoher Titer RBD-bindender Antikörper vor einem schweren Covid-19-Verlauf beziehungsweise womöglich sogar vor einer Infektion schützt. Wie hoch der Titer dafür sein muss, ist allerdings momentan noch nicht abschließend geklärt. Daher sind diese Tests auch durchaus umstritten, wie etwa eine aktuelle Einlassung der KV Nordrhein zeigt. Unabhängig davon sind sie in vielen Apotheken bereits Realität oder könnten es werden. Daher sollten Grundkenntnisse zu den Testprinzipien vorhanden sein.
Für den Einsatz in den Apotheken eignen sich besonders die sogenannten Antikörper-Schnelltests, die als Lateral-Flow-Assays angeboten werden. Die Handhabung ist einfach und ein Ergebnis kann innerhalb von 15 bis 30 Minuten abgelesen werden. Momentan dürfen diese Tests nur von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden. Dazu zählt auch geschultes pharmazeutisches Personal, wie das Bundesgesundheitsministerium erst vor Kurzem auf Nachfrage der PZ klarstellte.
Testverfahren | Ergebnis |
---|---|
N-Protein-spezifische Antikörpertests | Nachweis von Antikörpern gegen das virale Nukleokapsid-Protein, die nur nach einer Infektion gebildet werden. |
S-Protein-spezifische Antikörpertests | Nachweis von Antikörpern gegen das virale Spike-Protein, die sowohl nach einer Infektion als auch nach einer Impfung mit den aktuell zugelassenen Impfstoffen gebildet werden.Eine Impfung war dann erfolgreich, wenn der S-Protein-spezifische Antikörpertest positiv und der N-Protein-spezifische Antikörpertest negativ ausfällt. |
NAb-spezifische Antikörpertests: direktes Nachweisverfahren | Nachweis von Antikörpern gegen die Rezeptorbindedomäne (RBD) des S-Proteins. Je intensiver das Indikatorsignal ist, umso höher ist der Titer an neutralisierenden Antikörpern in der Probe. |
NAb-spezifische Antikörpertests: indirektes Nachweisverfahren | Nachweis von Antikörpern gegen die Rezeptorbindedomäne (RBD) des S-Proteins. Je stärker das Signal ist, umso weniger neutralisierende Antikörper enthält die Probe. |
Grundsätzlich ist per Schnelltest entweder ein direkter oder ein indirekter Nachweis von bindenden Antikörpern möglich. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil beim direkten Nachweis gilt: Je stärker das Farbsignal, desto mehr NAb sind in der Probe vorhanden. Beim indirekten Nachweis ist es aber genau umgekehrt. Per Farbskala ist bei einigen Anbietern eine halbquantitative Auswertung des Testergebnisses möglich.
Der direkte Nachweis beruht auf dem Prinzip der Sandwich-Immunchromatografie. Dazu werden Antikörper aus der Maus auf einer Trägerfolie als Testlinie immobilisiert, die humane Antikörper erkennen (Maus-Anti-Human-IgG-Antikörper). Die Blutprobe aus der Fingerbeere wird dann mit einer Pufferlösung gemischt, die unter anderem mit kolloidalem Gold markierte RBD-Proteinfragmente enthält. Diese Fragmente binden alle Antikörper in der Blutprobe, die gegen die RBD gerichtet sind. Alle anderen Antikörper, auch solche, die an andere Epitope des S-Proteins binden, sind nicht markiert und zeigen daher in dem Test kein Signal.
Nachdem das Reaktionsgemisch in die Startposition einer Probenkassette eingefüllt wurde, wandert der Komplex bis zu der Bande mit den fixierten Maus-Anti-Human-IgG-Antikörpern. Diese fangen nun den mit spezifischen Antikörpern beladenen Gold-markierten RBD-Proteinfragment-Komplex ab. Je nach Menge der in der Blutprobe vorhandenen RBD-spezifischen Antikörper wird eine mehr oder weniger intensive Färbung der Bande sichtbar. Ein starkes Farbsignal zeigt dabei einen hohen Titer RBD-spezifischer Antikörper an.
Der indirekte Nachweis von bindenden Antikörpern basiert auf einem Kompetitionskonzept. Auch in diesem Fall verwendet man als Reagenz ein Gold-markiertes RBD-Proteinfragment, das wiederum mit den in der Blutprobe vorhandenen RBD-spezifischen Antikörpern reagiert. Dieses Gemisch wandert nun auf der Membran der Testkassette bis zu einer Bande, in der Proteinfragmente fixiert sind, die der Bindedomäne des ACE2-Rezeptormoleküls entsprechen. Erreichen die Gold-markierten RBD-Proteinfragmente diese Position, werden sie zurückgehalten, wenn sie nicht mit RBD-spezifischen Antikörpern komplexiert sind. Alle anderen Probenbestandteile – auch die mit spezifischen Antikörpern komplexierten RBD-Proteinfragmente – passieren diese Linie.
