Was sind schon ein paar Bakterien unter Freunden? |
Annette Rößler |
02.12.2024 11:00 Uhr |
Beim Küssen und auch beim gemeinsamen Essen werden besonders viele Bakterien ausgetauscht. Für eine hohe Übereinstimmung der Bakterienstämme im Darm reicht es aber schon, sich öfters nahe zu sein. / © Adobe Stock/gladskih26
Menschen, mit denen man viel Zeit verbringt, kommt man offenbar nicht nur äußerlich nahe, sondern auch innerlich. Das ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen, denn es geht um die Zusammensetzung der Mikrobiota im Darm. Hier gibt es bei Angehörigen desselben Haushalts eine beträchtliche Überschneidung, wie aus früheren Studien bereits bekannt war. Laut einer aktuellen Publikation im Fachjournal »Nature« stehen aber auch Freunde, die nicht zusammen wohnen, bakterientechnisch in einem engen Austausch.
Für die Studie reiste das Team um Dr. Francesco Beghini und Jackson Pullman von der Yale University in New Haven eigens nach Honduras und nahm dort Proben von Personen in 18 entlegenen Dörfern. Dort verspricht eine Untersuchung der Darmmikrobiota besonders aufschlussreich zu sein, denn es gibt wenig verfälschende Faktoren: Prozessierte Lebensmittel stehen quasi nie auf dem Speiseplan und die Anwendung von Antibiotika und anderen Arzneimitteln, die das Darmmikrobiom verändern, ist gering. Für die untersuchte Fragestellung ebenfalls wichtig: Soziale Interaktion findet überwiegend »in echt« statt, also bei direktem räumlichen Kontakt.
Von 1787 Erwachsenen nahmen die Forschenden Proben des Darmmikrobioms und sequenzierten diese. Gleichzeitig gaben die Testpersonen Auskunft über ihre Sozialkontakte, also mit wem sie zusammenwohnten, mit wem sie darüber hinaus viel Zeit verbrachten und wie eng diese Kontakte waren. Von 301 Probanden wurden nach zwei Jahren erneut Proben genommen und analysiert, um Veränderungen im Mikrobiom über die Zeit nachzuvollziehen.
Die Untersuchung bestätigte, dass bei Menschen, die miteinander in einem engen Kontakt stehen, ein hoher Anteil des Darmmikrobioms identisch ist, und zwar sowohl auf die Bakterienarten bezogen als auch auf die einzelnen Stämme. So teilten Ehepartner und andere Verwandten im selben Haushalt knapp 14 Prozent der Stämme (13,9 beziehungsweise 13,8 Prozent). Doch auch zwischen Freunden, die nicht unter einem Dach lebten, war die Übereinstimmung mit 7,8 Prozent der Stämme noch relativ hoch. Und sogar Menschen, die bloß im selben Dorf wohnten, aber keine direkte soziale Beziehung zueinander hatten, teilten noch 4,0 Prozent der Stämme – eine doppelt so hohe Übereinstimmung wie zwischen Menschen aus zwei verschiedenen Dörfern (2,0 Prozent).
Anhand der Proben, die zwei Jahre nach der ursprünglichen Untersuchung gewonnen worden waren, konnten die Forschenden feststellen, dass sich die Darmmikrobiota von Menschen, die in einer engen Beziehung zueinander standen, noch mehr aneinander angeglichen hatten. Personen, die sich eher am Rand des sozialen Gefüges befanden, hatten dagegen auch weniger Bakterienstämme von den anderen abbekommen beziehungsweise mit diesen geteilt.