Wieder wird eine gefärbte Bande sichtbar. Jedoch entspricht in diesem Fall eine intensiv gefärbte Bande einer geringen Konzentration von NAb, da sehr viele nicht komplexierte RBD-Proteinfragmente vorhanden sind. Enthält das Serum des Probanden hingegen viele NAb, können nur sehr wenige nicht komplexierte RBD-Proteinfragmente an die ACE2-Proben binden und es resultiert eine leicht gefärbte Indikatorbande.
Bislang ist der Markt an NAb-Schnelltests noch überschaubar. Und auch die Nachfrage der Apotheken nach diesen Tests ist laut Auskunft der pharmazeutischen Großhändler Noweda und Phoenix gering. Gehe und Sanacorp haben noch keine Antikörperschnelltests im Sortiment, sondieren aber gerade den Markt, wie die PZ erfuhr.
Zum direkten Nachweis von NAb führt Noweda den InfectCheck Covid-19 NAb der US-amerikanischen Firma Affimedix. Für eine exakte Auswertung dieses Tests wird ein spezielles Auslesegerät benötigt, in das die Testkassette mit der Probe (10 µl Blut oder 5 µl Serum) gesteckt wird. Die Sensitivität liegt bei 99,17 Prozent, die Spezifität bei 98,67 Prozent. Einen ähnlichen Test mit entsprechendem Diagnostikgerät bietet Vitalab an. Hier kosten das Gerät inklusive 100 Tests laut Firmen-Website derzeit netto 633 Euro.
Ebenfalls die direkte Nachweismethode nutzt der Test AbC-19 von Abingdon Health, der ohne ein spezielles Lesegerät auskommt. Es werden sowohl Testlösungen als auch Lanzetten mitgeliefert. Die Sensitivität liegt bei 98,03 Prozent und die Spezifität bei 99,56 Prozent.
Auch der mö-screen Corona Virus neutralisierende Antikörper Schnelltest (NAb) von Mölab wird mit komplettem Zubehör, inklusive sterilen Lanzetten, geliefert und kostet netto rund 90 Euro für zehn Stück, also 9 Euro je Test. Er soll ebenfalls eine sehr hohe Genauigkeit haben (Sensitivität: 99,99 Prozent, Spezifität: 99,99 Prozent) und beruht ebenfalls auf der direkten Nachweismethode.
Demgegenüber nutzt der 2019-nCoV Neutralization Antibody 2nd Gen Rapid Test Kit von Beijing Lepu Medical Technology als derzeit einziger Anbieter die indirekte Nachweismethode. Ein Lesegerät wird nicht benötigt.
Neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 sind ein wichtiger Biomarker, der dringend häufiger bestimmt werden sollte. Denn nur anhand des NAb-Titers lässt sich tatsächlich eine Aussage darüber treffen, wie gut eine Person gegen Covid-19 geschützt ist. Die weithin akzeptierte Wahrnehmung, dass man nach zwei Impfdosen mindestens ein halbes Jahr lang vor schweren Covid-19-Verläufen geschützt ist, kann im Einzelfall eine gefährliche Fehleinschätzung sein. Das zeigt die steigende Zahl von Impfdurchbrüchen, die keineswegs immer nur harmlos verlaufen.
Ein Impferfolg ist von vielen Faktoren abhängig. Dazu zählen der Impfstofftyp sowie die korrekte Lagerung und Vorbereitung des Impfstoffs vor der Verabreichung, vor allem aber die Person, die geimpft wird. Alter, Vorerkrankungen und auch die Medikation eines Impflings entscheiden mit darüber, wie stark die Immunreaktion auf eine Impfung ausfällt.
Aus diesem Grund erstaunt es schon, dass so zurückhaltend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, den Immunstatus durch einfache Tests zu überprüfen. Zwar müssen noch viele Fragen geklärt werden, etwa ab welchem Titer man als geschützt gilt. Doch auch halbquantitativ ausgewertet liefern diese Tests wichtige Informationen. Bei besonnenem Einsatz können sie die Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt einer Auffrischimpfung auf eine deutlich bessere rationale Basis stellen, als dies momentan der Fall ist. Hierzu können auch Apotheker beitragen, die solche Tests in der Apotheke anbieten und dazu kompetent beraten.
Professor Dr. Theo Dingermann, Senior Editor der PZ
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.